Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
»Doktor Jörnsen aus Stockholm? Ihre Frau hieß Senta Arnstör?«
Sein Blick wich zur Seite … »Ja, derselbe Jörnsen – der Freigesprochene!«
Boche Boche spielte jetzt den Zuhörer.
»Ein Verwandter Holger Jörnsens?« forschte ich weiter.
»Ja … Ich bin sein Neffe …«
»Netter Neffe!« meinte der Kamerad.
»Weshalb verfolgen Sie Ihren Onkel und dessen Frau?« setzte ich das Verhör fort.
Er schaute mich erstaunt an … Mit einem Male zuckte frecher Hohn um seine Lippen …
»Ach so!« sagte er mit kurzem Auflachen. »Mir geht ein Licht auf …! Also die Firma ist’s!! Die! Nun – ich danke Ihnen für diese Offenbarung, Herr Abelsen. Jetzt …« – wieder das scheußliche Lachen – »jetzt mögen Sie mich meinetwegen bei lebendigem Leibe schmoren, – von mir erfahren Sie nichts mehr – gar nichts! – Wissen Sie, was Haß vermag?! Haß ist mehr als Hunger, Liebe … Haß ist das stärkste, das einen Menschen völlig umwandeln kann! Haß und Rache sind Geschwister! Versuchen Sie doch mal, aus mir auch nur eine Silbe noch herauszupressen! Sie wollen wissen, wo das Ehepaar Jörnsen ist … Sie wollen wissen, weshalb ich so eifrig hinter dem Kutter her war … Nichts werden Sie erfahren – nichts! Sie haben mir die Kraft gegeben zum Sterben! Denn – auch andere werden dann sterben. Und diese Gewißheit wird mir meine letzten Sekunden versüßen!«
»Abwarten …! Sie sind nicht aus demselben Holze geschnitzt wie Ihr Oheim. Dem haben Sie die Handflächen bis auf die Knochen verbrannt, und er schwieg trotzdem! Aber es gibt … empfindlichere Stellen des Körpers, Doktor Jörnsen! Abwarten!« Und er schritt davon, in die Kombüse hinab, kehrte sofort mit einem anderen glühenden Eisen zurück …
»Olaf, reiße ihm die Kleider vom Leibe! Tu’s! Schnell!«
Erik Jörnsen hatte den Kopf nach unten gebeugt, hatte so mit dem Munde die hochgebauschte Ecke seines linken Jackenaufschlags erreichen können, hatte dort mit den Zähnen eine kurze Nadel mit dunkelblauem Glasknopf hervorgezogen und ebenso rasch im Munde verschwinden lassen.
Ich sprang zu spät zu …
Er spie mir ein grelles Lachen ins Gesicht …
»Sie sitzt schon im Gaumenfleisch, Abelsen! Ich hatte mich vorgesehen … Ich werde einen leichten Tod haben … Martert mich doch – martert mich! Eine Leiche spürt nichts mehr!! Nichts! Schaut nach der Uhr: drei Minuten dauert es! Ich habe es ausprobiert … An wem wohl?! – Ja, glotzt mich nur an, ihr Schurken! Ich lache euch aus!! Sucht doch das Ehepaar Jörnsen!! Auch die drei Patagonier!! Mein Herr Onkel kann euch dann zu Millionären machen, der alte Narr, der das Gold verachtete und nun am Golde erstickt …! – Drei Minuten – – keine Sekunde länger!! – Und du, Vagabund ohne Namen, Boche Boche, doppeltes Schwein, – – du sollst auch noch ein Andenken von mir erhalten …! Besinne dich mal … Sind wir uns nie im Leben begegnet? Bin ich dir wirklich ein Fremder? – Doppeltes Schwein – ich … weiß deinen Namen!! Ich könnte ihn dir nennen! Auch Holger Jörnsen kennt ihn … Aber – und das ist meine Rache an dir! – ich werde dich weiter als Namenlosen in der Finsternis deines toten Hirns umhertappen lassen, und auch mein Onkel wird dir den Schleier deiner Vergangenheit niemals lüften …! Ich kenne dich! Oft genug haben wir nebeneinander gesessen!«
Der Kamerad hatte das glühende Eisen plötzlich über Bord geworfen, die Zange fallen lassen und die Fäuste gegen die Schläfen gepreßt, als ob er seinen Schädel durch brutalen Druck in andere Form bringen und so vielleicht die verschlossene Pforte sprengen könnte. Totenbleich war er … Die grauen Augen quollen aus den Höhlen … Und diese Augen hingen verzweifelt, hilfesuchend an meinem erstarrten Gesicht …
Sonnenschein um uns – die große erhabene Stille dieser steinernen Welt …
»Olaf – – Olaf …« stöhnte der Kamerad, »Da war … war abermals ein kurzes Aufflackern des Gedächtnisses … Ich … kenne ihn – – ihn!«
Und er stürzte vorwärts, kniete neben Erik Jörnsen …
Zu spät wäre jedes Flehen gekommen.
Jörnsen lag bereits mit geschlossenen Augen da, um die geschlossenen Lippen ein rachsüchtiges Grinsen …
Blitzartig veränderten sich seine Züge. Das Grinsen verschwand …
Der Tod gab auch diesem Gesicht den Frieden.
15. Kapitel
Der Name
Sang- und klanglos flog um vier Uhr nachmittags die mit einem Felsstein beschwerte Leiche Doktor Erik Jörnsens über Bord in die Tiefe. Ich hatte das allein besorgen müssen, denn mit Boche Boche war jetzt nichts anzufangen. Gleich nach dem raschen Tode Jörnsens hatte er sich vorn auf die kleine Luke gesetzt und starrte regungslos in stumpfem Brüten vor sich hin, war für keinerlei Trostwort zugänglich und meinte nur einmal in jenem verzweifelten Ton, den ich schon an ihm kannte: »Er hat sich wirklich gerächt …!! Bittereres hätte er mir nicht zufügen können als diese grausame Eröffnung, daß sowohl er als auch der andere Jörnsen wußten, wer ich bin … Und diese beiden sind tot, und ich werde bleiben, was ich war: Boche Boche! – Geh’, Olaf, laß mich bitte allein … Hiermit muß ich selbst fertig werden!«
Ich ging … Durfte ich ihm sagen, daß ich längst den Beweis erhalten, daß er dem alten Jörnsen kein Fremder?! Durfte ich von dem Kabinettbilde sprechen?! Ich hatte mein Wort verpfändet!
Jetzt wirtschaftete ich in der Kombüse umher, spielte Koch. Nach der Mahlzeit würde ich den Freund schon dazu bestimmen, daß wir uns zunächst einmal gehörig ausschliefen, bevor wir die Suche nach den beiden Jörnsens begannen, denn ich für meine Person war überzeugt, daß sie noch lebten. Erik Jörnsen hatte sich ja in seinen letzten haßerfüllten Sätzen geradezu widersprochen, was das Ehepaar anbetraf. Für mich war ausschlaggebend, daß er erklärt hatte, wenn er stürbe, würden auch andere sterben – andere, das konnten nur die Jörnsens sein! Also lebten sie noch, wurden nur irgendwo festgehalten, wo sie verhungern mußten, falls wir sie nicht befreiten.
Und … Gerda?!
Bitterste Vorwürfe machte ich mir jetzt, weil ich Erik Jörnsen nicht wenigstens eine Andeutung über ihren Verbleib herausgelockt hatte.
Überhaupt: mir ging so vieles durch den Kopf! Vollkommen unverständlich war mir, weshalb Doktor Jörnsen, fraglos ein übler Feigling, so plötzlich den Mut gefunden, seinem Leben ein Ende zu machen.
Ich sollte ihm diesen Mut eingeflößt haben – – ich?! Wodurch?! Ich hatte ihn doch lediglich gefragt, weshalb er seinen Onkel und dessen Frau verfolge! Und da war diese seltsame Wendung eingetreten, da hatten wir jede Macht über ihn verloren …!
Vieles ging mir durch den Kopf. Ich hatte jetzt ausschließlich die Verantwortung für alles, was wir zur Rettung der beiden Jörnsens tun würden. Mein Kamerad, das fühlte ich, würde diesen Kampf gegen seine niedergedrückte, trostlose Stimmung diesmal nicht so schnell wie bisher als Sieger beenden können.
Die Mahlzeit war fertig. Ich hatte der Bequemlichkeit halber den Tisch gleich in der Kombüse gedeckt. Ich besinne mich so genau, daß ich mir damals besondere Mühe gegeben, unsere bescheidene Tafel recht zierlich herzurichten, denn – das Auge ißt mit. Es gab ein echt deutsches Gericht: Konserveneisbein mit Erbsbrei und Sauerkohl, dazu eine große Schale eingemachte Früchte, als Getränk Rotwein. Einzelheiten eines Tages wie jener, an dem nachher Schlag auf Schlag die Überraschungen folgten, vergißt man nie. Noch heute träume ich oft davon, weit häufiger als über die Ereignisse jener Nacht, wo die Ankerketten des Torstensen wie Stahlsaiten erklangen, rissen und der Kutter in den stillen Triftkanal getrieben wurde.
Ich ging an Deck, um Boche Boche zu Tisch zu bitten. Da begann das Wunderbare dieses Nachmittags. Der Kamerad hatte seinen Platz