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Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke von Nikolai Gogol - Nikolai Gogol


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können sie aber nicht aufheben!« schrie die ganze Schar plötzlich, indem sie sich bemühte, die Säcke von der Stelle zu rücken.

      »Wartet einmal«, sagte Oksana, »wir wollen einen Schlitten holen und sie auf dem Schlitten zu mir schleppen.«

      Und die ganze Schar machte sich auf, um einen Schlitten zu holen.

      Den Gefangenen wurde es indessen recht langweilig, in den Säcken zu sitzen, obwohl der Küster in den seinigen mit dem Finger ein recht großes Loch gebohrt hatte. Wenn keine Leute dabei gewesen wären, so hätte er vielleicht ein Mittel gefunden, sich aus dem Sacke zu befreien; aber aus dem Sacke in Gegenwart aller herauszukriechen und sich lächerlich zu machen … das hielt ihn zurück; er entschloß sich, zu warten, und ächzte nur leise unter den unhöflichen Stiefeln Tschubs. Tschub selbst dürstete nicht weniger nach Freiheit, da er unter sich etwas liegen fühlte, worauf es furchtbar unbequem zu sitzen war. Als er aber den Entschluß seiner Tochter hörte, beruhigte er sich und wollte nicht mehr herauskriechen, da er sich sagte, daß er bis zu seinem Hause noch mindestens hundert Schritte und vielleicht auch zweihundert zu gehen hätte; wäre er aber jetzt herausgekrochen, so müßte er sich erst schütteln, den Pelz zuknöpfen und den Gürtel zuziehen – welche Arbeit! Außerdem war auch seine Mütze bei Ssolocha geblieben. Sollten ihn schon lieber die Mädchen mit dem Schlitten nach Hause fahren.

      Es kam aber ganz anders, als Tschub erwartet hatte. Während die Mädchen nach dem Schlitten liefen, kam der hagere Gevatter verstört und schlechter Laune aus der Schenke. Die Schenkwirtin hatte sich nicht entschließen wollen, ihm etwas auf Pump zu geben. Er wollte schon in der Schenke warten, ob nicht ein frommer Edelmann kommen und ihn freihalten würde; aber alle Edelleute waren wie zum Trotz zu Hause geblieben und aßen als ehrliche Christen ihre Kutja im Familienkreise. Indem der Gevatter nun über die allgemeine Sittenverderbnis und das hölzerne Herz der Jüdin, die den Schnaps ausschenkte, nachdachte, stieß er auf die Säcke und blieb erstaunt stehen. »Schau, was für Säcke jemand auf der Straße liegengelassen hat«, sagte er, sich nach allen Seiten umsehend. »Es ist wohl auch Schweinefleisch drin. Wer war so glücklich, eine solche Menge von Sachen für seinen Gesang zu bekommen!? Was für Riesensäcke! Wenn ich annehme, daß sie bloß mit Buchweizenbroten und Weizenfladen gefüllt sind, so wäre das schon gut; und selbst einfaches Brot wäre gar nicht übel: die Jüdin gibt für jedes Brot ein Achtel Schnaps. Ich will sie schnell wegschleppen, daß es nur niemand sieht.«

      Mit diesen Worten lud er sich den Sack mit Tschub und dem Küster auf den Buckel, fühlte aber, daß er zu schwer war.

      »Nein, allein kann ich ihn nicht tragen«, sagte er. »Da kommt aber wie gerufen der Weber Schapowalenko. Guten Abend, Ostap!«

      »Guten Abend«, sagte der Weber und blieb stehen.

      »Wohin gehst du?«

      »Ich gehe bloß, wohin mich die Füße tragen.«

      »Hilf mir mal, guter Mann, die Säcke tragen! Jemand hat sie mit den Gaben, die er für sein Singen bekam, auf der Straße liegengelassen. Das Gut wollen wir unter uns teilen.«

      »Säcke? Was ist in den Säcken: Weißbrot oder Schwarzbrot?«

      »Ich glaube, es ist von allem da.«

      Sie rissen schnell zwei Stangen aus dem Zaun, legten einen Sack darauf und trugen ihn auf den Schultern fort.

      »Wohin tragen wir ihn? In die Schenke?« fragte der Weber unterwegs.

      »Ich habe es mir auch gedacht, ihn in die Schenke zu tragen, aber die verdammte Jüdin wird’s ja nicht glauben, sie wird sich denken, daß wir ihn irgendwo gestohlen haben; außerdem komme ich ja eben aus der Schenke. Wir wollen ihn in mein Haus tragen. Dort wird uns niemand stören: mein Weib ist nicht daheim.«

      »Ist sie wirklich nicht daheim?« fragte der vorsichtige Weber.

      »Ich bin ja, Gott sei Dank, noch nicht ganz verrückt«, antwortete der Gevatter. »Auch der Teufel würde mich nicht dorthin bringen, wo sie jetzt ist. Ich glaube, sie wird sich mit den Weibern bis morgen früh herumtreiben.«

      »Wer ist da?« rief die Frau des Gevatters, als sie den Lärm im Flur hörte, den die beiden Freunde mit ihrem Sack machten, und öffnete die Tür.

      Der Gevatter erstarrte.

      »Da haben wir es!« sagte der Weber und ließ die Hände sinken.

      Die Frau des Gevatters war ein Juwel, wie man es nicht oft auf der Welt findet. Ebenso wie ihr Mann, war sie fast niemals zu Hause und trieb sich fast den ganzen Tag bei allerhand Basen und reichen alten Weibern herum, denen sie schmeichelte und bei denen sie mit großem Appetit aß; mit ihrem Mann prügelte sie sich nur am frühen Morgen, da sie ihn nur um diese Zeit manchmal zu sehen bekam. Ihr Haus war doppelt so alt als die Pluderhose des Gemeindeschreibers. Das Dach war an manchen Stellen ganz von Stroh entblößt. Vom Zaune waren nur noch Überreste zu sehen, weil kein Mensch, der sein Haus verließ, einen Stock zur Abwehr der Hunde mitzunehmen pflegte, in der Hoffnung, am Gemüsegarten des Gevatters vorbeizugehen und eine beliebige Stange aus dem Zaune herausreißen zu können. Der Ofen wurde oft drei Tage nicht geheizt. Alles, was die zärtliche Gattin bei den guten Leuten erbettelte, pflegte sie möglichst gut vor ihrem Mann zu verbergen und nahm ihm auch oft seine Beute ab, wenn er noch nicht Zeit gehabt hatte, sie in der Schenke zu vertrinken. Der Gevatter gab ihr trotz seiner ständigen Gleichgültigkeit nicht gern nach und verließ daher das Haus fast immer mit einigen Beulen unter den Augen, während seine bessere Hälfte sich ächzend zu ihren alten Weibern begab, um über die Rauflust ihres Mannes und die Mißhandlungen, die sie erlitten, zu berichten.

      Man kann sich nun leicht vorstellen, wie verblüfft der Weber und der Gevatter durch ihr unerwartetes Auftreten waren. Sie ließen den Sack auf den Boden nieder, stellten sich vor ihn hin und deckten ihn mit ihren Rockschößen zu; aber es war schon zu spät, die Frau des Gevatters konnte mit ihren alten Augen zwar nur schlecht sehen, bemerkte aber den Sack doch. »Das ist schön!« sagte sie mit einer Miene, in der etwas wie die Freude eines Habichts lag. »Das ist schön, daß ihr euch so viel zusammengesungen habt! So machen es die guten Leute immer; aber ich glaube, ihr habt es irgendwo stibitzt. Zeigt mir sofort, hört ihr, zeigt mir sofort euren Sack!«

      »Der kahle Teufel wird dir was zeigen, aber nicht wir«, sagte der Gevatter und nahm eine stolze Haltung an.

      »Was geht es dich an?« sagte der Weber. »Wir haben es zusammengesungen, und nicht du.«

      »Nein, du wirst es mir zeigen, du nichtsnutziger Trunkenbold!« schrie das Weib, indem sie dem langen Gevatter einen Schlag unters Kinn versetzte und sich an den Sack heranmachte.

      Aber der Gevatter und der Weber verteidigten den Sack tapfer und zwangen sie zum Rückzug. Sie hatten aber kaum Zeit, sich zu besinnen, als die Gevatterin mit dem Schürhaken in der Hand in den Flur herauslief. Sie schlug ihrem Mann mit dem Schürhaken flink auf die Hände, dem Weber auf den Rücken und stand schon neben dem Sack.

      »Warum haben wir sie herangelassen?« sagte der Weber, als er wieder zu sich gekommen war.

      »Ja, warum haben wir sie herangelassen? Sag, warum hast du sie herangelassen?« fragte der Gevatter kaltblütig.

      »Euer Schürhaken ist wohl aus Eisen!« sagte der Weber nach kurzem Schweigen, sich den Rücken kratzend. »Meine Frau hat im vorigen Jahr auf dem Jahrmarkte einen Schürhaken gekauft, hat einen Viertelrubel dafür bezahlt: der ist nicht so übel … tut gar nicht weh …«

      Die triumphierende Hausfrau stellte indessen das Talglämpchen auf den Boden, band den Sack auf und blickte hinein. Aber ihre alten Augen, mit denen sie den Sack so gut erspäht hatte, täuschten sie diesmal. »He, da liegt ja ein ganzer Eber!« rief sie, vor Freude in die Hände klatschend.

      »Ein Eber! Hörst du: ein ganzer Eber!« sprach der Weber und stieß den Gevatter in die Seite. »Du allein bist schuld!« »Was ist da zu machen!« sagte der Gevatter achselzuckend.

      »Was da zu machen ist? Warum stehen wir so da? Nehmen wir ihr den Sack weg! Pack an!«

      »Geh weg, geh weg! Der Eber gehört uns!«


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