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Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.

Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik - Andreas Suchanek


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einen Lichtkämpfer im Castillo gefangen gehalten, ohne, dass es jemandem auffällt?«

      »Das ist noch nicht alles«, erklärte Johanna. »Die Ordnungsmagier haben schließlich Befragungen durchgeführt. Ein Wahrheitszauber wirkt auch bei einem Wechselbalg. Wir hätten ihn enttarnen müssen. Es gab jedoch vor langer Zeit jene, die über eine ganz besondere Fähigkeit verfügten. Sie konnten die Gedanken eines Magiers vollständig kopieren.« Die Unsterbliche wollte noch etwas sagen, kam aber nicht mehr dazu.

      »Wir haben ein Problem«, unterbrach Clara. Die Freundin stand erhobenen Hauptes neben dem Tisch. »Ich habe alles abgesucht, doch er ist nicht hier.«

      »Wovon sprichst du?«, fragte Johanna.

      »Leonardos Kontaktstein«, erklärte sie. »Als Theresa ihn herausgebracht hat, habe ich seinen Hals gesehen. Da hing kein kobaltblauer Stein.«

      »Bist du sicher?«, wollte Chloe wissen.

      »Absolut.«

      Johannas Körper war plötzlich angespannt wie eine Bogensehne. »Clara, hast du auf sein Handgelenk geachtet?«

      »Ähm, nein, wieso?«

      »Du meinst die Manschette?«, fragte Chloe. »Die hatte er nicht an, warum?«

      Johanna erbleichte. »Darum ging es also. Mit dem Kontaktstein kann man das Permit in der Manschette benutzen.«

      Natürlich wusste Chloe, dass ein magisches Permit Zugang zu versiegelten Bereichen gewährte. »Wohin will der Wechselbalg?«

      »Das Archiv.« Die Unsterbliche fuhr sich fahrig durchs Haar. »Die Kreatur will in das Archiv. Das muss es sein.« Sie rannte davon.

      Chloe machte sich nicht die Mühe, ihr zu folgen. Niemals würden sie in die heiligen Hallen der Archivarin vordringen können.

      »Wen, meinst du, hat das Ding kopiert?«, fragte Clara.

      »Keine Ahnung.« Hoffentlich niemanden von uns.

      Chloe warf einen letzten Blick auf die schmierige Blutlache am Boden. Mit der Freundin zusammen verließ sie das Büro.

      13. Die geheime Fähigkeit

      »Beinahe hätte ich dem arroganten Sack eine gefeuert.« Chris machte vor der Couch im Turmzimmer seine Liegestütze. Vermutlich, um seine Wut zu kanalisieren. »Echt jetzt, Eliot Sarin ist ein blödes A…«

      »Wir haben es verstanden«, stoppte Max den Redefluss. »Immerhin bist du vollständig rehabilitiert. Es dürfte ziemlich schwer sein, sich selbst mit gefesselten Händen von hinten auszuknocken.« Er ließ ein Kaugummi platzen, dieses Mal zuckte sogar Chloe zusammen.

      »Kannst du das heute ausnahmsweise lassen?«

      »Sorry«, gab er geknickt zurück. »Unsere Nerven sind wohl nicht die besten. Hat Johanna mit der Archivarin gesprochen?«

      »Vermutlich«, warf Clara dumpf ein. Sie befand sich im hinteren Bereich des Raumes, zwischen den Bücherregalen. »Ah, da ist es ja.« Sie kam mit einem ledergebundenen Büchlein hervor. »Schaut euch das an.« Sie legte es auf dem Tisch ab.

      Sofort standen Chris, Kevin, Max und Chloe neben ihr.

      »Vor einigen Wochen habe ich Tomoe dabei geholfen, für ihre Vorlesung in ›Abwehr dunkler Kreaturen jeder Art‹ ein wenig zu recherchieren. Während dieser Arbeit bin ich auf das hier gestoßen.« Sie schlug eine bestimmte Seite auf.

      Sie war überschrieben mit Der Wechselbalg – Zwischen Mythos und Wahrheit. Jemand hatte eine Tuschezeichnung angefertigt, die oben auf der Seite prangte. Sie zeigte ein Wesen mit ledriger Runzelhaut, langen spitzen Ohren und scharfen Zähnen.

      »Sympathisches Kerlchen«, kommentierte Chris.

      Clara hatte bereits einige Zeilen überflogen. »Hier steht, dass nur die ältesten Wechselbälger dauerhaft eine feste Form annehmen konnten. Ob es überhaupt noch welche gibt, ist fraglich. Nun ja, wir wissen jetzt, dass es so ist. Früher kämpften diese Kreaturen auf der Seite der Schattenkrieger, wurden von Lichtkämpfern verfolgt und getötet.«

      »Getötet«, echote Max.

      »Na ja, damals war auch unsere Fraktion oft ein wenig … martialisch«, gestand Clara. »Jedenfalls wurden fast alle Wechselbälger ausgerottet. Die verbliebenen, die es heute noch gibt, können die Form ändern, aber nur sehr lückenhaft. Daher verbergen sie sich oft als Bettler in kalten Ländern, dick vermummt, damit niemand die Fehler im Äußeren erkennt. Jene von damals jedoch konnten Menschen bis ins kleinste Detail nachbilden. Die allerersten vermochten angeblich sogar die Erinnerungen und so auch den Charakter nachzustellen. Dafür entnahmen sie dem Original in regelmäßigen Abständen etwas Blut. Der Wechselbalg besitzt ein eigenes Sigil, das jedoch nur minimal Essenz produziert. Zauber kann er nicht wirken, es sei denn, er kopiert einen Magier. Dann nimmt die Essenz dessen Farbe an, ebenso die Spur.«

      »Das mit dem Blut ist echt eklig«, warf Max ein.

      »Seh ich auch so«, kam es von Kevin. »Aber was soll das heißen, die Gedanken nachstellen?«

      »Hm. Scheinbar vergaß der Wechselbalg durch das Kopieren des Menschen, was er ist und hielt sich selbst für das Original. Er handelte und sprach wie diese Person.« Clara blickte schockiert von den Seiten auf. »Er besaß die Erinnerungen des echten Lichtkämpfers oder Nimags.«

      »Wow«, entfuhr es Kevin. »Das ist total perfide. Ich könnte also die Kopie sein, wüsste es aber selbst nicht mal? Erinnerungen, Farbe der Essenz und der Spur, alles wäre identisch mit dem echten Kevin?« Mit einiger Verzögerung realisierte er, was das bedeutete. »Damit ist jeder Wahrheitszauber ausgehebelt.«

      »Stimmt.« Max trat vor das Fenster und spähte hinaus in die Nacht. »Denn solange das verdammte Ding glaubt, dass es das Original ist, lügt es ja nicht.«

      »Dann sind Eliot und sein Trupp keinen Schritt weiter«, konstatierte Kevin.

      »Wenigstens sind Alex und Jen in Sicherheit«, murmelte Clara.

      »Jeder außerhalb des Castillos ist das«, sagte Max. »Aber das bringt uns nicht weiter.«

      Clara hatte sich mit gerunzelter Stirn über das Büchlein gebeugt. Gedankenverloren strich sie eine Strähne ihres dunklen Haares zur Seite. »Da steht, dass die Wechselbälger noch eine weitere Fähigkeit besaßen, die sie hochgefährlich für die Lichtkämpfer machte.«

      Stille.

      »Ja?«, hakte Chloe nach. »Was ist es?«

      »Steht hier nicht«, erwiderte Clara. Sie studierte den Einband. »Aber das hier ist nur ein Auszug. Das Hauptwerk des Autors befindet sich in der Bibliothek. Ich schaue mir das an.«

      »Halt, halt, halt«, stoppte Kevin sie. »Niemand geht mehr alleine irgendwohin. Chris, du begleitest sie.«

      »Liebend gerne.«

      Chloe durchdachte die Situation. »Ich werde noch mal nach der verdammten Klinge suchen. Wo auch immer sie ist, ich finde das Ding.«

      »Max, gehst du mit ihr?«, fragte Kevin.

      »Aye, Sir«, bestätigte er erfreut und ließ prompt eine weitere Kaugummiblase platzen. »Sorry.«

      Chloe grinste. »Gut, dass du nicht mit in die Bibliothek gehst. Ihr würdet sofort rausfliegen. Was machen wir mit der Klinge, sobald wir sie haben? Ich wäre ja für zerstören, aber keine Ahnung, wie das geht.«

      Kevin nickte. »Das wäre doch eine Idee für Einstein. Ich suche ihn und wir knobeln etwas aus.«

      »Korrigiere mich, aber bist du dann nicht alleine?«, fragte Chloe.

      »Die paar Meter bis zum Trakt der Unsterblichen werde ich schon schaffen.« Kevin zog seinen Essenzstab. »Außerdem ist ja immer jemand um mich herum. Dort darf Albert dann Babysitter spielen.«


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