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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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Fünfzehntes Kapitel

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       Einundzwanzigstes Kapitel

       Zweiundzwanzigstes Kapitel

      »Wer nur das Wirkliche gelten läßt, an der Sehnsucht nach dem Unmöglichen keine Freude findet und nie eine Minute übrig hat, um sie an einen schönen Traum zu verschwenden – wie arm ist der!«

      Erstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Man hörte noch den Lärm des Dorfes, den all verschwommener Stimmen und das Geläut einer Kirchenglocke, die zur sonntäglichen Vesper rief. Dann verschwanden die letzten Häuser hinter Büschen und Bäumen. Entlang dem zerrissenen Ufer eines Wildbaches ging's eine Weile an Bergwiesen und zerstreuten Feldgehölzen vorüber, und sacht begann das schmale Sträßlein zu steigen. Während die Kutsche mit langsamer Fahrt in den von Sonnenglanz umwobenen Hochwald einlenkte, klang vom Dorfe her noch ein letzter Glockenton, als möchte das im Tal versinkende Treiben der Menschen Abschied von dem einsamen Manne nehmen, der sich aus dem Wirbel des Lebens in die abgeschiedene Stille der Berge flüchtete.

      Die Straße stieg in immer dichteren Wald hinein. Der klomm zur Rechten gegen die Hochalmen empor, zur Linken senkte er sich in eine Schlucht, aus deren Tiefe sich die Stimme des Wildbaches nur wie leises Murmeln vernehmen ließ. Unter den Bäumen war Stille, als wollte der Wald nach der drückenden Hitze des Julitages schon lange vor Abend in Schlummer sinken. Man hörte nur den müden Hufschlag und das Räderknirschen im groben Kies der Straße.

      Vor die schwerfällige Landkutsche waren zwei Maultiere gespannt. Sie machten dem alten, weißbärtigen Bauernknecht, der sie zu lenken hatte, nur geringe Mühe. Er konnte ab und zu ein kleines Nickerchen erledigen, aus dem ihr das Holpern des Wagens wieder aufrüttelte. Wurde er munter, so versuchte er mit seinem Nachbar auf dem Bocksitz ein Gespräch anzuknüpfen, verstummte aber bald wieder, eingeschüchtert durch das vornehm ablehnende »Ach?« und »So!«, das er sich mit seiner gutmütigen Redseligkeit als einzige Antwort verdiente. Man sah diesem Nachbar den »hochherrschaftlichen Lakai« an der Nasenspitze an, die er trotz einer siebenstündigen Wagenfahrt noch immer in würdevoller Höhe zu erhalten wußte. Er trug einen Reiseanzug aus dunklem Cheviot, dazu ein schwarzes Hütchen, unter dessen schmaler Krempe sich das peinlich frisierte Blondhaar gleich einer polierten Bernsteinschale um den Kopf legte. Ein noch junges Gesicht und hübsch, so daß es hätte gefallen können. Aber in seiner rasierten Glätte und bei dem Bestreben, eine geheimnisvolle Wichtigkeit in den Blick der graublauen Augen zu legen, glich es dem stilvollen Antlitz eines mittelmäßig begabten Schauspielers, der seine beste Rolle außerhalb der Bühne spielt. Es lag auch, neben halber Ehrlichkeit, ein bißchen Komödianterie in der Art, wie der Diener sich nach dem Fond der Kutsche umwandte, als wäre er in Sorge um das Befinden seines jungen Herrn.

      »Fühlen sich Durchlaucht von der langen Fahrt nicht sehr ermüdet?«

      Der Fürst schien ihn nicht zu hören – wenigstens gab er keine Antwort. Regungslos, den Kopf mit dem grauen Jägerhütchen seitwärts geneigt, lag er in die Lederkissen der Kutsche geschmiegt und ließ die Hände auf der Reisedecke ruhen, die um seine Knie geschlungen war – zwei schlanke Hände, deren durchscheinende Blässe von schwerer, kaum überstandener Krankheit erzählte. So bleich wie die Hände war auch das schmale, streng geschnittene Gesicht, von dessen Blässe sich das dünne Bärtchen über den herb geschlossenen Lippen und der linde Flaum, der sich um Kinn und Wangen kräuselte, als tiefer Schatten abhob. Der seltsame Widerspruch dieser Züge hatte etwas Fesselndes. Jede Linie so rein gezeichnet wie das Erbteil einer schönen Mutter, das einer Tochter geschenkt sein wollte und sich zu einem Sohn verirrte; und dennoch der Ausdruck eines klar geprägten Willens, in jedem Zug das Merkmal einer festgefügten männlichen Natur; dazu ein Körper, schlank und sehnig aufgeschossen, dessen jugendliche Kraft durch die überstandene Krankheit nicht gebrochen, nur gebändigt schien und sich auch in der müden Haltung noch verriet, mit welcher der Fürst im Wagen ruhte.

      Er hielt die Augen geschlossen; doch er schlief nicht; das Leben, das in seinen Zügen spielte, verriet es. Hatte er die Lider geschlossen, weil ihn nach dem blendenden Sonnenglanz der langen Fahrt die Augen schmerzten? Oder wollte er das Bild der Landschaft vor seinem Blick erloschen machen, um die Bilder seiner Gedanken ungestört vor seiner Seele zu schauen? Freundliche Bilder schienen das nicht zu sein. Das bittere Lächeln, das einen tiefen Zug um die Lippen schnitt, erzählte von Leiden, die besiegt, doch nicht vergessen sind und in der Seele nachwirken wie das Brennen einer Wunde.

      Bei diesem Sinnen atmete der stille, freudlose Träumer in tiefen Zügen die Waldluft, ihre Frische wie Erquickung genießend.

      Da unterbrach ein heller Laut die Stille der Landschaft. Von einer fernen Höhe tönte der schwebende Jodelruf einer Mädchenstimme, verschwamm in den sonnigen Lüften und weckte an den Felswänden, die der Wald verhüllte, noch ein leises Echo.

      Der Fürst hörte nicht. Aber der Lakai auf dem Bock lächelte erwartungsvoll und fragte den Kutsche: »Gibt es hier Sennerinnen?«

      »No freilich. Und eine is dabei, ja, vor der muß man 's Hütl ziehen. Die Burgi von der Tillfußer Alm. Was wahr is, muß wahr sein. Dös is aber bildsaubers Madl.«

      »Die Tillfußer Alm? Wo liegt die?«

      »Gleich dem Jagdhaus vor der Nasen.« Der Wagen rollte aus dem dichtgeschlossenen Wald auf eine offene Höhe hinaus, und der Kutscher deutete mit der Peitsche. »Da schauen S' her! Jetzt kann man 's ganze Geißtal überschauen, drei Stund weit aussi bis gegen Ehrwald.«

      Hastig wandte sich der Lakai: »Bitte, Durchlaucht, von dieser Stelle kann man da ganze Jagdgebiet übersehen.«

      Der Fürst schlug die Augen auf – große, dunkle Augen von metallenem Glanz – und erhob sich im Wagen, den der Kutscher auf einen Wink des Lakaien angehalten hatte.

      Beim Anblick der weitgedehnten, in ihrer wundervollen Größe doch ruhigen Landschaft stieg eine warme Röte in die bleichen Wangen des Fürsten. Es war aber auch ein Bild, das einem für Schönheit der Natur empfänglichen Menschen die Seele mit Staunen erfüllen mußte.

      Zu Füßen der Straße zog sich ein schmales Hochtal mit fast ebener Sohle bis in weite Ferne, kaum merklich gewunden, eine einzige große Linie, gezeichnet von der weit ausholenden Hand des Schöpfers. Durch das lange Tal hin schlängelte sich die Geißtaler Ache, in eng gedrängtem Bette aus- und einbiegend um vorspringende Felsen und Waldecken, bald grünlich schimmernd bei ruhigem Gefäll, bald wieder blitzend in der Sonne und zersprudelt zu weißem Schaum. Da ganze Tal entlang reihte sich zur Linken ein Felskoloß an den anderen; neben der ungestüm aufstrebenden Munde erhebt sich die wuchtige Hochwand, hinter dem klobigen Igelstein drängt sich der steile Tejakopf hervor, und den wirkungsvollen Abschluß bildet die Sonnenspitze mit ihrer schlanken, auf breitem Sockel ruhenden Pyramide. Von dunklem Blau umschleierte Kare schneiden in den Leib der steinernen Riesen ein, und über die steilen Felsrippen klettern die Fichtenwälder empor als schmale Zungen und verlieren sich mit einsam vorgeschobenen Bäumen zwischen den Latschenfeldern, die um die Brust der Berge hängen wie eine grüne Samtverbrämung. Verstaubter Schnee, den immerwährender Schatten auch gegen die Sonne des Juli


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