Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
viel besser. Ich hatte großes Glück, daß es net schlimmer war. Der Gips ist ja schon lang ab, nach dem Bruch. Aber mit dem Gehen klappt es noch nicht so gut. Unser guter Doktor, der Martin, hat gesagt, ich müßt’ Geduld haben. Der hat gut reden. Die Arbeit ist da, die läuft mir schon net fort. Doch gemacht muß sie werden. Ja, früher, da war es viel einfacher, da hat man genug Mägde und Knechte gehabt. Heute wollen die jungen Madln alle in die Stadt.«
Sie schaute Anna an.
»Bei dir ist das etwas anderes. Du bist da die Ausnahme. Der Toni muß dem Herrgott ewig dafür danken, daß er dich geschickt hat. Bei mei’m Bub isses nix geworden, damals. Da kann ich nix ändern. Deshalb bin ich aber net neidisch auf den Toni oder weil die Meta so ein prima Madl als Schwiegertochter bekommt.«
Anna konnte die Bemerkung der Gertrud Sommerhalder nicht richtig einordnen. Was war damals mit dem Sohn der Bäuerin? Anna kannte zwar schon viele Geschichten einzelner Leute in Waldkogel, aber nicht alle. Die Lebensgeschichte des jungen Bauern gehörte nicht dazu.
Sie waren auf dem Hof angekommen. Anna trug das Paket in die Küche.
»Hast a bissel Zeit, Madl?«
Die Bäuerin wartete Annas Antwort nicht ab. Sie humpelte geschäftig in der schönen Bauernküche herum. Auf dem Herd stand noch Kaffee. Bald darauf saßen die beiden Frauen am Tisch. Anna schaute sich um.
»Das sind wunderschöne Küchenmöbel.«
»Die sind noch von meiner Aussteuer. Ich war die einzige Tochter und die Jüngste. Ich hatte sechs ältere Brüder. Gut waren sie alle. Die haben zusammengelegt für die Küche und mir sie auch gezimmert und bemalt. Lieb war des von ihnen. Des vergesse i net. I freu’ mich, daß dir sie gefallen tut, mei’ Küch’. Ihr hat sie net gefallen. Der war sie zu altmodisch. Aber davon will i net sprechen. Nix war der gut genug!«
Anna hörte nur zu und rührte in ihrem Kaffee.
»Mein Mann war schon ziemlich alt. Fast zwanzig Jahr älter als ich. Er war aber ein guter Mann, zu gut für diese Welt, hab’ i immer gesagt. Deshalb hat der Herrgott ihn vielleicht auch so früh geholt. Mein Bub war damals noch in der Schule. Da stand ich nun mit einem Kind und war Witwe. Hart war’s gewesen. Na ja, es war viel Arbeit mit dem großen Hof. Geschafft hab’ i es doch! Nur meine Knochen sind halt kaputt. I wäre froh gewesen, wenn der Friedel sie geheiratet hätt’. Besonders gefallen hat s’ mir ja net. I sollt auch recht behalten. Sie hat ihn dann sitzenlassen. Der Bub hat des bis heute net überwunden. Still ist er geworden nach der Enttäuschung. Des war ja auch a schöne Blamage. Des Aufgebot war schon bestellt und da is sie einfach fort!«
Gertrud Sommerhalder trank einen Schluck Kaffee.
»Na, besser so, vielleicht, denke i oft. Vielleicht hätt’ die Ehe net ’halten. Vielleicht wären Kinder dagewesen. Was dann, Anna? Was hätten die armen Kinder dann gelitten? I hoff’ immer noch, daß der Friedel sich mal nach einem anderen Madl umschaut. Doch i glaub, da hoff’ ich vergebens. Wär’ halt froh, wenn er ein Madl auf den Hof bringen würd’. Dann wär’s für mich auch leichter. Schlimmer, als die damals kann keine sein. Mir wär’s auch egal. Hauptsache, der Bub wäre glücklich. Still is er geworden seit damals, sehr still.«
»Wird schon werden, Sommerhalder-Bäuerin!«
»Müßt so a Madl sein wie du, Anna.«
Anna lachte.
Friedel Sommerhalder kam in die Küche und begrüßte Anna.
»Sag dem Toni, des is alles klar. Wir kommen am Samstag rauf auf de Berghütte und helfen ihm beim Umbau. Die Geschichte mit der Wand, die der Toni versetzen will, weißt ja!«
»Danke, Friedel! Der Toni wird sich freuen. Ich freue mich auch. Dann werden wir bald fertig.«
Das war das Stichwort für Friedels Mutter.
»Sag, Anna, das waren ja viele Briefe. Hast du schon die Einladungen zur Hochzeit verschickt?«
»Bist aber ganz schön neugierig, Sommerhalder-Bäuerin.«
»Sag Trudel zu mir, Anna! Für alle hier bin i die Trudel.«
»Gut, Trudel! Ja, ich habe alle meine Freunde und Verwandte angeschrieben. Der Hochzeitstermin wird nicht verraten. Ich will erst wissen, ob alle kommen können. Ich will sie nämlich alle beisammen haben, wenn ich heirate.«
»Das gehört sich ja auch so! Ich wünsch’ dir jedenfalls viel Glück. Daß du glücklich bist mit deinem Toni und er mit dir, das kann man euch beiden ansehen.«
Die Bäuerin warf ihrem Sohn einen kurzen Seitenblick zu.
»Ich hoffe ja, daß du auch amal…«
»Mutter! Du hast mir versprochen, net mehr davon zu reden. Des is mei’ Angelegenheit. Und damit basta!« fuhr er ihr wütend ins Wort.
Er ging hinaus und warf die Tür zu. Es war deutlich zu bemerken, wie zornig er war. Die Wunden sind noch nicht verheilt, was auch immer damals geschehen ist, dachte Anna.
»Siehst jetzt selbst, Anna! So schwierig ist des mit ihm. Weißt, wie ich jung war, da war des ganz anders. Wenn da ein junger Bursch net heiraten wollt’, dann hat der Vater eine schöne junge Magd auf den Hof geholt. Der hat er manches Geschenk zugesteckt, die sollte den Bub dann verführen. Wenn die dann in anderen Umständen war, dann hat der Bauer dafür gesorgt, daß es zum Altar ging.«
Anna schaute die Bäuerin mit großen Augen an. Diese lachte.
»Schau net so, Anna! Die Ehen waren sehr glücklich. I bin selbst so ein Fall, bei dem mei’ Schwiegervater nachgeholfen hat. Geschadet hat’s mir net und meinem seligen Mann a net. Wir haben uns geliebt. Ich tät das gern mit meinem Friedel auch so machen. Doch in der heutigen Zeit is des net mehr möglich.«
Die Bäuerin seufzte.
»Was ich der Mutter Gottes und allen Heiligen schon Kerzen gestiftet hab’! I wart’ immer noch, daß meine Gebete erhört werden. Pfarrer Zandler meint, daß der liebe Gott schon einen Plan hat. Der Friedel wär’ eben noch net an der Reihe. Da müßt i Geduld haben.«
Anna stand auf.
»Trudel, vielen Dank für den Kaffee. Du und Friedel, ihr kommt auf alle Fälle zu meiner Hochzeit. Vielleicht findet der Friedel da ein Madl.«
Trudel winkte ab.
»Danke für die Einladung. I komm bestimmt. Der Friedel, der kommt bestimmt net. Der geht nirgends hin, wo getanzt und gefeiert wird, seit damals.«
Anna verabschiedete sich herzlich. Trudel tat ihr leid. Sie hatte sicherlich ein schweres Leben gehabt, dachte Anna. Es war verständlich, daß ihr ganzes Ansinnen darauf ausgerichtet war, Friedel versorgt zu wissen.
*
Dr. Martin Engler nahm Anna im Auto mit hinauf auf die Alm, dort mußte er einen Krankenbesuch machen. Anna war froh darüber, sparte ihr das doch viel Zeit, denn der Weg zur Berghütte war weit.
»Sag mal, Martin, du bist doch hier aufgewachsen. Du kennst doch alle Leute. Was war denn damals mit dem Friedel Sommerhalder? Der wollte heiraten und seine Braut ließ ihn sitzen?«
»Es war schlimm damals. Ich studierte ja noch und kam nur selten heim nach Waldkogel. Aber mitbekommen habe ich es auch. Der Friedel war am Boden zerstört. Er hat sich ganz zurückgezogen. Er machte zwar gewissenhaft seine Arbeit auf dem Hof und der Alm. Aber jeden Abend saß er im Wirtshaus und hat getrunken. Dabei durfte ihn niemand ansprechen, sonst wurde er sofort wütend und hat zugehauen. Es gab mehrere Schlägereien. Wie heißt es? Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Die Burschen, die haben ihn halt ein bissel geärgert. Net schlimm, wie man das halt so macht. Da ist der Friedel jedesmal richtig ausgerastet und hat wie ein Bär um sich geschlagen. Einmal hat er sogar jemanden einen Bierseidel über’n Schädel gehauen. Da mußte der alte Doktor nähen. Angezeigt hat den Friedel niemand. Jeder wußte von seinem Kummer.«
»Schrecklich!« Anna war entsetzt.
»Ja, das war