Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
wußte nicht, daß Clara einen Freund hat. Ich habe gestern ihre Mutter getroffen. Sie hat auch nichts erzählt.«
»Mama! Ihre Mutter weiß nichts. Clara hat daheim nichts erzählt. Du kennst doch Stephan. Das hätte wieder nur Ärger gegeben! Vielleicht war es gut, daß sie nichts gesagt hat. Wenn ich komme, dann wirst du alles erfahren, aber nur, wenn du alles für dich behältst. Okay?«
»Nun, du mußt wissen, was du tust, aber hast du…«
»Mama! Wenn du etwas für mich tun willst, dann mache mir ein paar Brote und Kaffee zum Mitnehmen.«
Während ihre Mutter die Wegzehrung einpackte, duschte Bianca und lud die Sachen in ihr Auto. Sie umarmte ihre Mutter herzlich und versprach, sich bald zu melden. Dann stieg sie ein und fuhr ans andere Ende der Stadt. Sie parkte im Parkhaus des Flughafens und nahm sich von dort dann ein Taxi nach Waldkogel.
Zwei Stunden später hielt das Taxi auf dem Hof. Ruth Fuchsbichler kam herbei und bezahlte das Taxi. Dann führte sie Bianca in die große Wohnküche.
»I bin die Fuchsbichlerbäuerin! Kannst einfach Ruth zu mir sagen, Bianca! Setz dich! Willst etwas essen?«
»Danke, Ruth! Meine Mutter hat mir etwas eingepackt. Ich habe mich unterwegs im Taxi gestärkt. Jetzt erzähle mir alles genau!«
Ruth Fuchsbichler sagte Bianca alles, was sie wußte.
»Wie geht es Clara jetzt?«
»Ich war gerade oben bei ihr. Sie schläft noch.«
»Das ist gut«, bemerkte Bianca. »Wo sind Ruths Sachen? Ihr Gepäck? Ist das schon oben auf dem Zimmer?«
»Das wird noch in Claras Auto sein«, vermutete Ruth.
»Das ist gut.«
Bianca stand auf und lief hinaus zu Claras Auto. Ruth Fuchsbichler folgte ihr. Sie stand neben Bianca und schaute dieser zu, wie sie alle Gepäckstücke durchwühlte.
»Nichts!« sagte Bianca. »Ich weiß aber genau, daß sie die Kopien dabei hat. Sie muß sie dabei haben! Sie hat sie mir gezeigt und dann ist sie losgefahren, hierher nach Waldkogel.«
Bianca durchsuchte alle Gepäckstücke noch einmal. Sie fuhr mit der Hand in jede Tasche jeder Hose und Jacke.
»Die Clara hat noch eine kleine Bauchtasche«, bemerkte Ruth. Bianca schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.
»Daß ich nicht gleich daran gedacht habe! Wo ist die?«
»Oben! Sie liegt auf dem Nachttisch!«
Die Frauen gingen hinauf. Ruth öffnete leise die Tür. Clara schlief noch immer fest. Bianca zog die Schuhe aus und schlich durch das Zimmer. Sie fand, was sie suchte. Clara hatte die Kopien in ihrer Brieftasche. Die Freundin nahm sie heraus, verschloß die Tasche wieder und hastete hinaus.
Wenige Augenblicke später saßen die beiden Frauen oberhalb des Fuchsbichler-Hofes auf einer Bank, bei der Pferdekoppel.
»Ruth! Vielleicht zerstöre ich meine Freundschaft zu Clara, wenn ich dir dies hier zu lesen gebe. Gebe ich es dir nicht zu lesen, dann nehme ich Clara vielleicht die Chance, das Geheimnis zu lüften. Nur die Wahrheit kann Klarheit bringen.«
Bianca schaute Ruth an.
»Die Originale dieser Briefe hat Clara gefunden. Die schrieb ihre Großmutter an einen Urban Fuchsbichler nach Waldkogel vor vielen, vielen Jahren. Die Briefe wurden wohl alle ungeöffnet zurückgeschickt.«
In wenigen Worten erzählte Bianca, wie Clara die Briefe gefunden hatte und von Claras Verdacht.
»Wie viele Urban Fuchsbichler gibt es in Waldkogel, Ruth?«
»Es gibt hier nur eine Familie, die Fuchsbichler heißt. Mein Schwiegervater heißt Urban Fuchsbichler.«
»Na also! Bei all den vielen Milliarden an Menschen, die es auf diesem schönen Planeten gibt, mußte sich Clara ausgerechnet in Bruno Fuchsbichler verlieben. Das ist grausam! Doch hier kannst du es selbst lesen!«
*
Ruth Fuchsbichler griff in die Schürzentasche ihres Dirndl und holte ihre Lesebrille hervor. Bianca sah, daß ihre Hände leicht zitterten, als sie sie aufsetzte. Sie konnte auch das Papier nicht ruhig halten.
»Das steckt also dahinter! Dann wären Clara und Bruno Verwandte. Bruno ist der Enkel von Urban Fuchsbichler und Clara ist auch eine Enkelin von ihm.«
Sie faltete die Kopien zusammen und gab sie Bianca zurück.
»Es ist eben Schicksal, daß sich ausgerechnet die beiden verlieben mußten.«
Ruth Fuchsbichler saß ganz still da. Sie hatte die Augen geschlossen. Ihre Hände lagen leicht zitternd in ihrem Schoß.
»Es wird das beste sein, wenn ich mit Clara heimfahre, sobald sie aufgewacht ist«, bemerkte Bianca. »Eine andere Lösung gibt es nicht.«
»Vielleicht ist Claras Mutter gar nicht die Tochter von Urban?«
»Das weiß nur Claras Großmutter.«
»Es wäre besser gewesen, wenn Clara mit ihr gesprochen hätte. Wahrscheinlich wäre sie dann nicht nach Waldkogel gekommen oder sie wäre gekommen, um ihren Großvater zu besuchen. Bruno hätte sich dann sicherlich nicht in sie verliebt.«
»Das hatte ich Clara auch geraten. Aber sie wollte nicht. Vielleicht weiß ihre Mutter nichts.«
»Wo lebt Claras Großmutter? Sie wohnt bei Claras Eltern, so weit ich das verstanden habe.«
»Ja, Ruth! Aber im Augenblick ist sie verreist. Sie ist bei ihrer Schwester. Die war im Krankenhaus.«
»Kannst du die Adresse herausbekommen, ohne daß Clara etwas davon bemerkt?«
»Sicherlich! Wir leben ja in modernen Zeiten! Gibt es hier auf dem Hof einen Internetanschluß?«
»Ja! Kommt mit.«
Bianca wußte, in welcher Stadt Claras Großtante wohnte. Sie hatte sie einmal besucht. Clara hatte immer für die Schwester ihrer Großmutter geschwärmt. Sie hatte in eine reiche Familie eingeheiratet und pflegte ein sehr kulturell orientiertes Leben. Sie war es wohl auch, die Clara das Theater nahegebracht hatte.
Adresse und Telefonnummer waren schnell gefunden.
Ruth Fuchsbichler schrieb sie auf.
»Was wirst du jetzt machen, Ruth?«
»Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Ich habe mich noch nicht entschieden. Dazu brauche ich noch etwas Zeit. Du kannst hinaufgehen und nach Clara sehen. Ich denke, es wäre auch gut, wenn sie noch eine Weile hierbleiben würde. Macht euch beide doch eine schöne Zeit auf dem Fuchsbichler Hof. Reitet aus, zum Beispiel. Ihr könnt im Waldsee schwimmen gehen. Ihr könnt wandern gehen. Bruno ist oben auf der Berghütte bei Toni und Anna. Da wird er so lange bleiben, bis ich ihn rufe. Mein Schwiegervater Urban und mein Mann, die habe ich auf die Alm geschickt. Wir Frauen sind ganz unter uns. Leider sind alle Zimmer belegt. Wir stellen in Brunos Zimmer noch ein Notbett.«
»Das wird gehen! Clara und ich können auch zusammen in einem Bett schlafen. Das Bauernbett von Bruno ist recht breit. Fast so breit wie ein französisches Bett. Als Kinder haben wir oft zusammen geschlafen.«
Bianca ging hinauf und setzte sich zu Clara ans Bett. Ruth hatte etwas anderes vor.
*
Nach längerem Suchen fand Ruth den alten Knecht bei den Schafen. Er fütterte die Lämmer mit Milch nach. Ein Schaf hatte Drillinge geworfen und bekam sie nicht satt. Da mußte zugefüttert werden.
»Schau, wie’s denen schmeckt, Fuchsbichlerbäuerin. Is des net schön?«
»Du machst des auch ganz prima. Sag, wie lange bist du schon auf dem Hof?«
»Da muß i erst mal nachrechnen. I bin schon immer hier gewesen. Das ist jetzt schon über siebzig Jahre. I bin gleich nach der Schul hierher gekommen. Wie