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Starmord am Wörthersee. Roland ZingerleЧитать онлайн книгу.

Starmord am Wörthersee - Roland  Zingerle


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nicht erst aufzusehen, um zu wissen, wer seine Kreise störte. Es war Wilfried Egger, ein Lokaljournalist der Tageszeitung Kärntner Beobachter. Er und Heinz hatten in der Vergangenheit immer wieder zusammengearbeitet, wenn es darum ging, Informationen auszutauschen. Der Vorteil ihrer Zusammenarbeit bestand darin, dass Egger als Journalist an Informationen herankam, die Heinz verschlossen waren. Im Gegenzug bekam Wilfried Egger die jeweilige Story, immerhin ging es bei dieser Zusammenarbeit immer um einen von Heinz’ Aufträgen, die mitunter auch für die Medien berichtenswert waren.

      Egger kratzte seinen, von einem schlabbrigen, schwarzen T-Shirt bedeckten Kugelbauch so heftig, dass auch sein Hintern wabbelte. Er hob eine der Illustrierten auf, blätterte darin und hielt Heinz eine Doppelseite mit Diättipps hin. „Gehört das zu deinem neuen Fall?“, fragte er amüsiert.

      Nachdem Heinz von seinem Urlaub in Südamerika zurückgekommen war, war ihm Wilfried Egger zufällig über den Weg gelaufen und hatte nicht mehr aufgehört zu plappern. Bei dem Versuch, von ihm loszukommen, hatte Heinz den Fehler begangen, sein Training im Fitnesscenter als Vorwand zu benutzen, dass er es eilig habe. Zwei Tage später hatte er Egger hier angetroffen, wobei dieser sich „für den Tipp mit dem Fitnesscenter“ bedankt hatte.

      Seither begegnete er ihm hier mit ermüdender Regelmäßigkeit, was aber nicht bedeutete, dass Egger zum Trainieren kam. Heinz hatte ihn bislang noch kein anderes Gerät als den Barhocker an der Safttheke benutzen gesehen, und durch die Art der Fragen, die der Journalist ihm stellte, begriff er rasch, was da wirklich ablief: Wilfried Egger hatte seiner Zeitung schon lange keine gute Story mehr geliefert und wollte wohl nicht immer nur Schönwettergeschichten oder Unfallberichte tippen. Er hielt sich also in Heinz’ Nähe auf, weil er auf einen Knüller hoffte.

      „Kann es sein, dass ich dich gestern mit einem schwarzen, tiefergelegten VW von hier wegfahren gesehen habe?“, fragte Egger nun.

      „Ja.“

      „Was ist das für ein Typ? Der ist so getunt, da erkennt man nicht einmal mehr die Baureihe.“

      „Es ist ein Corrado.“

      „Ein Corrado?“ Egger wirkte nachdenklich, was seinem Mausgesicht mit der Mecki-Frisur ein fast groteskes Aussehen gab. „Das sagt mir jetzt gar nichts.“

      „War vor deiner Zeit.“

      „Und warum das deutsche Kennzeichen?“

      „Er gehört Sven. Sven wohnt in Kiel.“

      Eggers Gesicht wurde gierig. „Eine Leihgabe, oder ...?“

      Heinz seufzte. „Keine Story für dich, tut mir leid. Sven ist mit dem Wagen vor zwei Jahren beim GTI-Treffen in Maria Wörth gestrandet. Freundin weg – Geld weg.“

      „Autsch!“

      „Ich habe ihm Geld geliehen. Dafür habe ich seinen Wagen als Pfand behalten.“

      „Als Pfand? Und wann löst er ihn aus?“

      „Wahrscheinlich hat er noch nicht genug verdient. Es war eine ziemliche Summe, und Sven ist Dockarbeiter.“

      Egger nickte verstehend, legte die Illustrierte zurück auf den Boden, fischte sich die nächste und blätterte darin herum. Dabei fragte er wie beiläufig: „Arbeitest du gerade an einem interessanten Fall?“

      „Das wird sich noch zeigen.“

      Egger fing sofort Feuer. „Worum geht es?“

      „Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen, tut mir leid.“

      „Verstehe, aber sobald du es kannst, denkst du an mich, okay?“

      „Tu ich doch immer.“

      „Und wenn ich dir irgendwie helfen kann ...“ – er hielt Daumen und kleinen Finger wie einen Telefonhörer an seinen Kopf – „Anruf genügt.“

      Donnerstag, 12.30 Uhr

      Verena Bacher stellte fest, dass sie sich das alles hier weitaus größer vorgestellt hatte. Sie hatte erst einmal in ihrem Leben die Starnacht besucht, aber das war viele Jahre her, als die Veranstaltung noch in der Werzer-Arena in Pörtschach abgehalten worden war. Wenn sie seither Teile der Live-Übertragung im Fernsehen mitverfolgt hatte, hatte sie stets den Eindruck von riesigen Ausdehnungen gehabt. Aber vermutlich wirkte es im Fernsehen einfach anders.

      Erfüllt von froher Erwartung umschritt sie jenen abgeschlossenen Bereich am Friedelstrand, auf dem gerade die Bühne, die Tribüne, der Backstage-Bereich, die Gastro-Zonen sowie eine Reihe von Zelten und Hütten für die anstehende Veranstaltung aufgebaut wurden. Interessiert betrachtete sie den Fortschritt des Aufbaus und wunderte sich, dass hier nicht mehr Trubel herrschte. Irgendwie wirkte die gesamte Anlage halbfertig auf sie, doch dann machte sie sich bewusst, dass die Generalprobe ja erst am Abend des nächsten Tages stattfand. Die Hütten, Zelte und Schauwagen an der Westseite des Areals trugen die Aufschriften von Bars, von Snack- und Süßigkeitenanbietern. Vor ihnen verlief ein mit einer Baumreihe bestandener Weg und parallel dazu die Uferpromenade der Ostbucht des Wörthersees.

      Verena schritt das Gelände ab, und als ihr eine warme Brise in die Haare fuhr, blieb sie stehen, schloss die Augen und atmete tief ein. Sie liebte es, den See zu riechen, sie liebte den Sommer! Zur Mittagszeit war die Tageshitze schon gut spürbar, aber noch nicht so drückend, wie in den Nachmittagsstunden. Die Luft schien leicht zu sein, und das passte gut zu Verenas momentaner Stimmung. Sie ging weiter, bis ihr ein mit einem Zaun gesicherter Zugang einen Blick in den Veranstaltungsbereich gewährte. Links befand sich der sechs oder acht Meter hohe Tribünenaufbau mit den Sitzreihen, rechts die imposante Bühne, und dazwischen erstreckte sich die Wiese für die Stehplätze. Ihr gegenüber wurde die Wiese von einer weiteren Tribüne abgegrenzt, über der ein Schild mit der Aufschrift Sponsoren angebracht war.

      Als sie näher an den Zaun herantrat, kam ein untersetzter, junger Mann mit dunklem Teint auf sie zu, der eine gelbe Warnweste mit der Aufschrift Security trug. Er machte sie in gebrochenem Deutsch höflich darauf aufmerksam, dass der Zutritt zum Bühnenbereich nicht gestattet sei. Verena erwiderte, sie treffe sich hier mit der Chefgarderobiere der Show, doch als der Security-Mann nach einem Ausweis fragte, musste sie gestehen, keinen zu besitzen. Verena musste also warten, bis ihre Chefin für die nächsten vier Tage sie hier abholte.

      Sie sah sich um, und als ihr Blick auf einen Mann traf, in dem sie einen Bekannten zu erkennen glaubte, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Nein, das konnte unmöglich Heinz Sablatnig sein, dazu war er zu ungepflegt. Außerdem schleppte sich Heinz nicht so gebückt dahin; aber die Ähnlichkeit war schon frappierend. Aber als der Mann sich ihr zuwandte und sie sein Gesicht sehen konnte, hatte sie Sicherheit.

      „Heinz“, rief sie und lief auf ihn zu, „Heinz!“

      Der Gerufene hielt inne, sah sich suchend um, und als er Verena erkannte, blieb er regungslos stehen. Das irritierte sie, warum machte er keine Anstalten, ihr entgegenzugehen, sich von ihr abzuwenden, sich peinlich berührt umzusehen oder was auch immer? Er reagierte einfach nicht, war wie eine Aufziehpuppe mit abgelaufener Feder. Folgerichtig fühlte es sich albern an, als sie ihn nun umarmte, weshalb sie sich auch gleich wieder von ihm löste.

      Sie sah ihn an und erschrak. Heinz wirkte wie um Jahre gealtert, sein Gesicht war fahl und eingefallen und grobe Bartstoppel drangen aus einer faltig gewordenen Haut. Am meisten entsetzt war sie jedoch vom leblosen Ausdruck seiner Augen, die mit tiefen Ringen unterfurcht waren. Er sah sie an, als würde er sie überhaupt nicht wahrnehmen.

      „Um Gottes willen, Heinz, was ist mit dir passiert?“, wisperte sie.

      „Servus, Verena.“

      Sie wich von ihm weg und fragte ungläubig: „Servus, Verena? Ist das alles?“

      „Es ist schon eine Weile her.“

      „Allerdings. Fast ein Jahr.“

      „Nicht ganz.“

      „Ich weiß, du hast mich einmal kurz im Geschäft besucht, nachdem du von deinem Urlaub zurückgekommen bist. Wo warst du, in Kuba?“

      „Kolumbien.“


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