Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
weiß auch nicht, woher das genau kommt. Vielleicht weil er sich wenig mit den Frauen hier in Waldkogel abgegeben hat. Er galt als wenig gesellig. Alle dachten wohl, er bleibe Junggeselle. Dann hat er diese Jeanette getroffen. Zwei Jahre ist er mit ihr gegangen. Seit kurzem ist es wohl aus zwischen den beiden.«
»Er hat mir von Jeanette erzählt. Die muß ja ein richtiges Biest gewesen sein. Sie war ganz schön dumm, nicht zu erkennen, was sie an Victor hat.«
»Aha!« sagte Anna und schaute Karin an, die rot wurde.
»Ja, ich gebe es ja zu. Es prickelt schon, wenn ich ihn sehe. Ich bin gern in seiner Nähe. Vielleicht deshalb, weil ich mich sicher fühle, daß er mich nicht anmacht.«
»Du gütiger Himmel!« Anna warf einen Blick in den blauen Sommerhimmel, meinte aber etwas anderes damit.
»Du bist gern in der Nähe eines Mannes, weil du sicher bist, daß er dir nicht zu nahe tritt? Das verstehe, wer will. Immerhin besteht ja noch Hoffnung, wenn du wenigstens das andere Geschlecht nicht ganz meidest und du das prickelnde Gefühl nicht ganz verdrängst. Karin, Karin! Du fälllst von einem Extrem ins andere. Ich verstehe dich ja, nach dem Reinfall mit Pierre.«
»Ich werde mir jetzt erst einmal eine neue Stelle suchen. Zuerst werde ich wohl in Schwesternheim wohnen. Dann miete ich mir eine kleine Dachwohnung. Sie sollte eine Küche haben und zwei Zimmer, ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer, auch Bad natürlich. Die richte ich mir dann ein. Und ich schwöre dir, da kommen richtig bequeme gemütliche Möbel rein. Nicht diese Dinger aus Glas und Stahl. Da weiß man nicht, ob man vor einem Möbelstück steht oder vor so einem Kunstgegenstand. Im Schlafzimmer will ich Spitzen und Rüschen haben und bunt kann es sein. Fürs Wohnzimmer kaufe ich ein Sofa mit vielen Kissen«, erzählte Karin strahlend. »Weißt du, ich habe mich immer nur als Gast in der Wohnung gefühlt, in der ich zusammen mit Pierre gelebt habe. Ich will mein eigenes Heim. Du mußt das doch verstehen. Du hast deinen Toni und die Berghütte. Ich lebe im Augenblick aus dem Koffer. Meine Sachen stehen bei Frau Bleist im Gästezimmer.«
»Karin, du wirfst da verschiedene Dinge zusammen. Ich verstehe, daß du Sehnsucht nach einer eigenen Wohnung hast. Aber ein wirkliches Heim wird eine Wohnung erst werden, wenn du sie mit einem lieben Menschen teilst.«
»Da stimme ich dir zu. Wenn ich mich dann irgendwann wieder einmal mit dem Gedanken trage, mich dauerhaft an einen Mann zu binden, dann lade ich ihn ein. Er muß wissen, wie ich lebe. Er muß nicht alles, aber doch den größten Teil meines Lebens, gut heißen. Ich will niemals mehr in eine Situation hineinschlittern, in der der Mann alles ist, alles bestimmt und ich nur immer ja sagen muß.«
Karin schaute Anna an.
»Es war so schwer, mich von meinem Traum, den ich von Pierre und einer gemeinsamen Zukunft geträumt habe, zu verabschieden. Ich hatte mich in etwas hineingesteigert. Je länger es dauerte, desto mehr klammerte ich mich an den Gedanken, daß alles gut werden würde, wenn ich nur alles tun würde, um ihm zu gefallen. Kannst du mich verstehen, Anna?«
»Ja, Karin, ich verstehe dich, auch wenn es mir sehr schwer fällt das wirklich nachzuvollziehen. Ich schätze dich! Du bist so ein guter und hilfsbereiter Mensch. Ich wünsche dir, daß du glücklich wirst.«
Anna atmete tief durch.
»So, Karin! Jetzt muß ich dir etwas sagen. Victor hat wirklich ein Auge auf dich geworfen. Ihm hängt nur seine Geschichte mit dieser Jeanette auch noch ein wenig nach. Er hatte letzte Woche hier angerufen und mich gebeten, wenn ich mal wieder ins Dorf komme, ihn zu besuchen. Ich sollte aber zu einem Zeitpunkt bei ihm vorbeikommen, an dem er sicher sei, daß du bei Martin in der Praxis bist.«
»Nein!«
»Doch! Und ich war bei ihm.«
Karin wurde blaß.
»Er hat richtig von dir geschwärmt. Er schätzt dich sehr. Ja, ich bin mir sicher, daß er dich liebt. Er hat natürlich bemerkt, daß du innerlich auf Distanz gehst. Gleichzeitig bemerkte er, daß er dir auch gefällt.«
»Ja, das tut er. Victor hat die schönsten rehbraunen Augen, die ich jemals bei einem Mann gesehen habe. Seine schwarzbraunen Haare legen sich in Locken um seinen Kopf wie… wie bei einem griechischen Gott.«
Anna schmunzelte.
»Den griechischen Göttern wird ja Temperament nachgesagt. Damit hat dein Victor seine Schwierigkeiten.«
»Mein Victor? Sag so etwas nicht.«
Anna ließ sich nicht davon abbringen.
»Dein Victor!« betonte Anna. »Dein Victor hat Angst auf dich zuzugehen. Er denkt, daß du denken könntest, er würde jetzt nach dem das mit der Jeanette, dieser Tochter des Wurstfabrikanten, auseinander ist, einfach nur ein Abenteuer suchen.«
»So denkt er das? Solch ein Unsinn!«
Anna zog ihr Dreieckstuch enger um den Körper. Es wehte jetzt ein frischer Wind.
»Das wollte ich dir nur sagen. Außerdem ist die ständige Kritik von Jeanette nicht spurlos an ihm vorübergegangen.«
»Welche Kritik?«
»Nun, daß das Leben eines Bauern mühsam ist und nicht viel einbringt. Eben all dieser Käse! Dann hat der den guten Pierre gesehen im schicken Auto und den tollen Designerklamotten. Obwohl er dich anders einschätzt, ist er verunsichert, ob du nicht doch eher auf solche Karrieremänner stehst.«
»Man könnte denken, daß ihn die Kuh am Kopf getroffen hat und nicht am Knöchel. Wie kann er nur so etwas denken? Ich habe ihm doch gesagt, daß ich mich von Pierre getrennt habe und auch nicht mehr zurückgehe.«
Anna hörte, wie empört Karin war.
»Karin, ich kann dir nicht sagen, warum Victor so denkt. Ich glaube, er hat einfach Angst, eine weitere Enttäuschung zu erleben. Verstehen tue ich das auch nicht.«
»Anna, wir haben uns wirklich gut verstanden. Es war alles sehr harmonisch. Wir haben über viele Themen offen geredet. Victor sprach einmal von einer Seilschaft, die uns beide verbindet.«
»Das ist ein schönes Bild, Karin. Dem kann ich nur hinzufügen: Durchtrenne das Seil nicht. Es wäre schade. Schade um dich und um Victor.«
Anna ließ Karin allein auf der Terrasse zurück. Sie sollte Zeit und Muße haben nachzudenken. Bello legte seinen Kopf auf Karins Schoß. Sie streichelte ihm das Fell.
*
Die nächsten Tage vergingen. Karin half zwar manchmal in der Küche der Berghütte beim Brotbacken oder sie schälte Kartoffeln, die meiste Zeit gönnte sie sich aber wirklich den wohlverdienten Urlaub. Sie saß auf der Terrasse der Berghütte und sonnte sich. Sie wanderte hinunter zur Oberländer Alm oder zum ›Erkerchen‹. Weiter in die Berge traute sie sich nicht allein und einer der vielen Wandergruppen wollte sich Karin nicht anschließen. Sie war gern allein, galt es doch über vieles nachzudenken und ihr Leben neu zu ordnen.
Wenn sie dann so da saß und ringsum die Berge betrachtete, überkam sie eine gewisse Wehmut. Es schmerzte sie, wenn sie daran dachte, daß sie wieder fortmußte aus Waldkogel. Immer mehr konnte sie Anna verstehen, die sich auch gleich in dieser lieblichen Landschaft heimisch gefühlt hatte.
Eines späten Nachmittags kam Besuch. Es war Doktor Martin Engler.
»Ja, Grüß Gott, Martin! Gibt es keine kranken Leute mehr im Dorf, daß du mitten in der Woche rauf zu uns auf die Berghütte kommst?«
»Grüß Gott, Toni! Anna! Karin! Doch, kranke Leut gibt es genug. I hab’ nur ein Problem oder besser, wieder ein Problem. Es ist der Wurm drin! Die neue Sprechstundenhilfe will wieder aufhören.«
Anna, Toni und Karin schauten sich an.
»Mei, da schaut ihr auch! Mei, hab’ i vielleicht ein Pech mit dem Personal.«
»Was is passiert? Bist dem Madl an den Rock?« witzelte Toni.
»Ja, ja! I weiß ja, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Na, die neue kommt