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Schilderungen des Treibens im Leben und Handel in den Vereinigten Staaten und Havana. Julius RiesЧитать онлайн книгу.

Schilderungen des Treibens im Leben und Handel in den Vereinigten Staaten und Havana - Julius Ries


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hatte, war dort eingeschlafen; denn die portweinkranke Mutter desselben bat mich, ihr Söhnchen herabzutragen, da sie selbst nicht dazu im Stande sei. Nun sind aber diese Cajüten-Treppen äußerst steil, und schon im trockenen Zustande zum Herabsteigen gefährlich; jetzt war sie durch den Nebel noch schlüpfriger geworden; mit Einem Worte, ich stürzte trotz aller Vorsicht die Treppe hinunter, wendete mich aber im Fallen so, daß der Knabe keinen Schaden litt, ich selbst hatte eine Rippe gebrochen. —

      Der Dr. Morgan wollte mich mit einem Glas heißen Brandy und Water kuriren, welches ich nicht annahm; ich ersuchte ihn öfters und dringend, mir zur Ader zu lassen, welches er seinerseits abschlug. Man denke sich meinen Zustand! Der Steward hatte, um einem Anderen gefällig zu sein, mein Kopfkissen, und eine meiner Matratzen jenem überliefert und ich mußte nun, einem Sträfling gleich, auf Latten liegen, was der gebrochenen Rippe nicht besonders behagte. Die Schmerzen wurden immer heftiger; — der schmutzige Schottländer schlief ruhig unter mir auf seinem guten Bette. Erst beim Frühstück kam meine Lage zur Sprache; der Arzt überzeugte sich jetzt von meinem bedenklichen Zustande, er berathschlagte mit den Andern, und es wurde beschlossen, daß der Diener des Zucker-Fabrikanten sein Zimmer, das er für sich allein hatte, für mich räumen, und dafür mein Bett nehmen sollte — welcher Beschluß dann am Abend endlich durchgesetzt wurde.

      Liegen konnte und durfte ich nicht, es wurden daher alle Reisebeutel zu einer — freilich harten — Rückenlehne angewendet, an welche ich, da das Schiff auf längere Zeit auf eine ungestüme Weise von den Wellen geworfen wurde, fortdauernd sehr aufrecht anstieß. Mein Zustand wurde immer schlimmer; Fieber, Kopfweh, und Husten, mit dem stärksten Auswurf begleitet, nahmen stündlich zu. Die sonderbarste Theilnahme hierbei zeigte der Mützenhändler, um Abbitte zu thun, wegen einer ungerechten Behauptung, er wolle das Wissen und Vermögen aller Deutschen in den zwei Taschen seiner Pantalons forttragen; er verlangte, daß ich ihm die Hand reiche und zugleich verspreche, ich wolle keinen Haß gegen ihn mit ins Grab nehmen — was ich denn auch that und ihn beruhigte. — Der kleine Knabe saß fast immer bei mir, und erkundigte sich stets nach meinem Befinden. — Das Krankenlager ist freilich unter allen Umständen eine — unangenehme Gegend, wie der Berliner Trinkkünstler, Herr Drucker, sagt; doppelt und zehnfach wird es dies, wenn der Schlaf, der doch sonst von Zeit zu Zeit die Schmerzen etwas weniger fühlbar macht, durch Sing- und Musik-Proben ganz verscheucht wird, wie es hier der Fall war, so daß ich mich keine Viertelstunde der Ruhe erfreuen durfte.

      Am neunten Tage trat für meine Krankheit eine glückliche Krisis durch einen heftigen Schweiß ein. Am folgenden Tage kamen wir bei New-York an; ein Dampfschiff hörte ich, soll von der Stadt kommen, um die Passagiere abzuholen. Welch einen erfreulichen Eindruck dies auf mich machte, vermag ich nicht zu beschreiben. Ich hörte das Hinauf- und auch Hinabsteigen der Passagiere (indem die Treppe über meinem Lager sich befand) sehr deutlich, und jetzt auf einmal einen Fall und allgemeines Wehklagen. Mit großer Mühe erhob ich mich von meinem Lager, und siehe da! der jüngste Sohn des Schauspiel-Directors war es, dem ein ähnliches Schicksal, wie mich, getroffen zu haben schien. Der Vater raufte sich die Haare, die Frauen wurden ohnmächtig; der Gefallene indessen trank aufs zierlichste ein Glas Brandy mit Wasser aus. Unterdessen war das Dampfschiff herangekommen und bald — waren die Meisten fort. Der Knabe befand sich noch an demselben Abend wieder gesund.

      Das Schiff Quebeck wurde nach der Abfahrt des Capitains wie gewöhnlich von Lootsen geführt und zwar glücklicher Weise mit großer Vorsicht; fast alle anderen Schiffe wurden in jener Nacht entmastet, und gegen 30 große Schiffe fanden wir am folgenden Morgen auf den Strand getrieben. Der Capitain, der um Mittag mit einem Steuer-Beamten zur Revision unserer Effecten auf einem Dampfschiffe ankam, erzählte, daß er die letzte Nacht in den größten Sorgen, fast schlaflos zugebracht habe. Ehe wir nach New-York abfahren, muß ich noch die Revision durch den Quarantaine-Arzt erwähnen, die auf folgende Weise geschieht. Sämmtliche Personen auf einem Haufen versammelt, werden mit einer Barriere von Tauen umgeben; einzeln werden sie jetzt von dem Doctor und seinem Gehülfen aus dem Haufen gelassen, der Arzt sieht jeden genau an, und im Fall, daß Jemand den Kopf hängen läßt, wird kommandirt: Kopf in die Höhe! Und eben so muß Jeder die Stirn beim Gehülfen passiren. Die Quarantaine-Anstalt ist in den V. S. ganz vortrefflich, aber freilich für das Land von großer Bedeutung. Der Steuerbeamte revidirte alle Gegenstände mit großer Loyalität und fand nichts Verdächtiges, als einige blecherne Kochgeschirre bei dem schmutzigen Schottländer, worüber man sich jedoch verständigte.

       Inhaltsverzeichnis

      Das Wetter war herrlich, so schön, wie es in Deutschland nur im Monat Juni sein mag. Nach Verlauf von etwa einer Stunde langten wir in New-York an. Hier findet man nicht wie in England, oder Hamburg am Ufer eine Menge dienstbarer Geister zum Fortschaffen der Sachen. Zwar standen mehrere einspännige Karren am Ufer des Stroms, aber Niemand meldete sich; keiner von diesen freien Menschen will sich gern zum Diener hergeben, sie wollen besonders aufgefordert sein zu einer Dienstleistung.

      Auf Anrathen einer der Frauen der Schiffs-Capitaine kehrte ich in Beverley-House (broadway) ein; ein Zimmer konnte mir vorläufig nicht angewiesen werden, weil alle besetzt waren. Das Erste, was mir auffiel, war das Signal zum Mittagsessen, welches auf einer rauhen Metall-Platte mit einem solchen Getöse gegeben wurde, daß alle meine Nerven erzitterten. Bald war auch denn auf dem Hausflur ein Publicum versammelt, welches man für eine Börsenversammlung hätte ansehen können. Die Speise-Charte war brillant, obgleich nicht für mich, denn etwas Suppe war Alles, was ich genießen konnte, wofür jedoch der Wirth 1½ Piaster einstrich. (Ein Piaster beträgt in unserm Gelde 43 Silbergroschen.) Sogleich nach Tische suchte ich meinen Correspondenten Herrn P... auf, der bereits ein Zimmer für mich gemiethet hatte, und der auch so gefällig war, mir bald einen Arzt zuzuschicken. Dieser Arzt, ein Deutscher, ein theilnehmender junger Mann, fand mich, was ich freilich selbst am besten fühlte, ernsthaft krank. Ein Aderlaß gleich nach dem Fall, behauptete er, würde von den meisten Leiden mich befreit haben. Jetzt aber nahm Husten und Auswurf mit jedem Tage zu, so daß ich die Gestalt einer Mumie bekam, und mit jedem Tage meinem Grabe näher zu rücken schien. Ich gebrauchte Medicamente auf Medicamente, ohne sonderliche Besserung. Ein sehr warmes Bad, welches ich eines Tages auf mein eigenes Risico nahm, that mir wesentliche Dienste, ich wurde durch fortgesetztes Baden mit jedem Tage besser, konnte jedoch den Husten nicht los werden. „Sie müssen das Klima verändern“ sagte zuletzt der Arzt zu mir, „sonst fürchte ich das Schlimmste für Sie; in Havana, das glauben Sie mir, werden Sie bald von Ihrem Uebel befreit sein.“ Gern hätte ich seinen Rath sogleich befolgt, allein das Wetter und andere zufällige Umstände verzögerten die Abreise. Mit regem Geist sah ich meine gewohnte Thätigkeit gefesselt, indessen war mir mein einsames Zimmer doch tausend Mal lieber, als die Schiffs-Cajüte auf dem Quebeck, wo ich zudem beständig die Lobpreisungen der Engländer von Engländern anhören mußte. Ich hatte jetzt Zeit, meine Betrachtungen über diesen Gegenstand zusammenzufassen, und das Resultat war folgendes:

      Die Engländer sind das reichste Volk — an Eigendünkel sowohl, wie an Geld; sie halten sich wegen des letztern für das klügste, vornehmste, erste Volk auf dem Erdball. Es ist wahr, sie sind im Technischen am weitesten, aber warum? weil Frankreich und Deutschland, mit andern Dingen beschäftigt, sich wenig um die praktische Technik bekümmert haben. Lasset diese, wie es jetzt geschieht, auch allmählig hieran Theil nehmen, und wir wollen sehen, wie lange sie die ersten bleiben. Die von Napoleon den Engländern beigebrachte Wunde ist nach meiner Ueberzeugung unheilbar. Wie sehr sie auch prahlen, so büßen sie doch jeden Tag mehr von ihrem Handel ein; ihr Gewicht in der politischen, so wie in der Fabrikwelt, wird immer geringer, und wird, wenn wir 30 - 40 Jahre Frieden behalten, immer mehr sinken, indem Preußen, vermöge Dinte, Feder und Papier zerstörender für das englische Volk gewirkt hat, als Napoleon mit allem Geschütz zu wirken vermochte. Großbrittanien, und alle englischen Colonieen zusammengenommen erfreuen sich einer nicht viel geringern Bevölkerung als die des großen russischen Reichs; dieses bestehet aber durch sich selbst, in Hinsicht auf Ackerbau, Fabrikation, und Handel; England aber will für sämmtliche Bewohner der Welt (wovon dessen eigene Bevölkerung noch nicht den 1⁄50 Theil ausmacht) fabriciren und Handel treiben, obgleich die andern Völker dazu doch


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