Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.
noch verschwiegen, bis alles Trübe in dir sich klärt. Aber ich muß dich waffnen, denn Wernherus scheint zu ahnen, was ich sinne. Er fühlt die Gefahr, die ihm erwächst in dir. Deshalb möchte er dich niederdrücken, dich zerbrechen im Kern deines Lebens.«
»Ich? Eine Gefahr, die Wernherus zu fürchten hätte? Der Euch nicht fürchtet, seinen Herrn?«
»Weil ich müde und schwach geworden. Weil alles Halbheit ist in mir, mein Wollen immer besser als mein Können. Aber was ich halb besitze, seh ich in dir als ein Ganzes wachsen. In dir ist Erkenntnis. Du hast Gedanken, die vor keiner Schwelle scheuen. In dir ist Kraft und unbeugsamer Wille. Sonst hätten ihn die Füchse zu Baumburg und mein Wölflein Wernherus längst gebrochen. Und in dir ist Verachtung und Stolz. Das sind köstliche Herrengüter. Das ist Erz, mit dem sich ein starker Herrscher rüstet, der Geschichte macht und die Grenzen seiner Länder dehnt. Nein, Immhof, laß mir deine Hand und sieh mich mit Augen an, die freudiger blicken! Es ist stolze Zukunft, die ich dir zeige. Ich denke noch zu leben, hoffe mich noch zu ergötzen an manchem Flug meines Falken. Aber soll es mit mir zum letzten kommen, so wüßte ich keinen, dem ich das Schicksal meines Landes ruhiger in die Hände legen, dem ich Ring und Fürstenpurpur lieber gönnen möchte als dir! Ich glaube fast, dir könnte ich sogar meinen Falken lassen als Erbe!«
Irimbert hatte sich erhoben und seine Hand gelöst. »Scheltet mich einen Undankbaren, Herr! Ihr streichelt mich so lind wie Euren Falken, und ich empfinde Schmerz. Ihr bauet Brücken zwischen Euch und mir, und ich seh eine Tiefe aufgerissen, die kein Steg zu überspannen vermag. Hättet Ihr nicht so ernst geredet, der Widerspruch dieser Stunde müßte mich lachen machen. Wernherus ruft die Chorherren zum Kapitel, um mir die Rute zu geben. Und Ihr, Herr Friedrich, bietet mir den Fürstenring!«
»Meinst du, das wäre Traum?« fragte der Propst in keimendem Ärger. »Ich habe Macht, daß dieser Traum auch Wahrheit wird.«
»So ist es von aller Wahrheit die einzige, die ich nicht zu kennen begehre. Daß ich herrschen wollte über einen Wernherus und Medardus? Und über alle, die zwischen diesen beiden die Leiter füllen? Nein, Herr Friedrich!«
»Es lockt dich nicht, über jenen, die dich peinigen, als Herr zu sitzen, mit den Füßen auf ihren Köpfen?«
»Das wäre der letzte meiner Wünsche.«
»Immhof! Zu wissen, ich herrsche über Tausende, es gibt auf Erden nur wenige Staffeln, welche höher ragen als die meine, das wird dir Stunden bringen, die stolz und herrlich sind. Ist für solchen Ehrgeiz nicht Raum in deiner Seele?«
»Jeden anderen Ehrgeiz mögt Ihr wecken in mir! Diesen einzigen nicht.«
»Du Eigensinn, du blinder!« schalt der Propst in Unmut. »So will ich ein Wort für dich suchen, das dir besser gefällt. Was ich dir biete in dieser Stunde, soll deinem Leben Inhalt geben. Das soll Traum und Freude für dich sein, soll alle Kräfte wecken, welche schlummern in dir. Auf deine Schultern leg ich die Zukunft meines Landes. Ein Propst Wernherus mit seinem kurzen Blick und seiner langen Klaue würde zerstören. Ein Mann wie du wird bauen.«
»Bauen?« Leise wiederholte Irimbert dieses Wort. »Das giftige Kraut zerschlagen? Raum schaffen für gute Saat? Den Leidenden ein Tröster sein? Bedrückten Menschen der starke Helfer werden, den sie ersehnen?« Die Gestalt des jungen Chorherren streckte sich. »Ja, Herr, das wäre Traum, der mich erfüllen könnte mit Kraft und Feuer.«
Aller Ärger des Propstes schien verflogen. Lächelnd erhob er sich. »Ganz so, wie du das sagtest, hab ich es nicht gemeint. Aber ich muß dich nehmen, wie du bist. Es wird dich deine Aufgabe schon machen, wie sie dich braucht. Für heute will ich zufrieden sein, weil ich den Samen, den ich streute, in dir keimen sehe. Gib mir deine Hand! Jetzt bist du der meine.«
»Nicht der Eure, Herr! Ich kann nicht lügen, auch nicht dem Guten zuliebe.« Immhof hielt die Hand des Propstes umschlossen. »Aber ich gebe mit diesem Handschlag mein Leben in den Dienst der Pflicht, die Euer Wort mir zeigte.«
Herr Friedrich lachte. »So oder so, jetzt hab ich dich. Jetzt weiß ich, was ich mir rette in dir, und es soll meine erste Sorge sein, daß ich dich aus den Fängen des Wernherus reiße. Du mußt fort, Immhof, bevor das Kapitel zusammentritt, noch in dieser Stunde.«
»Fort?« Irimbert zog seine Hand zurück.
»Ich schicke dich mit Botschaft an den Hof des Herzogs. Dort sollst du warten, bis ich dich rufe. Ich gebe dir mein eigenes Roß, ich führe dich zum Tor.«
»Diesen Weg mögt Ihr Euch sparen, Herr! Ich bleibe.«
»Immhof!« Auf der Stirn des Propstes erschienen die Furchen wieder. »Ich befehle dir als dein Herr, und du wirst gehorchen.«
»Nein!«
»Du Starrkopf!« schalt Herr Friedrich in aufbrausendem Zorn. »Ist denn kein anderes Wort in dir als dieses ewige Nein? Oder bist du der Narr deines falschen Ehrgefühls? Meinst du, weil du gegen das Hausgesetz gehandelt, dürftest du der Strafe nicht entlaufen? Sei nicht kindisch, Immhof!«
»Das bin ich nicht. Was mich festhält, ist die Pflicht, die Ihr geweckt in mir. Sie soll beginnen in dieser Stunde.«
Ruhig hielt Irimbert den Blick des Propstes aus. »Soll ich einmal herrschen über die Kinder Eures Landes, so will ich ihre Treu verdienen durch Treue. Ich weiß einen redlichen Mann in Gefahr, es soll Unrecht an ihm und seinem Kind geschehen. Das will ich verhüten.«
»Nein, Immhof, du wirst nicht herrschen! Ich habe mich getäuscht in dir. Das merk ich mit Ärger!« sagte Herr Friedrich mit Groll. Dennoch schien es, als hätte die Sprache des jungen Chorherren sein Wohlgefallen erzwungen. »In dir mag Gutes stecken, nur nicht der Stoff, aus dem sich ein starker Herrscher bildet. Sonst würdest du nicht deinen Herrenkopf aufs Spiel setzen gegen einen Bauernschädel.«
»Ich unterscheide nicht zwischen Herr und Bauer. Ich weiß nur, da ist ein Mensch, den ich ehre mit diesem Namen. Und die Sorge um ihn ist mein einziges Denken in dieser Stunde.«
Irimbert streckte dem Propst die beiden Hände hin. »Herr Friedrich! Nehmt mir diese Sorge ab! Dann will ich blind gehorchen, und Ihr mögt mich schicken, wohin Ihr wollt. Als Ihr sagtet: ›Ein Mann wie du wird bauen‹, seht, da zuckten tausend Hoffnungen in meinem Herzen auf. Gebt mir die Gewähr, daß von diesen Hoffnungen nur eine einzige sich erfüllen kann, und ich bin der Eure mit Leib und Seele. Zeigt mir an Euch selbst, daß ›Herr sein‹ bedeutet, das Recht schützen, den Frieden schaffen und das Glück der Menschen wahren, über die man Herr ist! Dann will ich ein gelehriger Schüler sein. Wenn ich Eurem Wort gehorche, jetzt, so verlasse ich mehr, als Ihr ahnen mögt. Ich verlasse Menschen, an die ich glaube, verlasse Sonne, die mich wärmte, verlasse Licht, das in die Nacht meiner Seele fiel. Das alles soll gelegt sein in Eure Hand, und ich gehorche. Nur gebt mir zum Abschied Euer Herrenwort, daß Ihr das ehrliche Recht des Greimold schützen und den unwürdigen Lehensbrief zerreißen wollt, der das Erbgut eines freien Mannes zum Gotteslehen machte.«
Forschend betrachtete der Propst den jungen Chorherrn. »Sonne, die dich wärmt? Licht für die Nacht deiner Seele? Seltsame Dinge, die du redest!«
Den tobenden Sturm und das Rauschen des Regens übertönte das Geläut der Kapitelglocke, deren scharfer Klang sich durch alle Mauern bohrte. Der Propst sah lauschend auf und hob unter müdem Seufzer die Schultern. »Immhof, du bist ein Tor! Ich fürchte, da läuten sie deine Stunde.« Er trat zum Lehnstuhl und warf den Hausrock ab.
»Eure Antwort, Herr?«
»Du fragst, daß ich den Wernherus zu hören glaube.«
»Herr Friedrich«, stammelte Irimbert mit heißer Bitte, »gebt mir Antwort!«
»Jede Antwort, die ich wüßte, käme zu spät. Die Stunde, die dich retten konnte, ist versäumt.«
Es pochte an die Tür. Herr Friedrich ging und stieß den Riegel auf. Der Bruder Kämmerer, ein junger Mönch mit glattem Gesicht und lauernden Augen, trat in die Stube. »Das Kapitel ist versammelt, Herr! Nur einer fehlt noch: Irimbert von Immhof. Die anderen warten in Ehrfurcht ihres fürstlichen Herren.«
»In Ehrfurcht?