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Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.

Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch - Walther Kabel


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war, das mir böse Absichten auf das Nest und die Jungen zutraute und deshalb wie ein Wüterich auf mich niederstieß, kann ich nicht sagen, denn bei Vögeln ist die Geschlechtsbestimmung in der Eile nicht so ganz einfach.

      Der Condor meinte es verflucht ernst. Als ich das Rauschen über mir hörte und sofort das Richtige vermutete, den Kopf einzog und mich rasch nach vorn zu Boden warf, war’s schon zu spät. Noch im Fallen schlug mir der Condor die Fänge in meinen schönen einst braun gewesenen breitrandigen Kalabreser …

      Und ich – hatte auch schon das Messer heraus, flach schräg nach oben … traf auch, aber offenbar schlecht. Jedenfalls wurde ich meinen Zylinder damals endgültig los. Wir haben ihn nie wiedergefunden. Der Condor nahm ihn mit, hielt ihn vielleicht für eine besondere Art von Beute, flog davon und ließ sich auf einem nahen Berggipfel nieder. Das beobachtete ich noch. Und das ist auch mein einziges Abenteuer mit diesem Riesenadler der Anden geblieben.

      Es war die Einleitung für eine andere Szene. Bevor ich diese schildere, muß ich notwendig etwas einflechten, das wirklich Flechtwerk ist und vielen Schluchten in den Kordilleren, besonders im tropischen Teile, eine besondere Note verleiht.

      Die Dornendickichte habe ich bereits häufiger erwähnt, vorhin auch den patagonischen Hopfen, aus dessen Ranken die braunen Fischer Taue flechten, die den Manilahanfseilen nichts nachgeben. An den senkrechten Wänden der Schluchten, Klüfte und Täler bilden sich nun (im tropischen Gebiet mit Hilfe anderer Baumarten und anderer Rankengewächse) in verschiedenen Größen oft sogenannte Pandasaras, Hängematten, – eine recht treffende Bezeichnung für diese natürlichen, zwischen Bäumen ausgespannten Matten. Wo Risse im Gestein den Kiefern und Bergbuchen das Wachstum in verschiedenen Höhenabständen der Felswände gestattet haben, findet man zuweilen diese Pandasaras in vier bis sechs Exemplaren übereinander, deren Stützpunkte eben stets Bäume sind und deren eigentliche »Matte« hier im südlichsten Patagonien stets aus einem fast unzerreißbaren Gewirr von Dornen- und Hopfenranken sich zusammensetzt. Faulen die Stützpunkte ab, so stürzen die Pandasaras häufig ein paar Meter tiefer, werden dann aber wieder durch die im Gestein haftenden Rankenwurzeln festgehalten und gleichen nun vollkommen einer Hängematte, besonders wenn es sich um nach innen gewölbte, also überhängende Wände handelt. – Dies dürfte zum Verständnis des Folgenden genügen.

      Mein schöner Filz war mir also flöten gegangen, und mein einziger Trost war, daß der Condor auf seiner Bergspitze bitter enttäuscht gewesen sein muß, meine durchgeschwitzte Kopfbedeckung als völlig ungenießbar lediglich zur Nestpolsterung verwenden zu können.

      Ich schritt weiter. Die Richtung, die Coy vorhin zum Rande des Abgrundes eingeschlagen hatte, hoffte ich genau einhalten zu können, merkte jedoch bald, daß mein Orientierungssinn versagte. Ich erreichte den Abhang an einer ganz anderen Stelle. Als ich mich vorbeugte, gewahrte ich fünf Meter unter mir eine gut fünf Meter lange und vielleicht zwei Meter breite Pandasara, die jeden Ausblick in die Tiefe versperrte. Ich glaubte, zu weit nach rechts abgebogen zu sein, umging ein ausgedehntes Dornengestrüpp und kam dicht an einer vom Sturme geknickten Kiefer vorüber, deren Krone sich nun eng an den Stamm angeschmiegt hatte.

      Der Vorfall mit dem Condor hatte meine Wachsamkeit verdoppelt. Ich hatte das Jagdmesser noch in der rechten Hand, in der linken die Büchse. So konnte ich denn den überraschenden Angriff eines blondbärtigen hünenhaften Mannes, der einen dunklen Reitanzug aus Samtmanchester trug und der sich hinter der Kiefer hervor wortlos mit erhobenem Messer auf mich stürzte, zunächst durch einen blitzschnellen Stoß mit dem Büchsenkolben abwehren. Daß ich es hier mit Sennor Manuel Mastilo zu tun hätte, bezweifelte ich keinen Augenblick, und daß der Riese mir an Körperkräften weit überlegen, erkannte ich schon aus dem Fausthieb, mit dem er mir die Büchse aus der Hand zu schlagen suchte.

      Ehe ich noch mit dem Messer zustoßen konnte, hatte ich schon einen zweiten Schlag unter das Kinn erhalten, der mir für Sekunden das Hirn gründlichst in Unordnung brachte. Ich flog nach hinten. Aber instinktiv hielt ich Messer und Büchse krampfhaft fest. Ich kollerte halb in die Dornen hinein, fühlte, daß eine Faust mich am Kragen packte und weiter schleifte … Genau so instinktiv schrie ich um Hilfe … Nein – nicht um Hilfe. Nur zweimal brüllte ich mit überschnappender Stimme Coys Namen. Dann flog ich schon ins Leere …

      Ich besinne mich noch genau, daß in diesem Moment, als mein Körper durch die Luft wirbelte – hinab in den Kanon, mein bewußter Blick das Gesicht meines Feindes traf und daß dieses vom Mondlicht hell beschienene gelbbräunliche Gesicht mit seinem wilden Ausdruck erbarmungsloser Mordgier mich mehr entsetzte als der flüchtige Gedanke, unten im Abgrund zu zerschellen.

      Dann prallte mein Rücken auch schon auf etwas Weiches, Federndes …

      Ich hörte ein dumpfes Krachen und Splittern von Holz, und die Pandasara, die mich wie ein Sprungtuch aufgefangen hatte, neigte sich, kippte und, ehe ich noch zupacken und mich an das Geflecht anklammern konnte, rollte ich abermals ins Leere. Über mir vernahm ich ein höhnisches, brutales Lachen, und nun sauste ich außerhalb der Grenze des Mondlichts in der Finsternis weiter abwärts …

      Prallte wieder auf etwas Elastisches, jetzt mit Gesicht und Bauch, fühlte die Dornen an Händen, Kinn und Stirn, wurde ein wenig emporgeschleudert, sank von neuem auf das breite Flechtwerk und … lag still.

      Mein Herz raste, als ob es mir aus dem Halse springen wollte. Beruhigte sich, genau wie meine zügellos flutenden Gedanken. Ich wußte, daß ich vorläufig geborgen war. Die Naturhängematte hielt mein Gewicht aus und wenn mich dieser Satan von Mastilo nicht gerade von oben entdeckte und mir eine Kugel durch den Schädel jagte, würde ich schon lebend davonkommen.

      Ich hob den Kopf, legte mich etwas auf die Seite …

      Stiche der Dornen – mein Gott, in solcher Lage fühlt man so Winziges nicht!

      Ich schielte nach oben … Triumph!! Die Pandasara über mir, die unter meinem Gewicht nachgegeben hatte, und deren Stützpunkte abgebrochen waren, hatte ihre wagerechte Lage wieder eingenommen, schwankte noch leicht hin und her und »beschirmte« mich in ureigenstem Sinne des Wortes. Mastilo konnte mich unmöglich bemerken. Und diese Gewißheit machte mich vollends zum Herrn der mehr eigenartigen als gefährlichen Situation. Ich überlegte und kam zu dem einzig vernünftigen Entschluß, mich völlig ruhig zu verhalten. Ob Coy meine Rufe gehört hatte, – ich bezweifelte es. Der Nachtwind verursachte zu viel Lärm, wenn er auch nur stoßweise über die Terrassen des Plateaus fuhr. Ob Mastilo, der doch allein war, sich an meine drei Araukaner heranwagen würde, bezweifelte ich. Mit Coy hätte er’s nicht so leicht wie mit mir gehabt. Und der lange Chico, der nur aus Muskeln und Sehnen bestand, – auch ein böser Gegner.

      Gewiß – ich hätte von hier aus ein paar Alarmschüsse abgeben können. Ob der dünne Knall der Repetierbüchse bis in die Mooshütte gedrungen wäre: mehr als fraglich. Und dann würde ich mich Mastilo gegenüber nur verraten haben. Besser, er wähnte mich erledigt. – So tat ich denn gar nichts, stützte die Unterarme flach auf die dicht verschlungenen Ranken und blieb mit erhobenem Kopf auf dem Bauche liegen. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Ich schätzte die Größe meiner Hängematte: Vielleicht sechs Meter lang, drei Meter breit. – Ich habe noch größere gesehen.

      Dann spähte ich schräg an meinem Schirm vorüber in die Höhe. Meine Pandasara hing etwa zwanzig Meter unter dem Rande der Steilwand. Und dort oben war im Mondlicht nichts zu sehen.

      Nun nach unten hin …

      Zu bewegen wagte ich mich nicht. Aber eins konnte ich wohl ohne jede Gefahr: ein Loch in mein Sprungtuch schneiden, ein kleines Loch. Das würde die Haltbarkeit der Hängematte nicht beeinträchtigen.

      Ich arbeitete mit aller Ruhe und aller Vorsicht. Ich hatte Zeit. Es war jetzt vielleicht ein Uhr morgens, bis Tagesanbruch noch fünf Stunden. Ich schnitt und sägte, wurde kühner, denn meine Lagerstatt rührte sich nicht.

      Das Loch wurde so groß, daß ich bequem die Hand hindurchstecken konnte. Nach unten hin erweiterte ich es trichterförmig. Als ich damit fertig, fluchte ich. Ich hatte mir die Hände unnötig zerkratzt und zerstochen. Unter mir – ich taxierte zehn Meter, hing noch eine Pandasara …!

      9.


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