Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
bemerkt … Du wurdest doch verwundet …«
»Stimmen das, Mistre … War Matrose auf Vorschiff … Sah mich, stach … schoß … War dummer Kerl … Ich tauchen, und … weg!«
»Das ist ein Indianer,« rief Allan begeistert. »Auf der Branco-Farm schossen unsere Cowboys nur aufeinander, wenn sie betrunken waren. – Oh, Coy, du bist ein Held!«
Der Held schielte nach der letzten halb geleerten Rumflasche. Aber sein Augenklappern nützte nichts. Ich schob die Buddel unter mein Graskopfpolster, und dann legten wir uns nieder. Coy und Allan waren sehr bald eingeschlafen. Mir ging zu vieles durch den Kopf, als daß ich sofort ins unwirkliche Traumland hätte hinübergleiten können.
Also doch die Turidos! Mich hatten sie wohl verschont, weil ich bewaffnet gewesen. Ob sie mich nun für erledigt hielten? Ob sie hofften, daß Coy als Leiche in den Kanälen treibe, und mich als einzelnen Gegner ohne Brot und Lebensmittel nicht mehr berücksichtigten?!
Und wenn sie in dieser Nacht wiederkehrten?!
Ein einziger Gedanke dieser Art genügt, alle Lebensgeister zu wecken.
Ich richtete mich auf. Das Feuer flackerte bescheiden. Meine Hand tastete nach der Büchse. Im selben Moment hörte ich draußen in den zerklüfteten Randhöhen den ersten tiefen Orgelton des von Coy angesagten Sturmes. Ich lauschte. Ein hohles Pfeifen folgte. Und in fünf Minuten rüttelte der in den Buchtkessel herabstoßende Winddruck derart an dem Fellzelt, daß die Ruder, die Zeltstöcke, sich knarrend aneinander rieben.
Coy erwachte, schaute mich an. Sein bepflastertes Gesicht war ernst.
»Schlechte Platz für Zelt, Mistre …« flüsterte er mit einem Blick auf den schlummernden Knaben. »Große Orkan kommen, Mistre … – Da – – Hagel …!!«
Und was für ein Hagel …
Gewehrfeuer fast … Und Allan schreckte empor …
Dann ein Sturmstoß, der die eine Seite des Zeltes tief eindrückte … Die beiden Ruder bogen sich nach innen wie Rohrstengel …
Ein zweiter … begleitet von einem sausenden Heulen …
Urplötzlich schlug mir die eine Zeltstange gegen das Kinn …
Urplötzlich saßen wir ohne Dach über dem Kopfe da …
Regenfluten …
Gießbäche …
Das ganze Zelt wurde als Flugzeug davongetragen …
Urplötzlich waren wir naß bis auf die Haut …
Und um uns her, die wir uns eng an den Boden geschmiegt hatten, um nicht dem Zelte zu folgen, war Finsternis und ein wildes Kreisen von Grashalmen, Aststücken und kleinen Steinen. Wir befanden uns hier eben gerade an einer Stelle, wo der Orkan in diesem Felsenloch einen Wirbel hervorrief.
Traute Philister, die ihr vielleicht einmal im Klubsessel im warmen Zimmer diese meine undichterischen kalten Tatsachen lest: Seid ihr schon einmal bei einem Regen von etwa zwei Grad bis auf die Haut durchgeweicht worden, habt ihr schon einmal flach wie breitgetretene Frösche dagelegen und hat euch schon einmal ein kreisender Strom scharfkantiger Steine die Haut vom Genick, Händen, Ohren weggekratzt wie grobes Sandpapier? Kennt ihr Minuten wie jene, wo jede Sekunde die saugende Kraft des Wirbels uns emporreißen und in die Bucht zu schleudern drohte?! – Geht nach der Magelhaens, ihr Kulturmenschen, und werdet Männer! Dann braucht ihr weder Diplomaten noch Völkerbund noch Zeitungsgewäsch über den Kuhhandel der Politik! Dann werdet ihr eure Seelchen nachher gründlich gesäubert finden! Das sage ich euch, der damals den kleinen Allan an den Beinen festhielt, während Coy seinen Hals umschlang … Der Junge wäre sonst wie ein Blättlein weggefegt worden. Und wenn ihr dies alles nicht glaubt, so kommt hierher, wo ich jetzt mit einem Stückchen Bleistift in Coys Hütte leichten Herzens niederschreibe, was das wahre Leben mir bescherte. – Kommt und seht die Runen in meiner Haut von jener Nacht … Ihr habt Narben von Karbunkeln im fetten Genick … Ich Narben von Steinen von Santa Ines. Ein kleiner Unterschied.
Vielleicht hättet ihr geheult vor Angst um euer bißchen Leben. Allan heulte nicht. Allan schrie nur mit schriller Kinderstimme: »Das Bootsgerippe – das Bootsgerippe!« So sehr lag ihm das unfertige Boot am Herzen.
Ob es noch da war, ob der Orkan es bereits ebenfalls irgendwohin gewirbelt hatte, – man konnte ja keine vier Schritt weit sehen! Wahrscheinlich war’s verloren, zerschellt, oder lag irgendwo hoch oben auf einer unzugänglichen Felszacke oder schwamm in der Bucht umher. War ja alles gleichgültig jetzt – alles … Hier galt’s, das nackte bißchen Leben vor dieser eisigen Sintflut zu retten …
Und bald – – bald, bevor die Kälte uns völlig die Glieder lähmte und die Nässe uns das Fieber ins Blut trieb, … bald mußte es geschehen. Aber wie?! Sich aufrichten, oder weiterkriechen? Wohin?! Wenn die Terrassenrückwand wenigstens eine Einbuchtung, die Andeutung einer Höhle gehabt hätte!
Zuweilen schien ja der rasend schnell kreisende Wirbel einschlafen zu wollen. Schien … Und dann prasselte all das auf uns herab, was der Lufttrichter emporgesogen hatte: Steine, Äste, Gras, Wolldecken …
Nicht lange – und das ganze Zeug gehorchte wieder dem stärkeren Gesetz der Schraubendrehung des Orkanes.
Aber – wir hatten Coy Cala, und Coy kannte dieses schöne, wilde Spiel der Sturmgesellen. Coy brüllte … Packte Allan, trug ihn davon – gerade in einer längeren Ruhepause des Unwetters. Ich stolperte hinterdrein … bis zum äußersten südlichen Terrassenwinkel, der in eine enge Bucht überging. Wir krochen hinein – immer tiefer, tiefer … Finsternis, aber trockener Boden. Die Felsspalte wölbte sich schräg, und wir hatten wieder ein Dach überm Kopf.
Coy brüllte von neuem …
Und ich war mit Allan allein.
Coy kam mit Decken, Waffen, Patronenkästen, Kesseln, Flaschen. Dreimal machte er den Weg. Wie er dann ein Feuer in Brand bekam: nur ein Kerl wie er konnte es!
Aus dem schwelenden Feuerchen wurde ein prasselnder qualmender Holzstoß. Wärme, Licht … Über uns die Orgelmusik des Pazifik … Pferdenatur, dieser Coy!! Seine Lederkluft hatte dem Regen am besten getrotzt. Splitternackt zog er sich aus, splitternackt zog er Allan aus, hüllte ihn in seine transtinkenden Hosen und die duftende Jacke …
Lachte, schwatzte …
Nicht als einer, der sich wichtig tun will, nicht als einer, der sich in der Art der Ungebildeten als Retter aufspielen will, redete er von dem Orkan und dem Wirbel wie von etwas gänzlich Belanglosem. Das Unheil, das uns betroffen, würde in kurzem wieder ausgeglichen sein … Zeltdach, Ruder – alles würden wir wiederfinden …
Und wenn ich auch sehr wohl weiß, daß in der Rumflasche, die von Coy natürlich zunächst in Sicherheit gebracht worden war, abermals zwei Fingerbreit fehlte, so nahm ich davon doch keine Notiz. Coy Cala war unser Retter.
Und als er nun noch zwei Decken in Ritzen des Gesteins straff gespannt so festgekeilt hatte, daß die Windstoße in die Kluft nicht mehr hinabreichten, da hatten wir es recht warm und gemütlich in unserem Felsenloch. – Ich schaute nach der Uhr. Es war jetzt drei Uhr morgens, und der Orkan hatte seinen Höhepunkt erreicht. Über die vorgewölbte Granitwand prasselten Steinlawinen herab, und das Krachen einiger Donnerschläge eines schnell wieder abziehenden Gewitters waren so laut, als ob in der Bucht ein Schlachtschiff Schießübungen abhielt.
Coy hockte am Feuer und trocknete Allans Kleider. Nackt saß er da … Der rote Flammenschein umspielte seinen muskelstrotzenden braunen Leib, dessen wundervolles Ebenmaß mich geradezu entzückte. Allan kauerte in der windgeschütztesten Ecke, den Kopf auf die Brust gesunken, schlief. In Coys Ledertracht sah er wie ein kleiner Strolch aus. Ich selbst ließ ebenfalls meine durchweichten Kleidungsstücke nacheinander vor der Glut dampfen und nahm mir vor, Coy niemals mehr irgend etwas von seinen kleinen Frechheiten nachzutragen.
Seltsame Nacht damals. An Schlafen war für uns beide nicht zu denken. Wir hatten mit einem raschen Abflauen des Sturmes gerechnet. Das betrog uns. Das Wetter narrte uns bis zum Morgengrauen,