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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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ist seine Pflicht! Wenn er die versäumt –«

      »Der Bruder Kämmerer soll die Chorherren zum Kapitel rufen. Die nicht in ihrer Zelle sind, laß aus der Trinkstube holen. Sind sie versammelt, so ziehe den Strang der Kapitelglocke!«

      »Derweil ich den Strang zieh, will ich ein Gebet zum Himmel tun, daß ich morgen knien darf vor Euch und den Purpur küssen, den Ihr tragt.«

      »Schwätzer!« schalt Wernherus in Ärger. Doch eine Flamme schlug ihm über das hagere Gesicht, und seine Augen blitzten. Er kehrte dem Bruder den Rücken und trat in eine der Zellen.

      Medardus blies die Hamsterbacken auf und schielte nach der Tür des Propstes.

      An dieser Tür hatte Herr Friedrich, als Wernherus das Gemach verlassen, den schweren Eisenriegel vorgeschoben.

      »Jetzt sind wir allein, du Sünder, jetzt will ich deine Beichte hören!«

      »Herr?« unterbrach ihn Irimbert. »Habt Ihr die Drohung verstanden, mit der Euch Wernherus verließ?«

      »Daß von meinen Chorherren mehr als die Hälfte auf seiner Seite steht und gegen mich, das weiß ich.« Herr Friedrich ließ sich in den Lehnstuhl sinken. »Der Ehrgeiz kollert in ihm wie der Hunger in leeren Därmen. Er kann’s nicht erwarten, bis dieser linde Sessel frei wird für seine harten Knochen. Manchmal ist mir die Laune so, daß ich ihm gern den Willen täte, um Ruh zu haben. Aber mir liegt die Zukunft meines Landes am Herzen. Mein Land soll wachsen wie ein junger Baum. Wernherus würde reißen an ihm wie der Pechsammler, der den Stamm verwundet, um ihn bluten zu machen. Das will ich hindern. Komm, setz dich her zu mir!« Ein Regenschauer schlug gegen die Fenster, während der Propst das Gesicht des jungen Chorherren betrachtete. Dann griff er lächelnd nach der Weinbitsche und füllte den Silberbecher. »Du bist erschöpft. Da, nimm und trink!«

      »Ich dank Euch, Herr!« Irimbert leerte den Becher mit dürstendem Zug.

      »In der Kette, mit der ich dem Wernherus die Wege zäunen will, bist du ein Glied, Immhof! Jetzt möchte er mir dieses Glied aus der Kette brechen. Du hast ihm heut einen Hammer in die Faust gegeben. Ich bin in Sorge um dich.«

      »Sorge um mich? Nein, Herr! Was soll ich fürchten? Ich bin wie ein Reis, das vom Baum gerissen wurde. Es taugt für keine Hoffnung mehr. Redet etwas in Euch, das mir wohlwill, so laßt mich dieses Gefühl für andere nützen, für Menschen, die Eures Schutzes bedürfen.«

      »Du hast Menschen, die dir lieb sind?« fragte der Propst erstaunt. »Das ist mir neu.«

      »Ich habe sie gefunden. Heute. Es sind Menschen, die ich ehre mit diesem Namen: Einer, der gut und treu ist, ein Starker mit redlichem Herzen und ein reines Kind mit hellen Seelenaugen.«

      Herr Friedrich lächelte. »Wären sie so, dann hättest du mehr gefunden an einem Tag als ich in einem halben Leben. Dein Menschenfund könnte mich neugierig machen, wenn ich nicht wüßte, was dahintersteckt, ein anderes Bild, als du gewohnt bist, vergoldet von der Sonne eines schönen Morgens, und ein wenig Erbarmen dazu. Unter den dreien, die du fandest, ist wohl der Bauer, dem du die Stricke zerschnittest? Ob ich ihm helfen kann, das weiß ich nicht. Sein Kopf ist zwischen die Mahlsteine Wernherus und Medardus geraten. Die reiben ihn klein. Ich muß es geschehen lassen, wenn wahr ist, was sie sagen, daß er das Kloster schmähte und unsere Leute prügeln ließ, die dem Bauer zufällig im Wald begegneten.«

      »Das ist gelogen.« In Erregung erzählte Irimbert, was sich bei der Waldhütte zugetragen hatte.

      »Das haben sie plump gemacht. Ich hätte sie für schlauer gehalten.«

      Der Propst war halb geärgert und halb erheitert.

      »Daß sie dem Greimold gern die langen Haare stutzen möchten, verdenk ich ihnen nicht. Hätten sie es ohne Lärm auf kluge Weise durchgesetzt, daß er ein Eigenmann des Klosters wird, so hätt ich es gutgeheißen.«

      Irimbert sah den Propst mit großen Augen an. »Und das freie Recht dieses Mannes?«

      »Sei verständig, Immhof! Ein freier Bauer taugt nicht mehr in unsere Zeit. Neben einem großen Willen, der für alle denkt, kann nicht ein kleiner bestehen, der seine eigenen Wege geht. Daß der Bauer dort oben den Kopf um eine Haarlocke höher tragen will als andere, die seinesgleichen sind, das verdrießt die Bauern, die dem Kloster hörig wurden, und bringt uns Ungelegenheiten. Aber Gewalt gegen ihn brauchen? Das halt ich für unklug. Man kann warten, bis die Sache sich von selbst erledigt. Der Bauer ist ohne Sohn. Stirbt er, so fällt sein Gotteslehen zurück in Gottes Hand. Das blinde Mädel wird bei den frommen Schwestern gut aufgehoben sein.«

      Die Züge des Chorherren veränderten sich. Eine schmerzvolle Bitterkeit war um den trotzigen Mund gezeichnet. »Vergeßt meine Bitte, Herr! Ich fühle, daß sie nutzlos war. Eure Klugheit steht über allem Recht. Ich erkenne, wie gnädig Ihr das Schicksal dieser Menschen lösen wollt.«

      »Das war ein Wort, das ich gerne hörte. Willst du ein übriges tun, so magst du für den Bauer zeugen, wenn sie klagen gegen ihn.«

      »Das will ich.«

      »Manchmal klingt deine Stimme, daß Wernherus dich um den Stahl dieses Klanges beneiden könnte. Im Kapitel mußt du sanfter für deinen Schützling reden. Hilft es ihm, so soll es mir recht sein. Aber lassen wir alles andere! Mir ist es in dieser Stunde um dich zu tun.« Jeder spottende Zug war ausgelöscht im Gesicht des Propstes, sein Blick hatte Wärme. »Deine Kindheit und Jugend war Bitternis ohne Trost. Das hat dich müde gemacht, das redet aus dir wie ein Greis, der seine Ruh ersehnt. Und doch ist Leben in dir. Starkes und junges Leben.«

      »Es wäre wohl möglich, daß starkes Leben in mir erwachen könnte. Dort oben im Bergwald hab ich ein heilsames Wort gefunden.«

      »Welch ein Wort?«

      »Daß wir, um Wert an unserem Dasein zu fühlen, einer nährenden Freude bedürfen, eines Seelentraumes, dessen Schönheit uns barmherzig hinwegführt über Wahrheiten des Lebens, die wir nicht ertragen.«

      Herr Friedrich nickte. »Das ist eins von den Goldworten menschlichen Erfahrens. Jeder braucht seinen weißen Falken. Wem der Kaiser ›Glück‹ diesen Falken nicht auf Erden schenkt, der hofft ihn drüben zu finden. Und solch eine nährende Lüge fehlt deinem Herzen?«

      »Lüge? Das ist Euer Wort. Ich sagte: Freude und Traum. Das fehlt mir. Ich war ohne Wunsch und Hoffnung. Mein Schicksal lehrte mich harte Dinge sehen, wie sie sind.«

      »Da können sie dir freilich nicht gefallen. Diese Weisheit, die das Alter ruhig trägt, ist Gift für die Jugend.« Freundlich legte der Propst seine Hand auf die zitternde Faust des jungen Chorherrn. »Wir müssen sinnen auf ein Gegengift. Könntest du solch eine nährende Lüge für dich nicht suchen?«

      »Das Suchen hilft nicht, Herr! Solche Freude kommt wie Sonnenschein nach einer Sturmnacht.« Irimbert atmete tief. »Und sie blüht auf Wegen, die weit von diesen Mauern liegen.«

      »Ach so?« In der Stimme des Propstes schien die Spottlust wieder wach zu werden. »Gerade zwischen diesen Mauern hättest du die ›schöne Lüge‹ so nah. Oder täusch ich mich? Ist nicht in deinem Herzen ein Gedanke, der sagt: Was sie predigen, ist Lüge?«

      »Lüge? Ja! Aber keine schöne!« Irimbert blickte auf, denn Herr Friedrich hatte seine Hand zurückgezogen. »Meint Ihr, daß ich gelästert habe, so straft mich.«

      »Die Tür ist verriegelt, ihre Bohlen sind zu dick, als daß einer lauschen könnte da draußen. Wir sind allein und wollen uns nicht vermummen voreinander. Ein Käferlein ist ein harmloses Tier. Aber wenn es mir an den Hals fliegt, schüttelt mich ein Grauen. So ist mir’s, wenn ich einen höre, der offen leugnet. Ich mache dir keinen Vorwurf. Meinst du, Wernherus glaubt mehr als du? Wäre nur ein Funke von Gottesscheu in ihm, er könnte nicht sein, wie er ist. Er heuchelt. Du bist wahr. Darum bin ich dir gut, wie deine Wahrheit auch lauten mag. Alles, was in dir ist, dieses Suchen und Sehnen, dieses Zweifeln und Leugnen, das alles ist auch in mir gewesen, als mich der Sturm der Jugend noch erfüllte. Wie es in jedem sein muß, der Gedanken hat, redliches Gefühl und ein zuckendes Menschenherz.« Der Propst blickte vor sich hin, als gingen


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