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Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.

Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik - Andreas Suchanek


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mit Lichtmagie helfen. Sollte sie das Gesetz missachten, würde die Heilung rückgängig gemacht werden. Außerdem warteten drakonische Strafen.

      Sieben Jahre lag das nun zurück.

      Am Tag nach diesem Vorfall war Chloe zum Hof von Liam marschiert, er war gerade auf dem Feld. Sie hatte alle Tiere freigelassen und das Haus angezündet. Erst als es bis auf die Grundmauern abgebrannt war, ging sie davon. Es gab keine Zeugen, also geschah ihr nichts.

      Auge um Auge.

      So entstand der Streit, der immer weiter ausuferte.

      Am Ende standen sie sich am Hang eines Berges gegenüber, der in eine tiefe Schlucht mündete. Er wollte sie hineinstoßen. Sie gewann das Handgemenge, hielt ihn an seiner Jacke auf Brusthöhe fest, während er an der Kante stand und mit rudernden Armen über dem Abgrund hing.

      Dann ließ sie – ganz bewusst – los.

      Der zermürbende Kleinkrieg endete, ihre Familie war wieder sicher und Jamie gerächt. Erneut gab es niemanden, der echte Fragen stellte. Natürlich wurden Vermutungen geäußert, manche deuteten hinter vorgehaltener Hand mit dem Finger auf sie. Doch keiner vermochte die Gerüchte zu beweisen. Es brachte ihr weder Genugtuung noch fühlte sie Triumph. Der Zweck hatte die Mittel geheiligt. Manchmal war das einfach notwendig. Sie empfahl es niemandem, denn es veränderte die Seele. Von dem Moment an, als sie Liam losgelassen hatte, sein Körper zerschmettert am Boden lag, war sie nicht mehr dieselbe gewesen.

      »Aber Mum, Dad und die anderen waren wieder sicher«, flüsterte sie.

      Kurz darauf hatte ein Sigil sie erwählt. Bis heute fragte sie sich, warum. Was war der Grund dafür gewesen?

      Nachdenklich betrachtete sie den Essenzstab, tastete mit dem Geist nach dem Sigil in ihrem Inneren. Chris war für sie wie ein Bruder, das Team ihre Familie. Es blieb zu hoffen, dass es ihr gelang, den Verräter zu finden. Was dann geschehen würde?

      »Wir werden sehen.«

      Sie verließ das Turmzimmer.

      4. Der lautlose Schrei

      Minuten wurden zu Stunden. Stunden wurden zu Tagen. Tage zu Wochen. Und Wochen zu einer Ewigkeit. Dunkelheit wurde abgelöst von kurzem Licht. Auf Licht folgte Schmerz. Blut. Es war kostbar. Der Gestaltwandler nahm es sich, nutzte es. Der ledrig-graue Leib des Geschöpfes veränderte sich, wurde zu einem Spiegelbild. Er war hier im Castillo, trieb sein Spiel mit jenen Menschen, die seine Welt waren.

      Die Ketten klirrten. Sie waren immer da, scheuerten seine Handgelenke auf, erschwerten Arme und Beine. Jede Bewegung wurde zur Qual. Muskeln schrumpften, Schwäche überfiel Fleisch und Knochen. Mehr war nicht von ihm geblieben. Was geschah in der Zwischenzeit dort draußen?

      Die Unwissenheit zerriss ihn innerlich. Die Kreatur lachte und scherzte mit seinen Freunden, spielte ihr Spiel. Doch was war das Ziel? Eine dauerhafte Infiltration? Ein Attentat? Der Diebstahl von Artefakten? Alles war möglich.

      Vor ihm stand eine Schale mit Wasser. Brackiges, schmutziges Wasser. Daneben eine zweite Schale mit einer Eiweißpampe. So starb er nicht. Er existierte weiter. Eine Abfolge aus qualvollem Nicht-Leben. Fast freute er sich darauf, wenn das Licht erschien, das Wesen wieder auftauchte. Dann kehrte sein Hass zurück. In seinem Hass fühlte er sich lebendig.

      Immer stärker wurde auch die Wut auf seine Freunde. Weshalb fanden sie ihn nicht, bemerkten nicht, dass er ausgetauscht worden war?

      Die Kreatur führte Gespräche. Ein Spiegel stand in dem Kerkerraum. Er durfte nicht darüber nachdenken, wo der Zugang sich befand. Nur eine Wand entfernt, nur wenige Zentimeter weiter lag die Rettung. Unerreichbar. Er würde das Tageslicht nie wieder sehen, seine Freunde nie mehr lachen hören, nie wieder Magie wirken.

      Die Fesseln banden seine Essenz im Inneren des Körpers. Sie konnte nicht entweichen, keinen Zauber weben. Damit war er nicht stärker als ein Nimag, den Launen der Kreatur ausgeliefert. Sie berichtete ihm davon, wie sie mit seinen Freunden zusammengesessen hatte, dort draußen Abenteuer erlebte und viele andere Dinge. Das zermürbte. Stück für Stück zerbröckelte seine Seele. Gefangen in der Dunkelheit kamen die Bilder. Bilder von Dingen, die er nie wieder würde erleben können. Es gab so vieles, was er noch hatte tun wollen.

      »Dies ist mein letzter Besuch«, flüsterte die Kreatur irgendwann. Ihre ledrige Zunge glitt über seine Wangen, schmeckte das Salz von Tränen, das eingetrocknete Blut. »Dein Antlitz wird dabei helfen, das Castillo zu Fall zu bringen. Hunger und Durst werden dich töten, doch vorher wirst du die Schreie deiner Freunde vernehmen.« Er streifte ihm ein Lederband über, an dem ein farbloser Kontaktstein befestigt war. »Du kannst ihn nicht benutzen. Jeder von dir ausgehende Kontakt wird von diesen Wänden aufgehalten. Aber hören wirst du sie, die Schreie. Dafür habe ich gesorgt.«

      Die Kreatur erhob sich.

      Mit einem schwungvollen Tritt zerstörte sie den Spiegel. Scherben regneten herab. Sie griff nach einem besonders spitzen Fragment und schnitt damit in sein Fleisch. Blut quoll hervor. »Mein Abschiedsgeschenk.«

      Das Wechselbalg trat an jene Stelle der Wand, die den Übergang darstellte, und verschwand.

      Er blieb alleine zurück. Mochten seine Freunde das Wechselspiel auch nicht durchschaut haben, so war es doch seine Pflicht, etwas zu tun. Er durfte hier nicht einfach ausharren. Sterben, ohne gelebt zu haben. Wie die Ewigkeit zuvor riss er an seinen Ketten. Kraftlos brach er zusammen. Da war nichts mehr. Nur noch sein Wille.

      Angetrieben von purem Hass, kam er in die Höhe. In Kauerstellung verharrte er. Es gab nur einen Weg, sein Gefängnis zu verlassen und das Castillo zu retten. Er musste die Fesseln loswerden. Er schluckte, holte aus. Seine Ferse sauste auf die Hand. Der Schmerz war unbeschreiblich, beinahe hätte er das Bewusstsein verloren. Wieder und wieder stampfte er auf, bis die Knochen brachen.

      Seine Hand war nicht mehr als ein Klumpen blutigen Fleisches. Er zog sie aus der Schelle. Der Schmerz vernebelte sein Denken, trieb ihn auf den Rand der Bewusstlosigkeit zu. Einzig seinem Hass auf die Kreatur war es zu verdanken, dass er die Prozedur wiederholen konnte. Die linke Hand folgte. Eine grelle Flamme durchzuckte seinen Geist, löschte sein Bewusstsein aus.

      Zeit verging.

      Er trieb im Nebel zwischen den Welten. Mehr tot als lebendig, gefangen im Nichts. Leise, fast unhörbar, drang etwas an sein Ohr, seine Gedanken. Der Kontaktstein. Die Kreatur wollte zuschlagen, angreifen. Etwas hielt sie zurück, stoppte den Angriff. Das Ziel war nicht alleine. Viel Zeit blieb nicht.

      Er bäumte sich auf, riss seine zerschundene linke Hand aus der Schelle. Blut spritzte, als Wunden aufrissen. Wimmernd kauerte er in der Ecke, die Arme unter die Achseln geklemmt, wollte nicht sehen, nicht fühlen, den Schmerz nicht spüren.

      Doch die Realität war erbarmungslos.

      Der Wechselbalg näherte sich einem Feind, wollte ihn töten. Die Kreatur hatte nicht bedacht, dass ein Teil von ihr an dem Kontaktstein haften geblieben war. Es war der faulige Odem eines uralten Wesens, der an seinen Geist heranwallte. Die Verbindung lag vor ihm. All seine Freunde, miteinander verbunden über die Steine. Er konnte sie fühlen, aber keinen Kontakt aufnehmen. Wieder war er nah und fern zugleich.

      Ächzend richtete er sich auf.

      Sein Körper war nur noch eine geschundene Ansammlung aus Fleisch und Knochen, nicht länger eins mit seinem Geist. Alles wirkte fern und unwirklich. Zitternd schwebte sein Finger in die Höhe, malte ein Symbol. Es leuchtete. Die Essenz war noch da, Magie funktionierte. Freudentränen lösten sich aus seinen Augenwinkeln, er konnte sie nicht zurückhalten. In diesem Augenblick hasste er seinen Körper für die Schwäche des Schmerzes und der Emotion. Durch die Tat der Kreatur hatte er jede Kontrolle verloren.

      Der emotionale Ausbruch ließ den Zauber zerfasern, das Machtsymbol verschwand.

      »Verdammt!«

      Er erschrak. Seine Stimme klang anders. Dieses Krächzen voller Hass und Wut, untermalt von Schwäche und Schmerz,


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