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Der Buddhismus. Gottfried HierzenbergerЧитать онлайн книгу.

Der Buddhismus - Gottfried  Hierzenberger


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westliche Buddhismus

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      Grundwissen Buddhismus

      Der Glaube der Inder nimmt in der Gesamtheit der Weltreligionen eine besonders wichtige Stelle ein, denn Hinduismus und Buddhismus gehören zu den größten und bedeutendsten Religionsgemeinschaften. Zu ihnen bekennen sich seit viertausend bzw. zweieinhalbtausend Jahren viele hundert Millionen Menschen; wobei der mehr als tausend Jahre ältere Hinduismus in vielfacher Hinsicht als Ausgangspunkt und Hintergrund des Buddhismus zu verstehen ist, da der Buddha sein irdisches Leben als gläubiger Hindu begann.

      Wie im Band »Hinduismus« nachzulesen ist, befand sich der Hinduismus im 6. Jh. v. Chr. gerade in einem fließenden Übergang vom sogenannten Brahmanismus zum klassischen Hinduismus, als Siddhārta Gautama aus dem Stamm der Shakya, geboren in Kapilavastu in Nordindien nahe der Grenze zu Nepal, etwa im Jahr 560 – der genaue Zeitpunkt lässt sich nicht mehr eruieren –, sein irdisches Leben begann. Er ist übrigens die erste Persönlichkeit in Indien, von der man relativ genaue Daten kennt, so dass die Jahre 560-480 v. Chr. als seine Lebenszeit anzunehmen sind.

      Wie Christentum und Islam aus dem Judentum hervorgegangen und ohne die israelitisch-jüdische Tradition nicht zu verstehen sind, so ist auch der Buddhismus nur auf dem Hintergrund und Fundament der damals in Indien verbreiteten religiösen Denkweisen und Praktiken zu verstehen. Zu nennen sind dabei vor allem die Lehre von der Seelenwanderung und von der Auswirkung böser und guter Taten (Karma) auf die Art der Wiederverkörperung; die verschiedenen Wege zur Erlösung aus dem Kreislauf der Existenzen; spezifische Formen von Askese und Meditation wie der Yoga, sowie die Skepsis gegenüber dem aus der Vorgeschichte überkommenen Götterglauben, gegenüber alten Riten und der strengen Kastenordnung.

      Anders als in der mythenreichen hinduistischen Volksreligion steht beim Buddha am Anfang nicht der Mythos, sondern die spirituelle Geschichte eines Menschen, der aus seiner Tradition ausbricht, durch intensive persönliche Glaubenserfahrungen lernt, sich geistig entwickelt und ein Erleuchteter wird, der den Weg aus dem leidvollen Leben in dieser Welt für sich selbst findet – und anderen weist.

      Erst seine Lebensgeschichte und die Wirkung seiner Lehren führten dann wieder – vor allem ab dem 1. Jh. n. Chr. im Mahāyāna (= Großes Fahrzeug) – zur Bildung einer Fülle von Mythen, eines riesigen Pantheons von Gottheiten, Geistern und Dämonen, zu verschiedenartigen Transzendenzvorstellungen sowie zur Ausbildung von drei großen, relativ eigenständigen buddhistischen Religionen (Theravāda, Mahāyāna, Vajrayāna). Diese breiteten sich zuerst in ganz Indien und dann auf einer Süd-Route in Sri Lanka, Hinterindien (Birma, Thailand, Kambodscha, Laos, Malaysia) und Indonesien aus – und auf einer Nord-Route in Zentralasien, China, Nordvietnam, Tibet, Nepal, unter den Mongolen, Mandschus und Kalmücken bis zum Ural, und vor allem in Korea, Japan und Taiwan; später dann auch über Hawaii in Nordamerika und ab dem Ende des 19. Jh. in Europa.

      So stellt sich der Buddhismus heute als die älteste der drei (zahlenmäßig) größten Weltreligionen Christentum, Islam, Buddhismus dar, ist weltweit verbreitet und wird von Hunderten Millionen Menschen auf der ganzen Welt als ein sicherer Glaubensweg und ein Fahrzeug zur Transzendenz der irdischen Wirklichkeit akzeptiert.

      Auf die Frage: »Wer ist ein Buddhist?« kann man mit einem Satz antworten: »Wer seine Zuflucht zu den drei Juwelen nimmt, zum Buddha, zum Dharma (= Lehre Buddhas) und zum Sangha (= Mönchsgemeinschaft). »Der Buddhismus ist die einzige Religion, deren Begründer sich weder als Prophet eines Gottes noch als sein Gesandter bezeichnet und außerdem sogar die Vorstellung eines höchsten göttlichen Wesens zurückweist. Er beansprucht aber, der ›Erweckte‹ (buddha) und deshalb spiritueller Führer und Lehrer zu sein (dharma). Sein Predigen schafft Gemeinschaft (sangha) und hat die Erlösung der Menschen zum Ziel.« (Mircea Eliade)

      »Der Buddhismus ist Weltreligion auch in dem Sinn, dass er sich verschiedenen Gesellschaftsordnungen anzupassen vermochte, und so finden wir ihn heute in einer modernen Industriegesellschaft wie in Japan ebenso wie in den bäuerlichen Gesellschaften Südostasiens … und er ist auch in der westlichen Welt zu einer praktizierten Religion geworden.« (Heinz Bechert)

      Der Buddhismus unterscheidet sich aber von den beiden anderen großen Weltreligionen vor allem dadurch, dass er sich nicht ausdrücklich und primär mit Gott und der Schöpfung beschäftigt – obwohl auch diese Perspektiven nicht fehlen und im Mahāyāna und Vajrayāna zu zentralen Themen werden –, sondern mit dem Menschen und darüber hinaus mit allen leidenden Wesen.

      So geht es ihm vorwiegend um Ethik, um Meditation und Verinnerlichung – und um Einsicht: »Die Welt mit all ihren Himmeln und Höllen ist ein Ort des Leidens und der Vergänglichkeit. Auf diesem Schauplatz des Leidens werden alle Wesen unaufhörlich in einem endlosen Kreislauf wiedergeboren. Die Erlösung besteht darin, aus diesem ›Tretrad‹ herauszukommen.

      Wie ist das zu bewerkstelligen? Was an diesen Daseinskreislauf fesselt, ist die Begierde, sie beruht auf falschen Ansichten über die menschliche Beschaffenheit. Um die Begierde zu vernichten und die Erlösung aus dem Kreislauf zu erreichen, muss der Mensch seinen Geist läutern … Dieser Weg zur Erlösung steht allen Menschen offen … und ihre Realisierung ist weder vom Glauben noch von göttlicher Gnade abhängig, sondern allein vom Verständnis der Dinge, wie sie wirklich sind« (Richard Gombrich)

      Siddhārta Gautama – genannt der Buddha

      Die Mehrzahl der Forscher ist sich darüber einig, dass der zukünftige Buddha im April oder Mai des Jahres 558 v. Chr. in Kapilavastu (heute: Terai in Nepal), der Hauptstadt der kleinen Adelsrepublik des Shākya-Stammes im Norden Indiens, auf den Vorhöhen des Himalaja in der Gegend des heutigen Gorakhpur an der Grenze zu Nepal, geboren wurde. Er entstammte der adeligen Familie der Gautama, und sein Vater Shuddhodana gehörte der Krieger(kshatriya)-Kaste an und führte als Radscha (= Provinzregent) die Regierungsgeschäfte des Landes. Seine Mutter war Prinzessin Māyā, die erste Frau des Radscha. Siddhārta wuchs also als Prinz in besten Verhältnissen auf, heiratete mit 16 Jahren und verließ mit 29 – als er mit seiner Frau Yashodhara seinen erstgeborenen Sohn Rahula gezeugt hatte – für seine Umgebung einigermaßen überraschend, aber wohl doch nicht so heimlich, wie die Legende erzählt, sein bisheriges privilegiertes Leben und wurde ein Wanderasket.

      Die fromme Nachwelt hat bereits die Geburt Siddhārtas, der später oft Shākyamuni (= der Asket aus dem Geschlecht der Shakya) genannt wurde, nach indischem Brauch mit vielen Mythen ausgeschmückt. In allgemein gehaltenen Biographien würde man danach streben, alles Legendenhafte zu distanzieren und nur das historisch Belegbare gelten zu lassen, um die wahre Persönlichkeit herauszuarbeiten. Unter der Perspektive GRUNDWISSEN BUDDHISMUS ist dies anders zu sehen, denn die legendenhaften Details präsentieren vielfach die entscheidenden Elemente jener spirituellen Persönlichkeit, welche die gläubigen Anhänger Buddhas in jenem Siddhārta Gautama sahen, den seine Schüler Bhagavat (= Gesegneter, Herr) oder Buddha (= der Erweckte, Erleuchtete) nannten. Für einen gläubigen Buddhisten hatte sein Leben von Anfang an die spezifischen Dimensionen eines Erweckten und Führers zur Erweckung. So ist gerade der »sagenhaften Biographie Bedeutung zu schenken, denn sie war der Ausgangspunkt für Schöpfungen sowohl der buddhistischen Theologie und Mythologie als auch der religiösen Literatur und der bildenden Künste«. (Mircea Eliade)

      Der Wiederverkörperungslehre folgend, wurden dabei auch frühere Existenzen (Vorexistenzen) des Buddha miteinbezogen, z. B. jene im sogenannten Tushita-Himmel (eine der obersten himmlischen Sphären), als der Bodhisattva (= das zum Erwachen bestimmte Wesen) sich entschloss, als


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