Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
nippte an seinem Glas. Er griff in seine Jackentasche und holte den Ring heraus.
»Den wollte ich ihr schenken! Sie hat mich rausgeworfen!«
»Wer?« fragte Cliff, obwohl er es sich dachte.
»Katja! Katj##a Mehring! Ich war bei ihr. Ich hatte dich über Handy angerufen. Du hattest mir doch ihre Adresse gegeben!«
Jetzt trank Gino sein Glas fast aus.
»Ich fuhr hin. Ich machte alles so, wie man das machen soll. Ich hatte einen riesigen Rosenstrauß dabei und den Ring. Ich fragte sie, ob sie meine Frau werden wolle.« Mit einem Blick, der sein Unverständnis ausdrückte, schaute Gino den Freund an. »Sie sagte nein! Einfach nein! Sie will mich nicht.«
Cliff unterdrückte ein Grinsen.
»Hat sie es begründet?«
»Ich bin ihr nicht gut genug! Was will dieses Weib denn haben? Ich kann ihr alles bieten! Sie kommt aus sehr bescheidenen Verhältnissen. Ich war heute bei den Mehrings. Ganz schön hochmütig, sage ich dazu!«
Cliff drehte sein Glas in den Händen.
»Gino, ich wil#l dir nichts vormachen. Nicky, Katjas jüngere Schwester, war auf dem Tennisplatz und hatte Bälle eingesammelt. Damit verdient sie sich ihr Taschengeld. Sie hat mir alles erzählt.«
»Dann ist es also schon rum? Klasse! Jetzt werde ich auch noch zum Gespött!«
»Ich denke nicht, daß Nicky das rumposaunt. Sie ist ein feiner Kerl, genau wie Katja!«
Cliff zögerte, bevor er weitersprach. Er sah Gino dabei nicht an.
»Gino, du wirst nicht zum Gespött – du bist es schon lange!«
»Wie meinst du das?«
»Keiner außer mir würde sich mit dir abgeben, wenn du nicht der Sohn vom Koppermann und so freigiebig wärst. Gino, in den Augen der anderen bist du ein Verlierer, ein Spieler, der alle seine Chancen verspielt hat. Du schaffst es nicht, etwas aus deinem Leben machen. Du verhältst dich wie ein Kind. Du spielst eine Zeitlang mit einem neuen Spielzeug. Dann langweilt es dich und du nimmst dir ein Neues.«
»Jetzt redest du auch schon wie mein Vater! Der setzt mich ganz schön unter Druck.«
»Das hätte er schon lange machen sollen, Gino. Er hat dir im Grunde keinen Gefallen getan. Daß du so bist wie du bist, kann man sicherlich nicht dir alleine anlasten. Doch du bist alt genug, mehr als alt genug, um dein Leben selbst in die Hand zu nehmen! Mach etwas daraus! Du bist selbst für dein Leben verantwortlich, nicht dein Vater und nicht die Umstände und nicht das Schicksal!«
Stockend berichtete Gino von der Drohung seines Vaters und seinen Befürchtungen, daß er es diesmal ernst meint. Er erzählte, daß er deswegen auch heute Katja einen Antrag gemacht hatte.
Cliff stand auf. Mit eisiger Miene ergriff er Gino und riß ihn aus dem Sessel hoch. Es war leicht für den gut durchtrainierten Cliff, Gino zur Tür zu schleifen. Dort verpaßte er ihm einen Kinnhaken.
»So, das war für Katja##! Wie konntest du auch nur versuchen, Katja so zu benutzten!«
Gino war zu Boden gegangen. Er schüttelte den Kopf und stand wieder auf.
»Du verstehst mich nicht, Cliff. Ich dachte, wir wären Freunde.«
»Das sind wir auch. Wenn du das nicht begreifst, dann tust du mir leid. Da muß ich durch, Gino! Ich warne dich, laß Katja in Ruhe!«
»Ich liebe sie aber. Ich liebe Katja wirklich! Glaube mir!«
»Dann erobere sie!«
»Wie?«
Cliff lachte.
»Nicky meinte, du müßtest eben ein paar tolle Taten vollbringen. Im Deutschunterricht in der Schule nehmen sie gerade Märchen durch. Dabei geht es auch um die Rolle der Prinzen. Sie müssen sich alle bewähren. Hast du keine Märchen gelesen? Dann tu es jetzt! Guten Abend!«
Cliff schloß die Wohnungstür. Gino stand allein im Treppenhaus.
*
Am nächsten Abend rief ihn sein Vater in sein Büro.
»Autoschlüsssel, Kreditkarten, hier vor mir auf den Tisch! Ich höre! Zu was hast du dich entschlossen?«
Gino mußte seinem Vater etwas sagen. Er erzählte von Katja, die er liebte. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sie einwillige, ihn zu heiraten.
Isebert Koppermann grinste. Er hatte eine gute Menschenkenntnis und erkannte, daß trotz aller schöner Darstellung, sein Sohn bei dieser Katja wohl abgeblitzt war.
Diese Katja Mehring interessier#te ihn. Das mußte wirklich ein ganz besondere Frau sein.
»Dann ist es ja nur eine Frage der Zeit, Gino!«
Isebert Koppermann öffnete die Schreibtischschublade. Mit einer großen Handbewegung schob er die Sachen hinein.
»Katja wohnt ja hier in der Stadt. Da brauchst du kein Auto. Du kannst laufen. Früher bin ich auch gelaufen.«
»Vater, du kannst mich doch nicht ohne einen Cent lassen!«
»Doch, das kann ich sogar gut. Du kannst ja arbeiten. Du kannst sofort anfangen. Aushilfen brauchen wir immer – in der Spülküche des Restaurants, in der Wäscherei, beim Reinigungsteam. Du bekommst das, was alle Anfänger bekommen. Du wirst dich jetzt von ganz unten hoch arbeiten!«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein, Vater!«
»Zweifelst du an meinen Worten? Es war nur ein Vorschlag. Du kannst auch gerne anderswo jobben. Aber nicht hier in der Stadt. Das werde ich zu verhindern wissen. Ich will mi#ch nicht vor den Leuten blamieren. Geh meinetwegen nach außerhalb. Aber Italien, die Verwandtschaft deiner Mutter, scheidet aus!«
Koppermann zog an seiner Zigarre. Er entnahm der Brieftasche zwei Scheine.
»Fahrgeld! Versuch’s doch mal beim Albert Weißgerber in Waldkogel. Im Sägewerk braucht er immer helfende Hände. Übrigens, Kost und Logis gibt er seinen Leuten gratis. Bleibst du hier, dann gibst du vierzig Prozent deines Lohnes bei uns ab. Deine Unterkunft ist mehr als gut. Dafür wirst du in Zukunft zahlen, damit du es lernst.«
Gino schaute seinen Vater völlig entgeistert an.
»Übrigens, das ist alles mit deiner Mutter abgesprochen. Es bricht ihr zwar fast das Herz, aber diesmal hast du keine Chance bei ihr. Sie ist übrigens verreist.«
Wie in Trance griff Gino nach den Scheinen und ging hinaus. Daheim stellte er fest, daß ihm seine Mutter offensichtlich schon die Koffer gepackt hatte. Mitten in seinem Ankleidezimmer standen ein kleiner Koffer und eine Reisetasche. Darauf lag ein Brief. Gino erkannte die Handschrift seiner Mutter und verließ in der Dunkelheit den elterlichen Bungalow.
*
Etwas hilflos stand Gino Koppermann auf der Straße. Er mußte erst einmal nachdenken. Wie kam er zum Bahnhof! Taxi! Vor dem Hotel warteten immer Taxis. Sofort wurde ihm seine Lage bewußt. Er wußte nicht, was ihn die Fahrt nach Waldkogel kosten würde. Wenn er jetzt ein Taxi nahm, vielleicht hätte er dann nicht genug Geld für die Fahrkarte.
Gino war niedergeschlagen und wütend zugleich. Er war wütend auf seinen Vater. Wie konnte er ihm das antun? Er fühlte sich hilflos und gedemütigt. Sollte er erst einmal Zuflucht bei Cliff suchen? Nein, entschied er. Mit Cliff Jordan, hatte er es sich wohl auch verdorben. Gino rieb sich sein Kinn. Cliffs Lektion war deutlich gewesen. Ob Cliff selbst in Katja verliebt war? Das wäre die einzige Erklärung, überlegte Gino, der nur in diesen Kategorien denken konnte.
Wer ka##m noch in Frage? Gino überlegte. In Gedanken ging er seine Freunde durch. Waren es wirklich Freunde? Waren es Schmarotzer? Er dachte an Cliffs Worte. Unsicherheit überkam ihn, gepaart mit Einsamkeit. Er dachte an Katja. Wie schön wäre es, wenn er bei ihr hätte Zuflucht nehmen können. Vielleicht hatte sie ein mildtätiges Herz. Aber nach seinem Rausschmiß wollte er es nicht darauf ankommen lassen.