Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 3 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
»Es ist für mich eine große Beruhigung, daß er nicht in Depressionen versinkt.«
»Ich werde ihn schon aufmuntern. Ich habe noch nicht bemerkt, daß er einmal deprimiert gewesen wäre.«
»Vielleicht sind Sie die beste Medizin für ihn, und dafür werde ich Ihnen immer dankbar sein, Pamela.«
Jetzt war Pamela auch so verlegen, daß sie nichts mehr sagen konnte. Mary hielt ihre Hand ein paar Sekunden fest.
»Sie würden es nie bereuen, wenn Sie Marius Ihre Zuneigung schenken, Pamela«, sagte Mary bebend, dann ging sie aber schnell.
Pamela war restlos verwirrt und mußte sich erst fangen, bevor sie wieder zu Marius ging.
»Jetzt hatten Sie mich aber mächtig in Verlegenheit gebracht. Ich bin doch kein Engel«, sagte sie stockend.
»Für mich schon, und wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann nur, daß Sie immer bei mir bleiben, Pamela. Ich weiß nicht, wieviel Zeit mir noch beschieden ist, deshalb möchte ich festhalten, was mir viel bedeutet, wenn es in meiner Situation auch vermessen sein mag.«
»Sie sollen nie negativ denken. Sie sollen sich ein langes Leben wünschen und auch daran glauben.«
»Wie gern würde ich das, wenn Sie es mit mir teilten, Pamela, aber ich darf mich keinen Illusionen hingeben.«
»Sie sollen nicht resignieren«, flüsterte Pamela, gegen aufsteigende Tränen ankämpfend.
»Ich resigniere nicht, solange Sie bei mir sind. Werden Sie bei mir bleiben, wenn ich Sie sehr darum bitte?«
»Solange Sie mich brauchen«, erwiderte sie. Und sie wollte daran glauben, daß er gesund wurde.
Er nahm ihre Hand und drückte sie an die Lippen. Sie war momentan wie betäubt. Ihr Herz schlug wie ein Hammer, und das Blut strömte heiß durch ihre Adern.
»Erzähl mir von dir, deinem Leben, ich möchte alles wissen«, bat er.
Ihre Gedanken wanderten zurück in ihre Kindheit. An viel konnte sie sich nicht mehr erinnern, solange sie noch allein mit ihrer Mutter lebte.
»Da ich es aber gar nicht anders kannte, vermißte ich keinen Vater. Ich glaube, ich habe auch nie danach gefragt. Das kam erst viel später, als ich mit anderen Mädchen öfter zusammen kam. Ich ging in eine Klosterschule, und da waren mehrere Mädchen, die auch keinen Vater hatten. Manche kannten ihn aber und fragten mich, ob ich meinen Vater nicht auch kennen möchte. Eine sagte aber auch, daß sie froh wäre, daß er nicht bei ihnen geblieben sei, weil er dauernd betrunken gewesen wäre.«
»Hast du dir ein Bild über den Vater gemacht, den du gern haben wolltest?«
Pamela schüttelte den Kopf. »Ich habe Mama gefragt, aber sie wollte nicht über ihn sprechen. Weil sie sich aufregte, wenn ich fragte, hörte ich damit auf. Dann nahm sie die Stellung bei Madame d’Antoine an, und in den Ferien durfte ich immer in dieses wunderschöne Haus kommen, das mir wie ein Märchenschloß erschien. Madame war auch sehr lieb zu mir, und sie sorgte dann dafür, daß ich sehr viel lernen konnte. Ich kam auf ein College, das ganz in der Nähe war, und ich durfte in meiner Freizeit Madame oft Gesellschaft leisten. Durch sie erfuhr ich viele interessante Dinge aus der großen Welt. Sie hatte viel erlebt.«
»Warst du nie mit jungen Leuten zusammen?«
»Nur in der Schule, aber sie betrachteten mich als Außenseiterin, weil ich keinen Freund hatte und auch nicht dauernd herumbummeln wollte.«
»Wahrscheinlich warst du auch bedeutend hübscher als sie«, meinte Marius.
»Ach was, ich habe mich doch nicht geschminkt.«
»Das brauchst du auch nicht. Du bist wie eine Rosenknospe, die sich erst langsam öffnet.«
Er staunte über sich selbst, daß er das sagte. Er war kein Romanitiker und hätte nicht geglaubt, solche Gedanken zu haben.
»Wie Sie so etwas nur denken können«, sagte sie verhalten.
»Ich brauche dich nur anzuschauen. Aber willst du nicht auch du sagen zu mir?«
Aber das dürfte niemand merken, denn das wäre ihr doch peinlich.
»Gut, jetzt noch nicht, aber eines Tages werde ich sagen, daß ich dich zu uns mitnehmen werde.«
Sie wollte dann weitererzählen, aber er schlief ein. Sie betrachtete ihn noch einige Zeit mit einer noch nie gekannten Zärtlichkeit. Sanft strich sie mit dem Zeigefinger über seine Wangen.
Jenny Behnisch schaute gegen fünf Uhr ins Zimmer. »Wollen Sie nicht mal an die frische Luft gehen, Pamela?« fragte sie. »Sie müssen nicht die ganze Zeit hier im Zimmer bleiben, wenn der Patient schläft.«
Pamela sah sie forschend an, daß es Jenny ganz seltsam zumute wurde.
»Was weiß Herr Campen eigentlich?« fragte Pamela. »Er machte Andeutungen, daß er vielleicht nur noch kurze Zeit zu leben hätte.«
»Wir haben ihm nichts gesagt, aber Kranke sind sehr sensibel und fühlen oft mehr, als man vermutet.«
»Ich will aber nicht, daß er so redet und so denkt. Er muß zuversichtlich sein.«
»Sie meinen, wir sollen ihn täuschen?« fragte Jenny vorsichtig.
»Es geschehen immer wieder Wunder.«
Aber nicht in diesem Fall, dachte Jenny, doch sie brachte es nicht fertig, es auszusprechen, als sie in die ernsten Augen blickte.
»Helfen Sie ihm zu hoffen«, sagte sie weich.
Als Jenny gegangen war, setzte sich Pamela wieder ans Bett. Sie legte die Hand auf seine Rechte.
»Du mußt leben, Marius«, flüsterte sie. »Gott kann nicht so ungerecht sein. Warum hat er uns zusammengeführt, wenn er uns bald wieder trennen wollte?«
Sie neigte sich zu ihm und küßte leicht seine Hände.
*
Nicolas Campen war zu Hause. Ausgerechnet Claire lief ihm zuerst in den Weg, als er aus dem Taxi stieg. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an, denn er war Marius so ähnlich geworden, daß sie meinte, ihn vor sich zu sehen, gesund und faszinierend.
Nicolas hatte sie nie gemocht und es mißfiel ihm, wie sie ihn anstarrte.
Sie hatte damals, gerade erst mit Clemens verheiratet, mit ihm anbandeln wollen, als sie einmal allein gewesen waren. Das hatte er nicht vergessen, und seine Miene wurde abweisend.
»Lieber Himmel, bist du Marius ähnlich«, sagte sie überstürzt. »Ein toller Mann bist du geworden! Trinken wir ein Glas Champagner auf das Wiedersehen, da sonst niemand anwesend ist.«
»Nein, danke, danach ist mir wirklich nicht zumute. Ich gehe zu Mama.«
»Sie ist auch noch nicht zurück, soviel ich weiß. Sie wird bei Marius in der Klinik sein.«
Er wollte kein Gespräch mit ihr anfangen, sie nicht nach Marius’ Befinden fragen.
»Willst du nicht wissen, wie es ihm geht?« fragte sie. »Die Ärzte hüllen sich in Schweigen.«
Sein Blick gefiel ihr gar nicht. »Die Ärzte werden schon wissen, mit wem sie reden wollen«, sagte er. Dann ließ er sie stehen.
Haß glomm in ihren Augen auf. Sie spürte überdeutlich, daß sie nicht als dazugehörig betrachtet wurde. Ihre eigenen Fehler wollte sie nicht einsehen. Es machte sie wütend, so abgefertigt zu werden, und sie überlegte, womit sie sich an dieser verdammten Gesellschaft rächen konnte.
Inzwischen wurde Nicolas mit offenen Armen von Martha empfangen.
»Endlich wieder zu Hause!« sagte sie froh. »Die Mutter ist noch nicht aus der Klinik zurück, aber sie wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Clemens hat sie hingebracht.«
»Und was hört man von Marius?«
»Nicht