Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур ШницлерЧитать онлайн книгу.
welcher Frist muß ich mich entscheiden?
Sala. Es ist kein Anlaß, sich zu übereilen. Wann läuft Ihr Urlaub ab?
Felix. Morgen abend.
Sala. Sie werden sich wohl mit Ihrem Vater besprechen wollen.
Felix. Mit meinem Vater – natürlich. – Aber jedenfalls bringe ich Ihnen morgen früh die Antwort, Herr von Sala.
Sala. Schön. Ich würde mich sehr freuen. Aber immerhin bedenken Sie: Ein Spaziergang ist es nicht. Also auf Wiedersehen. Adieu, Fräulein Johanna. Leben Sie wohl, Herr Doktor. Er geht ab.
Kurze Pause. Die Zurückbleibenden in einiger Bewegung.
Johanna erhebt sich. Ich gehe auf mein Zimmer. Adieu, Herr Doktor. Ab.
Vierte Szene
Felix, Doktor Reumann. Dann Johanna.
Doktor Reumann. Sie sind entschlossen, Felix?
Felix. Beinahe.
Doktor Reumann. Nun werden Sie viel Neues kennen lernen.
Felix. Unter anderm hoffentlich mich selbst, wozu es nun endlich Zeit wäre . . . Zitierend. »In rätselhafte Fernen . . .« Wird es nur wahr werden? Es wäre geradezu berauschend!
Doktor Reumann. Und Sie haben sich Bedenkzeit ausgebeten?
Felix. Ich weiß kaum, warum. Und doch . . . Der Gedanke, daß man Menschen zurückläßt und sie vielleicht nicht wiederfindet, – und keineswegs so wiederfindet, wie man sie verlassen hat, und daß man ihnen vielleicht ein Leid zufügt, dadurch, daß man geht . . .
Doktor Reumann. Wenn Sie nichts anderes zögern macht, so ist es um jede Stunde der Ungewißheit schade. Nichts entfernt Sie sicherer von Menschen, die Ihnen teuer waren, als das Bewußtsein, durch eine Pflicht in ihre Nähe gebannt zu sein. Ergreifen Sie nur diese einzige Gelegenheit und reisen Sie nach Genua, Kleinasien, Tibet, Baktrien . . . Ja, es muß schön sein. Meine besten Wünsche begleiten Sie. Reicht ihm die Hand.
Felix. Ich danke Ihnen. Aber mit diesen Wünschen hat es wohl noch Zeit. Wie immer die Sache sich entscheidet, wir sehen uns vor meiner Abreise noch zu öfteren Malen.
Doktor Reumann. Hoffentlich. Natürlich.
Felix sieht ihn fest an. Herr Doktor! – In Ihrem Händedruck hab' ich etwas gespürt wie einen ernsten Abschied.
Doktor Reumann lächelnd. Kann man denn jemals wissen, ob man einander wiedersieht?
Felix. Herr Doktor . . . hat Herr von Sala Ihren Blick richtig gedeutet?
Doktor Reumann. Für Sie kommt das kaum in Betracht.
Felix. Er wird nicht mit uns gehen?
Doktor Reumann zögernd. Das ist schwer vorherzusagen.
Felix. Zu lügen haben Sie nicht gelernt, Herr Doktor.
Doktor Reumann. Wie die Dinge stehen, glaube ich, können Sie die Angelegenheit ohne weitere Beihilfe zu Ende führen.
Felix. Herr von Sala war vor wenigen Tagen bei Ihnen?
Doktor Reumann. Ja, es ist noch nicht lange her. Pause. Nun, daß er leidend ist, das sehen Sie ja selbst, nicht wahr? – Also grüß' Sie Gott, Felix.
Felix. Werden Sie der Freund unseres Hauses bleiben, wenn ich fort bin?
Doktor Reumann. Warum stellen Sie solche Fragen an mich, Felix?
Felix. Sie wollen nicht wiederkommen! . . . Ja, warum?
Doktor Reumann. Ich versichere Sie . . .
Felix. Ich verstehe . . .
Doktor Reumann verlegen. Was gibt es hier zu verstehen . . . ? . . .
Felix. Lieber Doktor . . . Nun weiß ich . . . warum Sie in dieses Haus nicht mehr kommen wollen . . . Es hat sich wieder einmal ein anderer den Hals gebrochen . . . Lieber Freund –
Doktor Reumann. Leben Sie wohl . . . Felix . . .
Felix. Und wenn man Sie zurückrufen sollte . . .
Doktor Reumann. Man wird es nicht tun . . . Wenn man mich braucht, werd' ich immer zu finden sein . . .
Johanna tritt ins Zimmer.
Doktor Reumann. Adieu . . . Adieu Fräulein Johanna . . .
Johanna. Sie gehen schon, Herr Doktor?
Doktor Reumann. Ja . . . Empfehlen Sie mich Ihrem Herrn Vater. Adieu . . . Reicht ihr die Hand.
Fünfte Szene
Johanna, Felix.
Johanna ruhig. Hat er dir gesagt, daß Sala verloren ist?
Felix zögert.
Johanna. Ich wußt' es. Wie Felix reden will, hat sie eine seltsam abwehrende Bewegung. Und du gehst – mit ihm oder ohne ihn.
Felix. Ja. Pause. Es wird jetzt hier recht still werden.
Johanna unbeweglich.
Felix. Und wie wirst du leben, Johanna? . . . Ich meine, wie werdet ihr beide leben, du und der Vater?
Johanna sieht ihn an, als wundere sie sich, daß er sie fragt.
Felix. Er wird sich einsam fühlen. Er würde es sehr dankbar empfinden, denk' ich, wenn du dich ein bißchen mehr mit ihm beschäftigtest, vielleicht mit ihm in freien Stunden spazieren gingst. Auch für dich – –
Johanna herb. Was hülfe es mir oder ihm? Was soll er mir sein oder ich ihm? Ich bin nicht dazu geschaffen, Menschen beizustehen in trüben Tagen. Ich kann mir nicht helfen, es ist nun einmal so. Wie eine Feindschaft regt es sich in mir gegen Menschen, die auf mein Mitleid angewiesen sind. Ich hab' es gefühlt die ganze Zeit hindurch, als die Mutter krank war.
Felix. Nein, du bist nicht dazu geschaffen . . . Wozu nur magst du geschaffen sein?
Johanna zuckt die Achseln, sitzt wieder mit verschlungenen Händen und sieht vor sich hin.
Felix. Johanna! Warum redest du denn nicht mehr zu mir wie sonst? Hast du mir nicht vielleicht etwas zu sagen? Erinnere dich doch, wie wir uns früher alles erzählt haben.
Johanna. Das ist lange her. Damals waren wir Kinder.
Felix. Warum kannst du nicht mehr so zu mir reden wie damals, Johanna? Weißt du denn nicht mehr, wie gut wir uns einmal verstanden haben? Wie wir uns alle Geheimnisse anvertraut haben! Wie gute Kameraden wir gewesen sind! . . . Wie wir zusammen in die weite Welt haben ziehen wollen!
Johanna. In die weite Welt... O ja. Ich weiß es noch. Aber jetzt gibt es keine solchen Märchen- und Wunderworte mehr!
Felix. Das käme vielleicht nur auf uns an.
Johanna. Nein, jetzt bedeuten die Worte nicht dasselbe wie früher.
Felix. Wie meinst du das?
Johanna. In die weite Welt . . .
Felix. Was hast du, Johanna?
Johanna. Einmal hab' ich zusammen mit dir im Belvedere ein Bild gesehen, an das denk' ich oft: Da ist eine Wiese mit Rittern und Damen – und ein Wald, ein Weinberg, ein Wirtshaus, und Burschen und Mädeln im Tanz, und eine große Stadt mit Kirchen und Türmen und Brücken. Und über die Brücke marschieren Soldaten, und auf dem Fluß gleitet ein Schiff dahin. Und weiter draußen ist ein Hügel, und auf dem Hügel ein Schloß, und in der Ferne hohe Berge. Und über dem Berg stehen Wolken, und über der Wiese schwimmen Nebel, und über die Stadt ergießt sich Sonnenglanz, und über