Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.
in Erfüllung geht, mit mir und der Loni!«
»Ja, früher, da hab ich mir's ausgmalen in Gedanken, wenn mein Kind einmal ein richtigen Burschen zum Mann krieget ... und wie ich nachher ganz glückselig wär, wenn ich mit ansehen könnt, wie das Madl so mittendrin sitzt im Wohlsein und in der Freud ...«
»Und so kommt's ja, schau! Wir haben uns gern, und was an mir liegt, das wird auch gschehen, ums 's Madl glücklich z'machen.
»Ja, Bub! Das weiß ich! Und drum wird mir der Abschied leichter, als eigentlich für ein Vater recht is!«
»Geh, red net so dalket!« zürnte Pauli. »Du wirst fortgehn! Wo willst denn du alter Zwickel noch hin? Eine überspannte Gschicht ist das, weiter nix!«
»Ich will dich net von dem Glauben abbringen. Aber es wird doch so sein müssen, daß ich geh. Du weißt, daß der Muckl damals alles ghört hat, was auf der Alm zwischen uns gredt worden is. Und wenn der was weiß, so weiß es auch's ganze Dorf!«
»Und was is denn nachher?« fragte Pauli und faßte den Alten bei der Hand.
Die beiden waren allzusehr mit sich selbst beschäftigt, um auf die Tritte zu merken, die sich kurze Zeit im Hausflur hören ließen.
»Schau, Lehnl«, sagte Pauli mit herzlicher Eindringlichkeit, »ich bin der erste, der vor der ganzen Gmeind dir die Händ hinstreckt und sagt, daß ich dich mein Vatern heißen und als solchen halten will. Und grad so wie ich wird auch d' Loni ...«
»Sei stad!« unterbrach ihn der Alte jammernd. »Du weißt net, wie das Madl über ihre Eltern denkt. Wenn d' Loni je erfahret, daß ich ihr Vater bin ... so gern s' mich bis jetzt ghabt hat... mit dem Wort wär ich ihr zwider bis in d' Seel eini! Und erfahren muß sie's! Denn wenn der Muckl bis jetzt auch gschwiegen hat, so war das nur die Angst vorm Gricht!«
»Ich hab von der Loni ein besseren Glauben!« fiel Pauli ein. »Weißt was ... jetzt hol ich's Madl ummi, nachher redst offen mit ihr.«
»Na, Pauli, na! Um Gottes willen net! Sie könnt mir's net verzeihen, daß ich sie weggeben hab, wenn's auch nur gschehen is aus Lieb und in der Gfahr. Mir druckt's die Seel ab, daß ich mein Kind nimmer sehen soll, aber es geht net anders. Ich geh in meine Heimat zruck ... die paar Jahrln, wo ich noch z'leben hab, werden meiner Gmeind net z'viel sein. Eine Bitt hätt ich aber noch an dich. Ich hab mir ein bißl was erspart. Das will ich dir geben. Es könnt grad so viel sein, daß man von da bis in mein Dorf einmal dafür hin und her fahrt. Wenn nachher einmal hörst, daß ich gstorben bin, so laß mich um das Geld mit eim Wagen holen und laß mich eingraben an eim Platzl, wo ich mir denken durft, 's Madl kommt einmal neben mir z'liegen! ... Und jetzt laß mich gehen!«
Dem Alten rannen die Tränen über die runzligen Backen. Seine Knie zitterten, und erschöpft griff er nach der Lehne eines Stuhles.
»Na, Lehnl! Na! Du darfst net gehen! Bleib bei uns!«
Lehnl schüttelte den Kopf. »Es geht net und kann net sein!«
Da klang von der Tür eine weiche, bittende Stimme. »Auch net, wann ich dich bitt?«
Der Alte fuhr auf mit ersticktem Schrei und wankte auf Loni zu, die ihm mit offenen Armen entgegeneilte.
»Vaterl ... Mein liebes Vaterl!«
Taumelnd wie ein Betrunkener, umfaßte Lehnl sein Kind. »Loni du ... du sagst zu mir liebs Vaterl ...«
»No freilich!« Lachen und Weinen war das: »Ich weiß ja, daß du's bist! Es is noch keine Viertelstund her, daß sich der Muckl gegen mich verschnappt hat. Aber was hab ich von dir hören müssen? Du willst deine Kinder verlassen? Untersteh dich, du!« Und während sie mit der einen Hand die Tränen von ihren Wangen wischte, drohte sie mit der andern. »Da müßt ich ja gleich in der ersten Stund, wo ich mein Vatern find, zum schelten anfangen!«
»Kannst mir verzeihen ...«
Loni ließ ihn nicht weiter sprechen. »Geh! Was redst denn da! Im ersten Augenblick, wo ich ghört hab, daß du mein Vater bist, is mir mit eim Schlag alles Liebe eingfallen, was ich von dir erfahren hab seit dem Tag, wo du zum erstenmal mein Kinderhandl druckt hast. Vaterl! Vaterl!« Sie schlang die Arme um seinen Hals. »Was mußt du glitten haben, wo du mich so gern ghabt hast! Aber jetzt soll dir's auch von uns zwei vergolten werden!«
Lehnl wußte sich kaum mehr zu fassen vor Glück. »Jesus! Mein lieber Herrgott! Die Freud ... ich könnt jetzt gleich ein Juhschrei machen, daß alle Berg zum wackeln anfangen! Und wenn ich mir denk, daß wir alle miteinand im Frieden hausen ... und daß ich noch Enkerln ... Jesus ... Pauli, halt mich, sonst mach ich ein Kreuzsprung!« Aber da erlosch ihm plötzlich alle Freude zu bleichem Schreck. »Mar' und Josef! D' Leut! Kinder! Was werden d' Leut sagen!«
»Laß s' sagen, was s' wollen!« tröstete Pauli. »Was kümmern denn wir uns drum?«
»Jawohl«, fiel Loni ein, »und damit s' net lang Zeit zum tratschen haben ... am nächsten Sonntag, wenn ich und der Pauli 's erstmal in der Kirchen aufboten werden, soll der Herr Pfarr mich gleich beim rechten Namen rufen. Mit meim Pflegvater und mit meiner Schwiegermutter reden wir heut noch, sobald die Gäst fort sind. Is dir's so recht, Pauli?« Er nickte zustimmend, und Loni drückte ihm zum Dank dafür einen herzhaften Kuß auf die Lippen. »Aber kommts miteinand! jetzt müssen wir wieder ummi. Und du, Vaterl, mußt drüben an der Ehrentafel neben mir sitzen!«
Vereint für alle Zeit verließen diese drei glücklichen Menschen das kleine Haus und schritten über die Straße.
Als am andern Tag der Maler von seinem Ausflug zurückkehrte, machte er große Augen zu der Nachricht, die er zu hören bekam. Er wollte anfangs den Gekränkten spielen, doch hielt diese Regung nicht lange an, als ihm Pauli die Hand bot mit den Worten: »Sind S' net bös, Herr Baumiller, daß Ihr Plan net nausgangen is! Aber zwei Leut z'wissen, wo S' zu jeder Stund gern gsehen sind, und eine Heimat haben, ich mein, das wär auch was wert! Bleiben S' uns gut!«
Und er blieb ihnen gut. jeder Sommer, den er später im schönen Ammertal verlebte, verfloß ihm fröhlicher als all die früheren, im traulichen Verkehr mit dem jungen Herrgottschnitzer und seinem jungen, glücklichen Weibe.
Das Schweigen im Walde