Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур ШницлерЧитать онлайн книгу.
...
Anatol. Vom heutigen Abend will ich was wissen –
Annie. Na ... was denn – (Ihr Kopf sinkt herab.)
Max. Sie schläft ja ein –
Anatol. Weck sie auf! – Stelle den Wein aus ihrer Nähe! ... Ich muß wissen, was es heute abend gegeben hat – Annie – Annie!
Annie. Heut abend ... hat er mir g'sagt – daß er – mich – gern – hat!
Anatol. Und du –
Annie. Ich hab g'sagt – daß es mich freut – und weil ich ihn nicht betrügen will – so sag ich dir: Adieu –
Anatol. Weil du ihn nicht betrügen willst!! – Also nicht meinetwegen –? ... Seinetwegen!?
Annie. Na, was denn! – Dich hab ich ja nimmer gern!
Anatol. Na, gut! – Glücklicherweise geniert mich das alles nicht mehr ...!
Annie. So!?
Anatol. Auch ich bin in der angenehmen Lage – auf deine fernere Liebenswürdigkeit verzichten zu können!
Annie. So ... so!
Anatol. Ja... ja! – Schon längst liebe ich dich nicht mehr! ... Ich liebe eine andere!
Annie. Haha ... haha ...
Anatol. Längst nicht mehr! – Frag nur den Max! – Bevor du gekommen bist – hab ich's ihm erzählt!
Annie. ... So ... so ...
Anatol. Längst nicht mehr! ... Und diese andere ist tausendmal besser und schöner ...
Annie. So ... so ...
Anatol. ... Das ist ein Mädel, für das ich tausend Weiber wie dich mit Vergnügen hergebe – verstehst du –?
Annie (lacht). ...
Anatol. Lache nicht! – Frage den Max –
Annie. Es ist doch zu komisch! – Mir das jetzt einreden zu wollen –
Anatol. Es ist wahr, sag ich dir – ich schwöre dir, daß es wahr ist! – Längst hab ich dich nicht mehr lieb! ... Ich hab nicht einmal an dich gedacht, während ich mit dir zusammen war – und wenn ich dich geküßt habe, so meinte ich die andere! – Die andere! – Die andere! –
Annie. Na – so sind wir quitt!
Aantol. So! – Du glaubst?
Annie. Ja – quitt! Das ist ja ganz schön!
Anatol. So? – Quitt sind wir nicht – o nein – durchaus nicht! – Das ist nämlich nicht ein und dasselbe ... was du erlebt hast ... und ich! ... Meine Geschichte ist etwas weniger – unschuldig ...
Annie. ... Wie? – (Ernster werdend.)
Anatol. Ja ... meine Geschichte hört sich ein wenig anders an –
Annie. Wieso ist deine Geschichte anders –?
Anatol. Nun – ich – ich habe dich betrogen –
Annie (steht auf). Wie? – Wie?!
Anatol. Betrogen hab ich dich – wie du's verdienst – Tag für Tag – Nacht für Nacht – Ich kam von ihr, wenn ich dich traf – und ging zu ihr, wenn ich dich verließ –
Annie. ... Infam ... Das ist ... infam!! (Geht zum Kleiderständer, wirft Regenmantel und Boa um.) –
Anatol. Man kann sich bei Euresgleichen nicht genug eilen – sonst kommt ihr einem zuvor! ... Na, zum Glück hab ich keine Illusionen ...
Annie. Da sieht man es wieder! – Ja!!
Anatol. Ja ... sieht man es, nicht wahr? Jetzt sieht man es!
Annie. Daß so ein Mann hundertmal rücksichtsloser ist als ein Frauenzimmer –
Anatol. Ja, man sieht's! – So rücksichtslos war ich ... ja!
Annie (hat nun die Boa um den Hals geschlungen und nimmt Hut und Handschuhe in die Hand, stellt sich vor Anatol hin). – Ja ... rücksichtslos! – Das ... hab ich dir doch nicht gesagt! (Will gehen.)
Anatol. Wie?! (Ihr nach.)
Max. So laß sie! – Du wirst sie doch nicht am Ende aufhalten! –
Anatol. »Das«! – hast du mir nicht gesagt? – Was!? – Daß du ... Daß du ... daß –
Annie (bei der Türe). Nie hätte ich es dir gesagt ... nie! ... So rücksichtslos kann nur ein Mann sein –
Kellner (kommt mit einer Creme). – Oh –
Anatol. Gehn Sie zum Teufel mit Ihrer Creme!
Annie. ... Wie!? Vanillecreme!! ... So! –
Anatol. Du wagst es noch! –
Max. Laß sie doch! – Sie muß ja von der Creme Abschied nehmen – für ewig –!
Annie. Ja ... mit Freuden! – Vom Bordeaux, vom Champagner – von den Austern – und ganz besonders von dir, Anatol –! (Plötzlich, von der Türe weg, mit einem ordinären Lächeln, geht sie zur Zigarettenschachtel, die auf dem Trumeau steht, und stopft sich eine Handvoll Zigaretten in die Tasche.) Nicht für mich! – Die bring ich ihm! (Ab.)
Anatol (ihr nach, bleibt bei der Türe stehen). ...
Max (ruhig). Na ... siehst du ... es ist ganz leicht gegangen! ...
(Vorhang.)
Agonie
Anatol. Max. Else.
Anatols Zimmer. Beginn der Abenddämmerung. Das Zimmer ist eine Weile leer, dann treten Anatol und Max ein.
Max. So ... nun bin ich richtig noch mit dir da heraufgegangen!
Anatol. Bleib noch ein wenig.
Max. Ich denke doch, daß ich dich störe?
Anatol. Ich bitte dich, bleibe! Ich habe gar keine Lust, allein zu sein – und wer weiß, ob sie überhaupt kommt!
Max. Ah!
Anatol. Siebenmal unter zehn warte ich vergebens!
Max. Das hielte ich nicht aus!
Anatol. Und manchmal muß man die Ausreden glauben – ach, sie sind sogar wahr.
Max. Alle siebenmal?
Anatol. Was weiß ich denn! ... Ich sage dir, es gibt nichts Entsetzlicheres, als der Liebhaber einer verheirateten Frau zu sein!
Max. O doch ... ihr Gatte wär' ich zum Beispiel weniger gern!
Anatol. Nun dauert das schon – wie lange nur –? – Zwei Jahre – ach was! - mehr! – Im Fasching waren es schon so viel – und das ist nun der dritte »Frühling unserer Liebe« ...
Max. Was hast du denn!
Anatol (hat sich noch mit Überzieher und Stock in einen Fauteuil geworfen, der am Fenster steht). – Ach, ich bin müde – ich bin nervös, ich weiß nicht, was ich will ...
Max. Reise ab!
Anatol. Warum?
Max. Um das Ende abzukürzen!
Anatol. Was heißt das – das Ende!?
Max. Ich habe dich schon manchmal so gesehen – das letzte Mal, weiß du noch, wie du dich so lange nicht entschließen konntest, einem gewissen dummen Ding den Abschied zu geben, das deine Schmerzen wahrhaftig nicht wert war.
Anatol. Du meinst, ich liebe sie nicht mehr ...?
Max. Oh! Das wäre ja vortrefflich ... in dem Stadium leidet man nicht mehr! ...