Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
Santa Ines erreichen würden. Wir mußten ihr ganz nahe sein.
Dann erwachte Coy Cala. Rieb sich die Augen, warf die Fellkleider ab und … sprang über Bord, schwamm nebenher, stieß den schrillen Jagdruf seines vielgestaltigen Volkes aus, turnte geschickt wieder ins Boot und schlüpfte in seine Hosen, Stiefel, Wams.
Seine schwarzen Augen musterten den südlichen Himmel, wo das dunkle Gewölk sich höher und höher schob.
»Mich rudern lassen,« sagte er kurz. »Bald Regen, Kälte … Dort Santa Ines …«
Wir waren auf einem breiten Kanal. Vor uns himmelhohe Granitmauern, in der Ferne düstere Gebirge.
Joachim und ich hockten am Boden und beschauten unsere Hände. Blase an Blase … Und die Muskeln hart und überanstrengt, aber im ganzen Leibe das Glühen wundervollen Kraftbewußtseins.
Coy ruderte. Er schaffte mehr als wir zwei.
Näher kamen die grauschwarzen Mauern, näher auch der tiefe Einschnitt in die Küste … In diese breite, meilenweite Bucht liefen wir ein, landeten an flacher Stelle kurz vor dem Fallen der ersten Tropfen. Die lichtblaue Himmelsglocke war verschwunden. Wolken zogen tief hängend über uns dahin, und die ersten Orgeltöne des Sturmes brachten den Eishauch der Südpolargebiete mit. Joachim zog sein Robbenhabit über, und dann wurde das Boot hoch an Land geschleppt, wurde, Boden nach oben, mit einer Steinmauer umgeben, die Ritzen mit Moos und Gräsern verstopft.
Kaum war diese Bootshütte fertig, als auch schon der erste Hagel herabgeschossen kam. Wir lagen im Trockenen auf trockenen Graslagern, und über dem knisternden Feuer klaffte in dem Fellüberzug des Bootes ein durch Hölzer gesperrtes Loch als Rauchfang. Drei Lachse und einen Robbensäugling vertilgten wir damals, tranken Tee mit Zucker und Rum, – Rum aus dem Zelte Gerald Mangroves, der nun dort gen Osten auf der Kuppe im Geröll neben dem Mulatten sein Grab gefunden hatte. Draußen jaulte der Sturm wie ein brünstiger Köter, draußen lag handhoch weißer Schnee, wurden meterhohe Schanzen aufgetürmt …
Magelhaens-Land!!
Dann wickelten wir uns in die Decken und die vier Zeltbahnen Gerald Mangroves. Allan lag dicht neben Joachim, und Coy wieder als Wache an dem Eingang, das durch zwei Robbenfelle verschlossen war.
Diese erste Nacht auf Santa Ines schliefen wir wie die Murmeltiere. Als ich erwachte, kam Coy gerade von draußen herein – wie ein Schneemann … Lachte, streifte die Flocken ab …
»Mittags wieder gut Wetter, Mistre Abelsen. Dann Boot auseinandernehmen, Schleifen bauen für Fellpakete und anderes.«
Wir tranken Tee, aßen angeräuchertes Robbenfleisch, Zwieback (von Gerald Mangrove) und anderes, rauchten, berieten. Coy meinte, wir würden fünf Tage zum Durchqueren der Insel gebrauchen.
»Und die Gebirge!« warf Joachim ein.
»Chubur mir Weg beschreiben, Mistre Näsler, genügen …«
Joachim schwieg …
Nach dem Frühstück baute er für Allan einen schönen großen Schneemann. Aber die Herrlichkeit war nur von kurzem Bestand. Coy behielt recht, der Wind ging nach Westen herum und um halb zwölf hatte die Sonne auch den Schneemann erledigt. Das Gestein dampfte und feine Nebel lagen über der großen Bucht, auf deren zahllosen Inselchen die Robben sich tummelten.
Coy und Allan nahmen das Boot und besorgten Fleisch. Mit acht Jungtieren kehrten sie zurück. Coy und Joachim weideten die Tiere aus, während ich den Fellbezug des Bootes löste und ihn in drei Stücke zertrennte.
Es wurde vier Uhr, bevor wir aufbrechen konnten. Das Bootsgerippe hatte das Holz zu den Schleifen geliefert. Die Last, die jeder von uns drei Männern zu ziehen hatte, war nicht gering, da wir nichts zurücklassen mochten.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit folgten wir dem Strande der Bucht, schlugen dann im äußersten westlichen Buchtwinkel unser Fellzelt auf und benutzten den Rest des Tageslichtes für einen abermaligen Jagdzug. Coy baute aus Steinen einen Räucherofen, und bis zum Morgen hingen die Fleischstreifen im beizenden Qualm.
Und nun ging’s hinein in die große Einsamkeit dieser Insel, die auch heute noch zum geringsten Teil erforscht ist – hinein in die Steinwildnis, die erhabene Stille und Ruhe und Unberührtheit.
Wir konnten mit dem ersten Tagesmarsch zufrieden sein. Fünfzig Kilometer, schätzte ich. Das Wetter war tadellos, beinahe zu warm. Und dann die angenehme Enttäuschung: Was wir bisher von Santa Ines gewußt hatten, was Chubur wortkarg angedeutet hatte, traf nicht zu. Nein, diese Insel besaß prachtvolle Steppen, Buchenwälder, lichte Gehölze des Spindelbaumes, ganze Teppiche von Magnolien, Thujas, Fuchsien und stellenweise halb mannshohes Tussokgras. Besonders die zart rosa Magnolien wirkten aus der Entfernung wie seltsame Gemälde.
In einem bewaldeten Tale schlugen wir das Lager auf. Joachim hatte drüben in den Bergen ein kleines Rudel Guanacos bemerkt, und seine Jagdleidenschaft verhieß uns einen willkommenen Braten tranlosen Fleisches. Aber nach zwei Stunden kehrte er ohne jede Beute zurück, müde, verärgert und wütend auf Coy, der ihn grinsend empfing, der ihm von vornherein abgeraten hatte, sich zwecklos anzustrengen.
»Guanacos zu schlau … Coy kennen Guanacos …!«
Bei der Abendmahlzeit flocht Coy dann einen langen dünnen Lasso. Unsere Fragen, was er damit beabsichtige, überhörte er. Wollte er wirklich ein paar Tiere einfangen?
Ich war dann erst halb eingeschlummert, als Coy sich leise von seinem Lager erhob, seinen Karabiner und den Lasso nahm und aus dem Zelte in den hellen Mondschein hinauskroch. Ich folgte ihm ebenso leise …
»Coy, ich begleite dich …!«
Er drehte sich um …
Winkte mir hastig zu, schaute wieder das Tal hinab, dessen bewaldete Hänge im Nachtwinde säuselnd rauschten …
»Coy, was gibt’s?«
»Menschen … drei … Männer … Dort! – Kommen, Mistre … Können sein Alacaluf, Feuerländer hier von Westseite … Diebisches Pack, Mistre … – Kommen …!«
Er entsicherte seinen Karabiner. Aber trotz des fast taghellen Mondlichts entdeckten wir keine Spuren. Coy blieb bei seiner Behauptung, drei Gestalten bemerkt zu haben. Wir kehrten schließlich um, weckten Joachim und legten ihm nahe, bis zu unserer Rückkehr zu wachen.
»Wenn’s sein muß … gut …« – Und er setzte sich vor das Zelt, rauchte und legte den Karabiner neben sich. – Coy hatte jetzt zugegeben, daß er zwei Guanacos als Lasttiere für uns einfangen wolle. »Dann wir nichts brauchen ziehen, Mistre …« hatte er stolz erklärt, und Joachim hatte ironisch gemeint: »Mein Sohn, die Viecher werden dir kaum den Gefallen tun, sofort Packesel zu spielen … Wilde Guanacos und Packesel – lächerlich!!«
Coy lächelte sehr von oben herab. »Sie schon mal haben gefangen Guanacos, Mistre, – he?! Sie sehen werden, wie Guanacos zahm in eine Stunde … Coy das kennen!« Und wenn er diese Redensart gebrauchte, so war das gleichsam sein Eid: Es wird so sein wie ich es sage!
Joachim blieb hierauf stumm.
Und Coy und ich schlenderten nach Norden zu davon, erkletterten die Talwand, gelangten auf die Hochebene und bald auch in die Berge. Wie Coy hier nachts die Tiere zu finden gedachte, war mir schleierhaft, zumal doch Näsler das Rudel aus der Nähe verscheucht hatte. Aber ich hütete mich zu fragen. Coy sollte nicht auch an mir den Triumph auskosten, uns Europäern seine Überlegenheit zu beweisen.
Wir kletterten eine Schlucht hinan, aus der ein dünnes Rinnsal hervorkam. Coy stets zehn Schritt voran. Wenn ich einmal einen Stein ins Rollen brachte, und das ließ sich kaum vermeiden, blieb Coy stehen und drohte mir unzweideutig mit der Faust. Wir erreichten ein sanft nach Süden geneigtes, sehr grasreiches Plateau. Wir waren hier etwa in achthundert Meter Höhe, und die dünne Luft erleichterte uns jede Bewegung. Als ich mich zufällig einmal umwandte, gewahrte ich etwas links von der Stelle, wo unser Lager etwa liegen mußte, ein flackerndes Pünktchen, fraglos ein offenes Feuer. Sofort dachte ich an die drei Gestalten, die Coy gesehen haben wollte.
»Coy!«