G.F. Barner Staffel 5 – Western. G.F. BarnerЧитать онлайн книгу.
antwortete Powell grimmig. »Alle, keins fehlt – alle elf Pferde in den Boxen, Lorenzo. Niemand ist im Haus, nur ein paar Rinder auf der Weide und vier Pferde im Corral, verstehst du das?«
»No«, gab der Mischling zurück. »Soll ich zuschließen, Boß?«
Powell nickte knapp, dann lehnte er sich gegen die Stallwand, während Lorenzo mit dem steifen Weidedraht, den er sich zurechtgebogen hatte, das einfache Türschloß zuschnappen ließ.
»Laß uns noch mal nachdenken«, murmelte Powell leise. »Die beiden Burschen trieben zuerst im Truckee River, dann verließen sie ihn – immer noch in Richtung Westen reitend. Erst am Feather River bogen sie nach Süden ab.«
»Boß, ich hätte sie immer weiter im Westen gesucht«, erwiderte Lorenzo. »Sie hätten noch tagelang im Wasser reiten können. Wie kamst du auf die Idee, daß sie nach Süden abgebogen sind?«
»Ist doch einfach«, murmelte Powell. »Am Feather River sind weiter westlich Stromschnellen, sie hätten also an Land gemußt. Ich sage dir, die Halunken stammen irgendwo aus dieser Gegend. Aber was wollten sie hier? Sie schlugen ein Fenster ein, fanden im Haus den Stallschlüssel, doch keinen Menschen. Dann schliefen sie sich aus, standen erst nach Mittag auf, rasierten sich und ritten los. Sie können nur nach Sierraville geritten sein. Lorenzo, hier leben zwei Männer, beide sind so alt, daß sie nicht in Frage kommen, die beiden Pferdediebe und Mörder sind jung.«
Lorenzo wackelte mit dem Kopf und seufzte.
»Was du alles aus Bartstoppeln siehst, die sich jemand abgeschabt hat, Boß«, knurrte er. »Auf die Idee, mir hinter dem Haus unter dem Küchenfenster jene Stelle anzusehen, an der man das Rasierwasser ausgekippt hat, wäre ich verdammt nicht gekommen. Bueno, Boß, also zwei alte Männer leben hier, aber nicht immer. Sie bringen Pferde und Rinder her, schlafen mal eine Nacht hier, aber wohnen in Sierraville, meinst du. Von den beiden Mördern ist einer blond, der andere dunkelhaarig. Sie ließen ihr Rasierwasser einfach stehen. Alles in Ordnung, Boß. Warum reiten wir nicht nach Sierraville?«
Powell nahm den Hut ab. Er war so müde, daß schon der Druck des Schweißleders ausreichte, um ihn am Denken zu hindern. Er hatte das Gefühl, einen Eisenreifen um den Schädel zu tragen.
»Verdammt, weil die beiden alten Männer nicht hier waren«, schnaufte er dann. »Der eine Mann hat im Haus geschlafen, im Schlafzimmer, der andere aber in der kleinen Kammer neben der Küche. Lorenzo, mach mich nicht verrückt, ich bin zu müde, um noch klar denken zu können. Schau mich nicht so verständnislos an, Mensch.
Also, dem einen älteren Mann gehört diese Ranch. Er und der andere sind in Sierraville. Sie haben jetzt Besuch bekommen. Der eine Mann erfährt, daß ihm zwei Halunken gestohlene Pferde in den Stall gestellt haben. Was macht er?«
»Verdammt, Boß«, ächzte Lorenzo. »Er wird kommen und sich die Pferde ansehen wollen.«
Lorenzo sperrte die müden rotgeränderten Augen auf und schlug sich die flache Hand vor die Stirn.
»Siehst du?« Powell grinste, »dasselbe ist mir auch gerade eingefallen. Nach Sierraville sind es etwa dreieinhalb Stunden zu Pferd. Vor acht Stunden sind die beiden Schurken hier verschwunden. Was denkst du jetzt?«
»Diablo«, keuchte Lorenzo erschrocken, »dann können sie gleich hier sein. Und das sagst du so ruhig, Boß. Wir müssen weg, wir müssen…«
»Yeah«, sagte Powell scharf. »Los, auf das Anbaudach des Stalles mit dir, Lorenzo. Da oben sieht dich niemand, wenn du dich flach hinlegst. Unter dem Dach steht ein Wagen, ich verkrieche mich im Kasten. Der Haltebalken ist genau unter dem Dach, also sind wir beide keine vier Schritte von dem Burschen entfernt, der seinen Gaul an den Balken binden will, was?«
Powell trat unter die Dachkante, verschränkte die Hände und half Lorenzo hinauf. Dann sauste er zum Wagen. Er verschwand im Kasten, während Lorenzo in der prallen Sonne lag und verstört flüsterte: »Das hat er alles von Old Jesse, seinem Vater. Der war auch so schlau, verdammt, ja. Er sagt nichts, und dabei können sie schon hier sein.
Dios, wenn sie durch den Wald kommen und finden unsere Pferde am Flußarm, was dann? Na gut, sollen sie kommen, ich werde sie mit der Schrotflinte erschießen. Diablo, was ist das? Boß, hörst du?«
»Yeah«, kam Powells Antwort von unten. »Hört sich an wie Hufschlag, was? Sieht aus, als wären wir gerade rechtzeitig verschwunden.«
Der Hufschlag wurde lauter.
Powell hörte, wie ein Pferd im vollen Galopp auf den Hof sprengte. Der Reiter trieb es bis an den Balken, stieg ab und fluchte leise.
Im nächsten Moment stemmte sich Powell hoch, stieß sich ab und hechtete mit einem wilden Satz über das vordere Kastenbrett.
»Lorenzo, los!«
Der kurze, scharfe Ruf Powells ließ den Mann neben dem Pferd mit einem schrillen Schrei herumfahren. Powell sah, daß der Mann hinter dem Sattel verschwand. Dann bewegten sich die Beine des Mannes. Wer immer es war, er sprang hinter dem Pferd nach vorn, tauchte tief weg, war schon am Hals des Pferdes und hielt den Colt bereits in der Faust.
Er mußte die Waffe gezogen haben, als er auf den Hof jagte.
Powell sah kaum das Blinken der Waffe, als er sich aus vollem Sprung gegen die Flanke des Pferdes warf. Schrill wiehernd stampfte das braune Pferd herum. Powell stieß sich noch einmal ab, sah aber aus den Augenwinkeln, wie Lorenzo nun vom Dach sprang.
Ehe der Mann um sein Pferd und am Balken vorbeistürzen konnte, sprang ihm Lorenzo auf den Rücken. Der Mann schrie noch einmal, während er unter dem Gewicht des bulligen Zureiters zusammenbrach. Sein Revolver brüllte auf. Die Kugel jagte in den Sand.
»Paß auf!« warnte Powell scharf. »Lorenzo, sein Colt!«
In dieser Sekunde kam der Schmerzensschrei vom Boden. Lorenzo, auf dem Rücken des Mannes wie auf einer alten Schildkröte hockend, knallte seine Schrotflinte über die Hand, die den Colt hielt. Der Revolver flog davon. Powell fegte heran und stieß ihn mit dem Fuß zur Seite.
»Das war es!« sagte er eisig. »Hoch mit ihm, Lorenzo!«
Der Zureiter sprang auf. Seine schwielige Faust packte zu. Und dann riß er den Mann mit einem wilden Ruck auf die Knie. Ein Stoß brachte Lorenzos Opfer herum.
»Gordley!« fauchte Powell. »Gordley, alle Teufel!«
Vor Powell kauerte Sam Gordley am Boden. Er starrte Powell aus entsetzt aufgerissenen Augen im kreidebleichen Gesicht an.
»Gordley, ich bin das, mein Freund«, sagte Powell nach dem ersten Schreck, der ihn beim Anblick dieses älteren grauhaarigen Mannes gepackt hatte: »So weit also ist es mit dir gekommen, Mann? Nichts gegen jemanden, der ab und zu einen zuviel trinkt, aber der Teufel soll dich holen! Was machen meine Pferde in deinem Stall?«
Gordley schwankte hin und her, stützte dann die Hände auf den Boden und keuchte.
Powell betrachtete diesen Mann, der einmal in Truckee eine Viehhandlung besessen hatte, voller Bestürzung. Als Powells Vater vor Jahren mit der Pferdezucht begonnen hatte, war Gordley einer seiner ersten Kunden gewesen. Gordley war ein gutmütiger Mann, der nur einen Fehler besaß: Er trank zuviel.
Es mußte sechs Jahre her sein, daß Gordley seine Viehhandlung in Truckee verkauft hatte. Und seitdem hatte Powell nichts mehr von ihm gehört.
»Ich habe ihn nicht gleich erkannt«, schnaufte Lorenzo. Er schien genauso verstört zu sein wie Powell. »Boß, er ist mächtig alt geworden. Gordley, warum hast du das gemacht?«
Gordleys Arme hielten den Körper nicht mehr. Der Mann fiel auf die Brust und begann zu stöhnen wie ein Tier.
»Setz ihn auf, Lorenzo.«
Der Zureiter lehnte Gordley an die Wand, doch der Mann sah sie nicht an. Er keuchte, seine Hände zitterten, und dann schrie er voller Angst: »Powell, nicht schießen! Oh, mein Gott, das habe ich nicht gewußt! Powell, ich schwöre dir, ich wußte nicht, daß es deine Pferde waren. Sie sagten…«
»Was