Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
das? Ich muß doch Ihren Sohn unglücklich machen. Aber bitte glauben Sie mir, es ist nicht seine Schuld.«
»Willst du mir nicht erzählen, warum?«
Statt einer Antwort schüttelte ein weiterer Weinkrampf den Körper der jungen Frau.
»Ich muß fort!«
»Clara, in dem Zustand kannst du kein Auto fahren. Sollen wir jemand verständigen, der dich abholt? Deine Eltern!«
»Nein! Nein! Keinesfalls meine Eltern! Die wissen nicht, daß ich hier bin«, wehrte sich Clara mit entsetzt aufgerissenen Augen.
Ruth Fuchsbichler sah ein, daß sie so nicht weiterkam.
»Soll ich sonst jemand anrufen?«
Clara nickte eifrig mit dem Kopf. Mit letzter Kraft kramte sie aus ihrer umgeschnallten Bauchtasche einen Zettel und einen Kugelschreiber. Die Fuchsbichlerbäuerin nahm es ihr aus der Hand.
»Laß mich schreiben. Du zitterst ja so, daß du den Kugelschreiber nicht halten kannst.«
»Bianca soll kommen!« Clara diktierte die Telefonnummer. »Sagen Sie nur, daß es ein Notfall ist. Bianca weiß als einzige, daß ich nach Waldkogel wollte.«
Clara legte ihre tränenfeuchte Hand auf die Hand der Fuchsbichlerbäuerin.
»Bitte! Sprechen Sie nur mit Bianca persönlich. Sie soll sofort kommen. Bianca hat kein Auto. Sie soll ein Taxi nehmen. Ich bezahle es!«
Während ihr weitere Tränen die Wangen herunterliefen, suchte Clara ihre Kreditkarte und hielt sie der Bäuerin hin.
»Ich werde mich darum kümmern.«
»Danke!« schluchzte Clara. »Sie sind so lieb zu mir. Eigentlich müßten Sie doch böse sein, weil ich Ihren Sohn nicht heiraten will.«
Ruth Fuchsbichler schaute Clara in die Augen. Dort sah sie die Liebe, die diese mit Bruno verband, überschattet von unendlichem Schmerz und größter Verzweiflung.
»Du liebst Bruno! Gib es zu!«
Statt einer Antwort quoll ein neuer Tränenstrom aus den Augen hervor. Brunos Mutter schloß Clara einfach in die Arme und hielt sie fest, wie ein kleines Kind. Sie ließ sie ausweinen. Erschöpft schlief Clara ein.
Ruth Fuchsbichler deckte sie zu. Sie stellte die Fensterläden schräg, damit gedämpftes Licht im Raum herrschte und ging auf Zehenspitzen hinaus.
In der großen Wohnküche saßen Sohn, Vater und Großvater vor einer Flasche Enzian. Sie sprangen alle drei von den Stühlen auf, als Ruth ins Zimmer kam.
»Was ist?« fragte Bruno.
Seine Mutter streichelte ihrem Sohn die Wange.
»Die Clara ist ein ganz liebes Madl. Eine bessere Bäuerin hättest du net aussuchen können. I hab’ das Madl schon richtig in mein Herz geschlossen. Allerdings scheint es einen stillen Kummer zu haben. Was des is, des weiß i noch net. Des werde i aber schon noch erfahren. Jetzt tut des Madl schlafen.«
Die Fuchsbichlerbäuerin schenkte sich einen Kaffee ein. Während sie trank, erzählte Bruno seiner Mutter alles. Wie er Clara getroffen und sich in sie verliebt hatte. Wie er sie die Tage auf allen Almen gesucht und endlich auf der Oberländer Alm gefunden hatte. Er erzählte, wie sie sich ihre Liebe gestanden hatten. Er hatte es sich so schön ausgedacht. Stolz wollte er sie ihnen vorstellen.
»Tatsache ist, daß das Madl dich liebt und du sie liebst. Ich werde mich um alles andere kümmern. Du, Bruno, gehst ihr net unter die Augen. I will dich net bei ihr im Zimmer sehen. Am besten machst eine Wanderung. Gehe ein paar Tage, noch besser eine Woche, rauf zum Toni und der Anna auf die Berghütte. Da kann ich sicher sein, daß du keine Dummheiten machst. Ich kümmere mich um alles.«
Bruno wollte etwas entgegnen, aber seine Mutter warf ihm einen Blick zu, der besagte, daß sie keinen Widerspruch gelten lassen wollte.
Bruno kippte noch einen Schnaps.
»Ich packe dir später ein paar Sachen zusammen und lasse sie dir raufbringen, Bruno.«
Brunos Autoschlüssel lagen auf dem Tisch. Seine Mutter nahm sie und hielt sie ihm hin.
Wortlos umschloß er sie mit der Hand. Er nickte seinem Vater und seinem Großvater zu und ging hinaus zu seinem Jeep. Der Motor heulte auf. Bruno fuhr vom Hof.
»In Liebesangelegenheit is des mei Aufgab! Der Bruno muß irgendwas getan haben, was des Madl ganz verwirrt hat. Deshalb find i es gut, wenn ihr Gamsbartträger euch ein paar Tage vom Hof macht.«
»Da müssen wir uns wohl fügen, Vater? Was meinst?« wandte sich Emil Fuchsbichler an seinen alten Vater.
»I will nur haben, daß der Bruno glücklich wird. Des is mir wichtig und sonst nix! Komm, Emil! Die Ruth hat schon recht, du solltest wirklich mal nach der Almwirtschaft schaun. Dann gehst eben jetzt und i geh mit.«
Ruth Fuchsbichler wartete, bis ihr Mann und ihr Schwiegervater mit dem Landrover vom Hof gefahren waren. Dann ging sie in ihr Schlafzimmer und rief von dort aus die Telefonnummer an, die Clara ihr gegeben hatte.
»Bianca!« meldete sich eine verschlafene Stimme.
»Grüß Gott! Bist du die Freundin von Clara?«
An der Stimme erkannte Ruth, daß die junge Frau am anderen Handy sofort hellwach war.
»Ist etwas mit Clara? Wer bist du?«
»Ich bin eine neue Freundin von Clara! Die Clara liegt weinend bei uns im Bett. Sie gab mir diese Nummer. Ich soll dir sagen, es wäre ein Notfall. Du sollst ein Taxi nehmen und sofort kommen. Wahrscheinlich mußt du die Clara mit deren Auto heimfahren.«
»Wie lautet die Adresse? Ich bin in spätestens zwei Stunden da!«
»Die Clara ist auf dem Fuchsbichler Hof in Waldkogel.«
Ein Aufschrei am anderen Ende des Telefons ließ Ruths Trommelfell fast platzen.
»Warum schreist du so? Weißt du etwas? Aus Clara ist nichts rauszubekommen.«
»Seit wann ist Clara auf dem Fuchsbichler Hof? Wie kam sie dahin?«
»Bruno hat ihr einen Heiratsantrag gemacht. Der Bub hat sich in Clara verliebt…«
»Später! Später!« tönte es aus dem Hörer. »Ich komme so schnell, wie es geht.« Dann knackte es in der Leitung.
*
Mit einem Satz sprang Bianca aus dem Bett. Sie riß ihre große Reisetasche vom Schrank und warf ihre Sachen hinein. Dabei machte sie ziemlichen Lärm. Die Tür ging auf. Ihre Mutter sah sie erstaunt an.
»Was machst du? Das hört sich unten drunter an, als würdest du Möbel umstellen.«
»Ich packe!« schrie Bianca und rannte an ihrer Mutter vorbei ins Badezimmer, um dort ihre Zahnbürste und Kosmetika zu holen.
»Du willst verreisen?«
»Ja! Mama, frag nicht!«
»Ich wundere mich nur. Du hast doch Prüfung! Wolltest du nicht lernen?«
»Ich nehme die Bücher mit.«
»Wohin soll’s denn gehen?«
»Ich treffe mich mit Clara! Sie hat anrufen lassen. Sie braucht mich.«
»Hatte sie einen Unfall?«
Bianca stellte sich vor ihre Mutter. Sie schaute ihr eindringlich in die Augen.
»Höre mir bitte gut zu! Als Clara neulich hier war, da habe ich ihr ein Versprechen gegeben. Das fordert sie jetzt ein. Ich weiß, daß Clara dasselbe für mich tun würde. Sie wollte, daß ich mitkomme. Jetzt bedaure ich, daß ich es nicht getan habe. Ich fahr jetzt zu ihr.«
Biancas Mutter sah besorgt aus.
»Ist das wirklich alles? Clara sah nicht gut aus, als sie hier war.«
»Mama!«