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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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er verlegen den Hut. »Duhrlaucht! Jetzt haben S' mich auf ebbes bracht. Aber so is der Mensch! Zu meine Jagdgehilfen kann ich allweil sagen: z'erst denken und nachher reden! Und ich selber hab jetzt grad so blind in Tag einigredt. Jetzt schaut sich die Sach mit dem Herrn Petri seiner Versuchungstafel anders an. Dös is ja grad, als ob er sagen hätt wollen: ›Schauts amal her, so wunderschön is die Verführung zu unserm Heiland kommen, und dengerst hat er sich zruckghalten – da nehmts enk a Beispiel dran!‹ Ja, meiner Seel, da is eigentlich der Herr Petri viel christlicher gwesen als wie der Pfarr!«

      Ettingen schien auf die Worte des Försters nicht mehr gehört zu haben; plötzlich verhielt er den Schritt und sagte erregt: » Das hier? Das muß das Haus sein! Nicht wahr?«

      Sie hatten einen grünen Staketenzaun erreicht; gleichlaufend mit einer gestutzten Holunderhecke umschloß er einen kleinen Besitz, der sich zwischen den anderen Häusern und Gehöften ausnahm wie ein schön gefaßter Schmuckstein neben den grauen Kieseln der Straße. Das Haus, das im Garten stand, war früher wohl ein bescheidener Bauernhof gewesen. Das verriet noch die an den Wohntrakt angebaute Tenne. Aber es hatte größere Fenster und ein grünliches Schieferdach bekommen, dessen Kanten und Firste geschmückt waren mit wunderlichen Tierzieraten. Das Unterdach und die vorspringenden Balken, das Tennentor, die Kreuzstöcke und Fensterläden waren blaugrün bemalt und mit weißen und blaßroten Linienornamenten ausgezeichnet. Vor allen Fenstern, durch deren spiegelnde Scheiben die schneeweißen Vorhänge herausleuchteten, waren zierlich gegitterte Blumenbretter mit blühenden Stöcken angebracht, und daneben verschwanden die weißen Mauern unter dem Grün der sorgsam gezogenen Obstspaliere, deren Zweige von der Erde bis zum Schatten des Daches mit reifenden Früchten behangen waren.

      Heiter und farbig, schmuck und freundlich erhob sich das kleine Haus wie auf einem breiten Sockel blühender Blumen. Geranienbüsche zogen sich am Fuß der Mauern hin, und der Vorgarten war in vier große Beete geteilt, mit Rosen und Nelken in allen Farben. Zwei lange Blumenbeete liefen zu beiden Seiten des Hauses gegen den weiten Hintergarten, zwischen dessen Obstbäumen und Gemüsebeeten eine große schattige Laube und ein luftiges Sommerhäuschen stand, das ganz aus wunderlich gewachsenen Ästen geschränkt und geflochten war. Silberweiße Kieswege schieden die Beete voneinander und umzogen in der Mitte des Vorgartens ein mit Tropfsteinen ausgelegtes Wasserbassin, in dem zwei murmelnde Brünnlein über eine moosige Felsgruppe niederrannen. Aus diesen Felsen erhob sich ein hoher, bunt bemalter Balken und trug das Taubenhaus, das mit seinen Türmchen und Erkern sich ansah wie das Modell einer gotischen Burg. Überall in den Kronen der Bäume und auf schlanken Stangen waren Starenhäuschen und Meisenkästen angebracht, und mit dem Gezwitscher der hundert Vögel, die hier nisteten, mischte sich das Geflatter und Gurren der weißen Tauben.

      Wie einen Gedanken schließend, der ihn auf dem Wege begleitet hatte, schüttelte Ettingen den Kopf und murmelte: »Nein! So wohnt kein Verzweifelter! So wohnen nur zufriedene Menschen, die ihr Glück gefunden und über die stille Schönheit ihres Lebens hinaus keinen Wunsch mehr haben.«

      Der Förster wollte in den Garten treten, blieb stehen und sagte: »Ich bitt schön, Duhrlaucht, wenn d' Frau Petri daheim is – tun S' das Frauerl net viel um ihren Seligen fragen! Da wird ihr 's Reden a bißl hart.« Er ging auf das Haus zu und sprach eine Magd an, die mit eisernem Rechen die Wege ebnete. Dann kam er wieder. »Es is kein Mensch net daheim, außer der Hausmagd.« Er öffnete vor seinem Herrn das grüne Gitter. »'s Fräuln is in der Fruh vom Sebensee heimkommen, aber sie is schon wieder fort, in d' Fischzucht ummi. Und d' Frau is heut auf Innsbrucki abi, ihr Studenterl heimholen in d' Vakanz.«

      »Fräulein Petri hat einen Bruder?«

      »Ja! A vierzehnjährigs Bürscherl. Gustl heißt er. Der is den dritten Winter auf'm Gymnasi drunt. A liebs Mannderl! Und gsund. 's richtige Gebirgsblut, ja! Is a Leutascher! Gleich nach'm ersten Jahr is er kommen, wie 's heraußen waren. Und ganz seim Vatern schlagt er nach. Wie das Büberl den Wald schon gern hat! Allweil draußen mit der Schwester! Und kaum sieht er ein von uns Jager, da hängt er eim schon am Kittel: ›Ich bitt schön, Herr Förster, darf ich mit?‹ Und anschauen tut er ein' mit seine Guckerln – da kannst net na sagen!« Sie hatten das Haus erreicht, und der Förster sprach die Magd an: »So, Nanni, jetzt tust mir den Herrn schön rumführen im ganzen Haus und zeigst ihm jedes Taferl!«

      »Wohl!« sagte das Mädel und lehnte den Rechen an das Spalier. Es war eine derbe Bauerndirn mit unschönem, grobknochigem Gesicht, aber mit hellblauen Augen, die gutmütig und zufrieden blickten; sie war einfach und doch mit auffallender Sauberkeit gekleidet und trug die Haare so fest geflochten, als wären die Zöpfe aus Eichenholz geschnitten.

      Der Förster verabschiedete sich mit dem Versprechen, seinen Herrn in einer Stunde wieder abzuholen.

      Neben der Schwelle streifte die Magd ihre Schuhe ab, klopfte den Sand von den blauen Strümpfen, schlüpfte in ein Paar Strohpantoffeln, und die Haustür öffnend, sagte sie: »So, Herr, kommen S'!«

      Als ihr Ettingen in den Hausflur folgen wollte, gewahrte er über der Tür, schon halb von den Zweigen des Spaliers überwachsen, eine lateinische Inschrift – drei Worte: Hic rideo ego! – »Hier lache ich

      Welche eine Stunde reiner und tröstender Freude mußte es für jenen Weltflüchtigen gewesen sein, als er auf der Schwelle dieser schönen Heimstatt sich sagen konnte: »Das Lachen der anderen, das mich marterte, ist fern, und ich hör es nicht mehr. Hier lacht nur einer. Ein Glücklicher, der die Ruhe fand! Und der bin ich.«

      Ettingen nahm den Hut ab und trat ins Haus.

      Schon im Flur hing bis an die Decke hinauf eine Leinwand neben der anderen, jede von einer schmalen, braun gebeizten Holzleiste umzogen: Skizzen, unvollendete Studien und leicht untermalte Entwürfe, die oft kaum das Motiv des Bildes erkennen ließen, das hier hätte entstehen sollen. Blumenstudien wechselten mit Luftstimmungen, Felspartien mit Waldszenen, naturtreue Tierskizzen mit mythologischen Träumereien. Manche Leinwand zeigte deutlich, wie geduldig und liebevoll sich der Künstler in das kleinste Detail eines Modells vertieft hatte. Oft war die gleiche Blume ein dutzendmal nebeneinander gemalt, in verschiedenem Licht, frisch erblüht mit Knospen, mit entblättertem Kelch, im Beginn des Welkens, mit gebrochenem Stengel. Man sah, wie aufmerksam der Künstler die Natur beobachtet hatte, um sie seinen Phantasiegebilden dienstbar zu machen. So war auf einer Leinwand ein schwarz und rot gefleckter Bergsalamander abgebildet, wie er mühsam aus dem Gras auf eine Steinscholle kletterte – und daneben, größer, doch ganz mit der gleichen Körperbewegung, suchte ein fetter Triton, der triefend dem Meer entstieg, ein Riff zu erklimmen. Eine andere Skizze zeigte eine graue Hauskatze, die mit gekreuzten Pfoten liegt und funkelnden Blickes eine grüne Mücke verfolgt, die ihr um die Nase summst; daneben der Entwurf einer Sphinx, die aus der Waldschlucht einen Wanderer kommen sieht, den es nach Rätseln gelüstet. Dieser tragische Vorwurf war in einer Ecke der Leinwand lustig parodiert: die Sphinx, und vor ihr, klein wie die Mücke, ein grüner Polizist mit der Pickelhaube, der auf eine Tanne kletterte, um dem lächelnden Ungeheuer einen Polizeibefehl vor die Nase zu halten.

      Langsam ging Ettingen von einer Leinwand zur anderen, und inzwischen stand die Magd geduldig und still in einer Ecke und zog immer wieder den Saum der Schürze durch die Finger. Als Ettingen das letzte Bild betrachtet hatte, öffnete sie vor ihm die Tür eines Zimmers.

      »Der Frau Petri ihr Stüberl.«

      Ein bescheidener Raum mit schlichtem Gerät. Durch eine offene Tür sah man in das Nachbarstübchen, das den jungen Feriengast, das »Studenterl«, zu erwarten schien, denn auf weiß gedecktem Tisch prangten ein herrlicher Rosenstrauß und ein mandelgespickter Kuchen, von einem Kränzlein frischer Bergblumen umschlungen.

      Auch hier, in beiden Räumen, waren alle Wände mit Bildern bedeckt: tanzende Nymphen, spielende Najaden; ein Faun, der die Zotten seiner Bocksfüße kämmt und dazu ein Liedchen pfeift; ein Tritonweibchen, das in eine Fischreuse geraten ist und den Ausweg nicht mehr findet; auf weißer Marmorsäule ein Hermeskopf, dem eine Natter auf die Schulter kriecht; der von Ekel geschüttelte Gott ist festgewachsen auf dem Stein und kann nicht fliehen, er hat keine Arme, um die giftige Häßlichkeit von sich abzuwehren.

      Fast eine ganze Wand war von einem großen Gemälde bedeckt: von einem Triptychon,


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