Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур ШницлерЧитать онлайн книгу.
noch, Herr Fichtner? Der Blick ist so schön. Über die Wiesen und über die ganze Stadt sieht man hin, bis zur Donau.
Sala auf die Steinbank weisend. Wollen Sie hier nicht ein bißchen Platz nehmen, Fräulein Herms?
Irene. Danke. Sie lorgnettiert die Kaiserbüsten. Da kommt man sich ja ganz römisch vor . . . Aber hab' ich die Herren nicht in einer Unterredung gestört?
Sala. Durchaus nicht.
Irene. Es scheint mir doch. Sie schauen alle so ernst drein. – Ich will lieber gehen.
Sala. Nein, das dürfen Sie nicht, Fräulein Herms. – Haben Sie vielleicht noch irgend eine Frage an mich, Felix, in unserer Angelegenheit?
Felix. Wenn Fräulein Herms uns eine Minute entschuldigt . . .
Irene. Aber bitte, natürlich!
Sala. Sie verzeihen, Fräulein Herms –
Felix. Es handelt sich nämlich um die Schritte, die ich bei meinem Kommando . . . Im Gehen. Er entfernt sich langsam mit Sala.
Sechste Szene
Irene und Julian.
Irene. Was haben die zwei für Geheimnisse? Was geht hier überhaupt vor?
Julian. Gar nichts Geheimnisvolles. Dieser junge Mann will auch die Expedition mitmachen, hör' ich. Und da haben sie natürlich einiges zu besprechen.
Irene hat Felix und Sala nachgesehen. Julian. – Er ist es.
Julian schweigt.
Irene. Du brauchst nicht zu antworten. Ich hab' ununterbrochen darüber nachdenken müssen . . . ich begreif nur nicht, daß ich's nicht früher gewußt hab'. Er ist es. – Und dreiundzwanzig Jahre ist er alt. – Und ich hab' mir damals wirklich gedacht, wie du mich davongejagt hast: Wenn er sich nur nicht umbringt! . . . Und dort spaziert sein Sohn.
Julian. Was hilft's mir? Mir gehört er nicht.
Irene. Schau' doch hin! Er ist da, er lebt, er ist jung und schön! Ist das nicht genug? Sie steht auf. Und ich war ruiniert.
Julian. Wie? . . .
Irene. Verstehst du mich? Ruiniert . . .
Julian. Das hab' ich nicht geahnt.
Irene. Du hättest mir doch nicht helfen können. Pause. Adieu. Entschuldig' mich. Sag' ihnen, was du willst. Ich fahr' fort, ich will nichts mehr wissen.
Julian. Was hast du denn? Es hat sich ja nichts geändert.
Irene. Glaubst du? . . . Mir kommt vor, diese ganzen dreiundzwanzig Jahre sind plötzlich was ganz anderes geworden. – Leb' wohl.
Julian. Leb' wohl. Auf Wiedersehen.
Irene. Auf Wiedersehen? Liegt dir denn was daran? Ja? – Bist du traurig, Julian? . . . Jetzt tust du mir schon wieder leid. Kopfschüttelnd. Ihr seid halt so. Was soll man da machen!
Julian. Nimm dich zusammen, da kommen sie.
Siebente Szene
Irene, Julian) Sala und Felix.
Sala. So, nun wäre alles erledigt.
Felix. Ich danke Ihnen sehr. Nun muß ich mich empfehlen.
Irene. Morgen fahren Sie schon wieder weg?
Felix. Ja, Fräulein.
Irene. Sie wollen jetzt wahrscheinlich auch in die Stadt, Herr Leutnant? Wenn es Ihnen nicht unangenehm ist, nehm' ich Sie gleich mit.
Felix. Sie sind sehr freundlich.
Sala. Wie, Fräulein Herms . . .? Das war aber ein kurzer Besuch.
Irene. Ja, ich habe noch einiges zu besorgen. Denn morgen geht's wieder in die Wildnis; und jetzt komm' ich wahrscheinlich so bald nicht wieder nach Wien. – Also, Herr Leutnant?
Felix. Adieu, Herr Fichtner. Und falls ich Sie nicht mehr sehen sollte . . .
Julian. Wir werden uns noch sehen.
Irene. Die Leute werden sich denken: Der Herr Leutnant mit der Frau Mama. Sie wirft einen letzten Blick auf Julian.
Sala begleitet Irene und Felix die Terrasse hinauf.
Julian bleibt zurück; er gebt auf und ab. Nach einiger Zeit kommt Sala wieder zurück.
Achte Szene
Julian und Sala.
Julian. Sie halten es für zweifellos, daß Ihre Schritte beim Grafen Ronsky Erfolg haben werden?
Sala. Ich habe schon vorher vom Grafen bestimmte Zusicherungen erhalten, sonst hätte ich Felix keine Hoffnungen gemacht.
Julian. Warum haben Sie das getan, Sala?
Sala. Wahrscheinlich, weil mir Felix sehr sympathisch ist, und ich gern in angenehmer Gesellschaft reise.
Julian. Und Sie haben gar nicht daran gedacht, daß mir der Gedanke schmerzlich ist, ihn zu verlieren?
Sala. Was soll das, Julian! Verlieren kann man doch nur, was man besessen hat. Und besitzen kann man nur, worauf man sich ein Recht erwarb. Das wissen Sie so gut wie ich.
Julian. Verleiht es nicht schließlich auch ein gewisses Anrecht auf jemanden, wenn man seiner bedarf? – Verstehen Sie es denn nicht, Sala, daß er meine letzte Hoffnung ist? . . . Daß ich überhaupt niemand und nichts mehr habe außer ihm? . . . Daß ich nach allen Seiten ins Leere greife? . . . Daß mir vor der Einsamkeit graut, die mich erwartet?
Sala. Und was hülfe es Ihnen, wenn er bliebe? Was hülfe es Ihnen selbst, wenn er irgend etwas wie kindliche Zärtlichkeit zu Ihnen empfände? . . . Was hülfe er Ihnen oder irgend ein anderer als er? . . . Es graut Ihnen vor der Einsamkeit? . . . Und wenn Sie eine Frau an Ihrer Seite hätten, wären Sie heute nicht allein? . . . Und wenn Kinder und Enkel um Sie lebten, wären Sie es nicht? . . . Und wenn Sie sich Ihren Reichtum, Ihren Ruhm, Ihr Genie bewahrt hätten – wären Sie es nicht? . . . Und wenn uns ein Zug von Bacchanten begleitet – den Weg hinab gehen wir alle allein . . . wir, die selbst niemandem gehört haben. Das Altern ist nun einmal eine einsame Beschäftigung für unsereinen, und ein Narr, wer sich nicht beizeiten darauf einrichtet, auf keinen Menschen angewiesen zu sein.
Julian. Und Sie, Sala, Sie glauben, daß Sie keines Menschen bedürfen?
Sala. So, wie ich sie gebraucht habe, werden sie mir jederzeit zu Gebote stehen. Ich bin stets für gemessene Entfernungen gewesen. Daß es die andern nicht merken, ist nicht meine Schuld.
Julian. Da haben Sie allerdings recht, Sala. Sie haben nie ein Wesen auf Erden geliebt.
Sala. Möglich. Und Sie? So wenig, Julian, als ich . . . Lieben heißt, für jemand andern auf der Welt sein. Ich sage nicht, daß es ein wünschenswerter Zustand sei, aber jedenfalls, denke ich, wir waren beide sehr fern davon. Was hat das, was unsereiner in die Welt bringt, mit Liebe zu tun? Es mag allerlei Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, Gemeines, Leidenschaftliches sein, das sich als Liebe ausgibt, – aber Liebe ist es doch nicht . . . Haben wir jemals ein Opfer gebracht, von dem nicht unsere Sinnlichkeit oder unsere Eitelkeit ihren Vorteil gehabt hätte? . . . Haben wir je gezögert, anständige Menschen zu betrügen oder zu belügen, wenn wir dadurch um eine Stunde des Glücks oder der Lust reicher werden konnten? . . . Haben wir je unsere Ruhe oder unser Leben aufs Spiel gesetzt – nicht aus Laune oder Leichtsinn . . . nein, um das Wohlergehen eines