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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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und modisch gekleideter Jünglinge hat sich auf einer Bergpartie im Walde verirrt; sie nehmen das Unglück von der heiteren Seite und trösten sich mit einem tollen Ringelreihen um die Bäume; eine übermütige Schöne mit koketten Augen ist ihrem Galan, der sie haschen wollte, davongeflattert – wollte sie ihm wirklich entfliehen? oder wollte sie ihn nur in das einsame Dunkel des Waldes locken? Plötzlich sieht sie sich allein, verirrt sich noch weiter und gerät vor eine tief in den Berg gesenkte Höhle, deren blaugrüne Dämmerung wie ein Geheimnis ihre Neugier weckt; scheu und dennoch lächelnd tritt sie ein und findet im Zwielicht der Höhle einen schlafenden Zentaur, halb bedeckt vom Geröll der Felsen, halb überwachsen von Moos und Geschling; noch redet aus ihren Zügen der erste Schreck, den sie empfunden, aber schon regt sich in ihr die Spottlust der klugen Städterin und der prickelnde Reiz, dieses nie Gesehene, dieses unglaublich und unmöglich Scheinende auf seine Wirklichkeit hin zu prüfen; sie zupft den Schlummernden am Bart; der Schläfer regt sich nicht; sie besteigt seinen Rücken und schlägt mit dem Fächer auf den Scheitel; da erwacht der Zentaur und bäumt sich; in tollen Sprüngen trägt er die entsetzte Reiterin durch den Wald und über steile Felsen, bis sie den Halt verliert und stürzt; Groll in den gefurchten Brauen und doch einen Blick des Erbarmens unter den Wimperschleiern seiner Augen betrachtet er die Zerschmetterte, während ihre schreckensbleichen Gefährten schon heraufklimmen durch den Bergwald; langsam, mit dem buschigen Schweif die Flanken peitschend, steigt der Zentaur zum Grat des Berges empor und schaut von einem schroffen Felsen ins Tal hinunter, in dessen Tiefe man die blutige Leiche hinausträgt durch den stillen Wald.

      Lange stand Ettingen vor diesem Bild, erfüllt von fragenden Gedanken. Erzählen zu wollen, und gleich eine ganze Tragödie, ob das nicht außerhalb der Grenzen lag, die der darstellenden Kunst gezogen sind? Aber er fühlte doch den Eindruck dieses Werkes, das klar und deutlich zu ihm redete. Und ist denn in aller Kunst die reine, tiefe Wirkung nicht ein Beweis? Hat sie denn einen anderen für ihren Wert? – Und wie dieses Bild wohl entstanden sein mochte? War es nur die Ausgeburt einer träumenden Künstlerphantasie? Oder eine Tat des Zornes gegen jenen irrenden »Unverstand«, der nur das Greifbare glauben will und mit Spott und Gelächter beleidigt, was seinem banalen Urteil sich nicht erschließen will auf den ersten Blick?

      »Ja, Herr«, sagte die Magd, und das kam fast wie eine Antwort auf Ettingens stumme Frage, »dö Gschicht da, dö is fein passiert! Dös hat mir der Herr Petri selm verzählt. Und solchene Roßmanner gibt's fein, ja – in Griechenland drunt! Aber gelten S', da sind S' noch net hinkommen?«

      »Doch.«

      Die blauen Augen der Magd erweiterten sich. »Und haben S' solchene Roßmanner gsehen?«

      »Nein. Aber dein Herr hat sie gesehen. Und ihm glaub ich auch, daß sie leben.«

      »Gelten S', ja? Der hat net lügen können!«

      »Der? Und lügen? Nein! Hätte er lügen können, er wäre in der Stadt geblieben und hätte gute Geschäfte gemacht.«

      »So? Meinen S'?« Die Magd studierte. Aber sie gab die Mühe, das Rätsel dieses Wortes zu lösen, gleich wieder auf. »Jetzt geben S' acht, jetzt kommt erst 's Allerschönste, ja!« Sie ging in den Flur und öffnete die Tür des Wohnzimmers. »Da herin, da haben wir die heiligen Sachen, wissen S', weil der Herr Pfarr diemal zuspricht in der Stuben.«

      Ettingen trat in einen hellen, freundlichen Wohnraum, dessen behagliches Gerät dem Gaste zu sagen schien: »Hier fühle dich wohl!« In der Herrgottsecke hing statt des Kreuzes ein Bild: auf weißem Grunde der Kopf des Erlösers, ohne Dornenkrone und Heiligenschein, ein schmales, bleiches, kummervolles Gesicht, die Wangen halb bedeckt von den schlicht fallenden Haarsträhnen, mit großen und tiefen Augen, die schmerzvoll in weite Ferne zu blicken schienen. – Ob dieser Kopf nicht eine Studie zur »Versuchung« war?

      Sonst hingen im Zimmer nur drei Bilder. Zwei kleinere, die nicht vollendet schienen: eine »Flucht nach Ägypten«, von stiller und rührender Stimmung – Maria sitzt erschöpft an einen Baum gelehnt, und während Joseph mit Anstrengung das harte Brot zerbricht, zieht das mit Schaum bedeckte Maultier grasend in den Wald; und eine »Heilige Nacht« –Maria mit dem Kindlein im Stall bei Kuh und Esel, denen ein alter Hirte das Futter vorschüttet, während die Tiere nicht an Fraß denken, sondern die Köpfe vom Barren abkehren und ihre stummen Glotzaugen auf das von Schimmer umflossene Kindlein richten.

      Ein drittes, größeres Gemälde füllte die ganze Wand zwischen dem Ofen und der Tür einer Nebenstube. Beim Anblick dieses Bildes glitt ein leiser Ausruf der Bewunderung über Ettingens Lippen. So tief ergriff ihn der Gedanke, der aus dieser Leinwand redete und mit naiver Allegorie zu ihm sagte: »Wahrhafte Liebe fühlt Erbarmen auch für die häßliche Mißform des Lebens, mildes Denken und reine Güte versöhnen sich auch mit aller Roheit der ungezügelten Natur.«

      Das Bild stellte eine von wüstem Dorngestrüpp umzogene Wiese dar, in der Blüte des Frühlings. Mitten in leuchtenden Blumen sitzt ein Knabe, das nackte, zarte Körperchen wie Silber schimmernd; aus einer Wolkenlücke des Himmels fällt ein breiter Strahl der Sonne auf ihn nieder; zwei verflochtene Dornzweige des nächsten Busches ragen in diesen Glanz und schweben wie ein schimmerndes Kränzlein über dem Scheitel des Knaben; kein anderes Zeichen sonst – nur diese krönenden Dornen sagen: das ist Jesus, welcher leiden wird um seiner Liebe willen. Und diese Liebe redet schon aus dem Blick und Lächeln dieses Kindes, das seltsame Gesellschaft fand. Aus den Dornbüschen, aus Erdlöchern und Sumpftümpeln ist eine Schar von Faunkindern hervorgekrochen, kleine, häßliche Bürschlein mit plumpen, unentwickelten Bocksfüßen und schmutzig wie Ferkel, die sich im Schlamm gewälzt. In Schreck oder Neugier starren die einen auf das holde Wunder des göttlichen Knaben, andere greifen nach Steinen und heben sie zum Wurf – nur einer sitzt von den erregten Brüdern entfernt, sucht eine Dornranke von sich abzulösen, die ihm ihre Stacheln in die Hüfte bohrte, und der Schmerz, der aus seinem verzerrten Gesichte redet, macht ihn gleichgültig gegen alles andere. Diesem Leidenden gilt der gute Blick des Knaben, während er allen anderen, die ihn fürchten oder bedrohen, herzlich die Arme öffnet: »Kommet zu mir, ich will euch lieben!«

      Keines von den anderen Bildern, die Ettingen gesehen, hatte so klar wie dieses in ihm die Frage geweckt: »Wie war es möglich, diesen Künstler zu verkennen, über ihn zu lachen?«

      Mußte der Wert, der hier aus jeder Leinwand redete, nicht jeden überzeugen? Oder hatte sich der Genius dieses Künstlers erst nach seiner Weltflucht so reich entwickelt, aus der Bitterkeit seines Schicksals heraus, in der stillen Ruhe, die er in diesem Winkel der Berge gefunden, im Schweigen des Waldes? Hatte er in früheren Jahren denen, die ihn verlachten, nichts anderes zu bieten vermocht als die Form ohne den Kern, ohne die Gedankenfülle, die alle Wunderlichkeiten seiner Technik übersehen ließ? Denn bei aller Wirkung, die Ettingen fühlte, mußte er zugestehen, daß diese Bilder für den ersten Blick etwas Befremdendes hatten, etwas kindlich Unbeholfenes, das mit dem dargestellten großen Gedanken sich oft in einem Widerspruch befand, über den man wohl den Kopf schütteln konnte. Es war an allen Bildern etwas Flaches und Unkörperliches, es fehlte die Tiefe in der Luft, jedes Detail war gleichwertig neben das andere gesetzt, als hätte es der Künstler nicht übers Herz gebracht, das Nebensächliche zum Vorteil des Wichtigeren zu verkleinern und abzutönen. Auch lag ein bläulichgrüner Hauch wie zarter Schleier über allen Farben, auch über dem hellsten Licht – wie über einem Spiegelbild in grünem Wasser –, und das gab den Bildern etwas Naives, Vergilbtes und Altertümliches. Wollte das der Künstler so? Oder konnte er nicht anders? Hatte er Augen, die anders organisiert waren, als es sonst die Augen der Menschen sind? Oder sah er richtig – er verstand und kannte doch die Natur wie keiner – und ging mit dem Geschauten, bevor es durch seine Seele den Weg auf die Leinwand fand, diese seltsame Wandlung vor sich, beider alles Häßliche sich verschönte und alles Wirkliche die Form des Niegewesenen und des Erträumten gewann?

      Aber wie man über diese äußerliche Seltsamkeit auch denken mochte – der gute, reine, tief empfindende Mensch, den man aus der wunderlichen Sprache dieser Linien und Farben reden hörte, war denn nicht der die Hauptsache? Die klare Schönheit seiner Gedanken, die Wärme seines Herzens, dieses Träumen und Lächeln, dieses Stille und Schlichte, dieses rührend Kindliche? Mußte das nicht jeden überzeugen, gewinnen und bezwingen? Oder gehörte die rechte, stille Stunde dazu, um solche


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