Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур ШницлерЧитать онлайн книгу.
ausgeplündert. Und ich möchte wetten, daß Du mit dabei gewesen bist.
Grasset. Her mit dem Wein. Für das Pack, das in einer Stunde nach uns kommen wird . . . . . Lauschend. Hörst Du 'was, Lebrêt?
Lebrêt. Es ist wie ein leiser Donner.
Grasset. Brav – Bürger von Paris . . . . . zu Prospère. Für das Pack hast Du sicher noch einen in Vorrath. Also her damit. Mein Freund und Bewunderer, der Bürger Lebrêt, Schneider aus der Rue St. Honoré, zahlt alles.
Lebrêt. Gewiß, gewiß, ich zahle.
Prospère zögert .
Grasset. Na, zeig ihm, daß Du Geld hast, Lebrêt.
Lebrêt zieht seinen Geldbeutel heraus.
Wirth. Nun, ich will sehen, ob ich . . . . Er macht den Hahn zu einem Faß auf und füllt zwei Gläser. Woher kommst Du, Grasset? Aus dem Palais Royal?
Grasset. Jawohl . . . . ich habe dort eine Rede gehalten. Ja, mein Lieber, jetzt bin ich an der Reihe. Weißt Du, nach wem ich gesprochen habe?
Wirth. Nun?
Grasset. Nach Camille Desmoulins! Jawohl, ich hab' es gewagt. Und sage mir, Lebrêt, wer hat größeren Beifall gehabt, Desmoulins oder ich?
Lebrêt. Du . . . . zweifellos.
Grasset. Und wie hab' ich mich ausgenommen?
Lebrêt. Prächtig.
Grasset. Hörst Du's, Prospère? Ich habe mich auf den Tisch gestellt . . . . ich habe ausgesehen wie ein Monument . . . . Jawohl – und alle die Tausend, Fünftausend, Zehntausend haben sich um mich versammelt – geradeso wie früher um Camille Desmoulins . . . . und haben mir zugejubelt.
Lebrêt. Es war ein stärkerer Jubel.
Grasset. Jawohl . . . .. nicht um vieles, aber er war stärker. Und nun ziehen sie alle hin zur Bastille . . . .. und ich darf sagen: sie sind meinem Ruf gefolgt. Ich schwöre Dir, vor abends haben wir sie.
Wirth. Ja, freilich, wenn die Mauern von Eueren Reden zusammenstürzten!
Grasset. Wieso . . . Reden! – Bist Du taub? . . . Jetzt wird geschossen. Unsere braven Soldaten sind dabei. Sie haben dieselbe höllische Wuth auf das verfluchte Gefängnis wie wir. Sie wissen, daß hinter diesen Mauern ihre Brüder und Väter gefangen sitzen . . . . . Aber sie würden nicht schießen, wenn wir nicht geredet hätten. Mein lieber Prospère, die Macht der Geister ist groß. Da – zu Lebrêt Wo hast Du die Schriften?
Lebrêt. Hier . . . . zieht Brochuren aus der Tasche.
Grasset. Hier sind die neuesten Brochuren, die eben im Palais Royal vertheilt wurden. Hier eine von meinem Freunde Cerutti, Denkschrift für das französische Volk, hier eine von Desmoulins, der allerdings besser spricht, als er schreibt . . . . . »Das freie Frankreich«.
Wirth. Wann wird denn endlich die Deine erscheinen, von der Du immer erzählst?
Grasset. Wir brauchen keine mehr. Die Zeit zu Thaten ist gekommen. Ein Schuft, der heute in seinen vier Wänden sitzt. Wer ein Mann ist, muß auf die Straße!
Lebrêt. Bravo, bravo!
Grasset. In Toulon haben sie den Bürgermeister umgebracht, in Brignolles haben Sie ein Dutzend Häuser geplündert . . . . nur wir in Paris sind noch immer die Langweiligen und lassen uns alles gefallen.
Prospère. Das kann man doch nicht mehr sagen.
Lebrêt der immer getrunken hat. Auf, Ihr Bürger, auf!
Grasset. Auf! . . . . . Sperre Deine Bude und komm jetzt mit uns!
Wirth. Ich komme schon, wenn's Zeit ist.
Grasset. Ja freilich, wenn's keine Gefahr mehr giebt.
Wirth. Mein Lieber, ich liebe die Freiheit wie Du – aber vor allem hab' ich meinen Beruf.
Grasset. Jetzt giebt es für die Bürger von Paris nur einen Beruf: ihre Brüder befreien.
Wirth. Ja für die, die nichts Anderes zu thun haben!
Lebrêt. Was sagt er da! . . . Er verhöhnt uns!
Wirth. Fällt mir garnicht ein. – Schaut jetzt lieber, daß Ihr herauskommt . . . meine Vorstellung fängt bald an. Da kann ich Euch nicht brauchen.
Lebrêt. Was für eine Vorstellung? . . . Ist hier ein Theater?
Wirth. Gewiß ist das ein Theater. Ihr Freund hat noch vor vierzehn Tagen hier mitgespielt.
Lebrêt. Hier hast Du gespielt, Grasset? . . . . . Warum läßt Du Dich von dem Kerl da ungestraft verhöhnen!
Grasset. Beruhige Dich . . . .. es ist wahr; ich habe hier spielt, denn es ist kein gewöhnliches Wirthshaus . . . es ist eine Verbrecherherberge . . . . komm . . . .
Wirth. Zuerst wird gezahlt.
Lebrêt. Wenn das hier eine Verbrecherherberge ist, so zahle ich keinen Sou.
Wirth. So erkläre doch Deinem Freunde, wo er ist.
Grasset. Es ist ein seltsamer Ort! Es kommen Leute her, die Verbrecher spielen – und andere, die es sind, ohne es zu ahnen.
Lebrêt. So –?
Grasset. Ich mache Dich aufmerksam, daß das, was ich eben sagte, sehr geistreich war; es könnte das Glück einer ganzen Rede machen.
Lebrêt. Ich verstehe nichts von allem, was Du sagst.
Grasset. Ich sagte Dir ja, daß Prospère mein Direktor war. Und er spielt mit seinen Leuten noch immer Komödie; nur in einer anderen Art als früher. Meine einstigen Kollegen und Kolleginnen sitzen hier herum und thun, als wenn sie Verbrecher wären. Verstehst Du? Sie erzählen haarsträubende Geschichten, die sie nie erlebt – sprechen von Unthaten, die sie nie begangen haben . . . . . und das Publikum, das hierher kommt, hat den angenehmen Kitzel, unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen – unter Gaunern, Einbrechern, Mördern – und –
Lebrêt. Was für ein Publikum?
Wirth. Die elegantesten Leute von Paris.
Grasset. Adelige . . . . .
Wirth. Herren vom Hof –
Lebrêt. Nieder mit ihnen!
Grasset. Das ist was für sie. Das rüttelt ihnen die erschlafften Sinne auf. Hier hab ich angefangen, Lebrêt, hier hab' ich meine erste Rede gehalten, als wenn es zum Spaß wäre . . . . . und hier hab' ich die Hunde zu hassen begonnen, die mit ihren schönen Kleidern, parfumirt, angefressen, unter uns saßen . . . . . und es ist mir ganz recht, mein guter Lebrêt, daß Du auch einmal die Stätte siehst, von wo Dein großer Freund ausgegangen ist. In anderem Ton Sag, Prospère, wenn die Sache schief ginge . . . . .
Wirth. Welche Sache?
Grasset. Nun, die Sache mit meiner politischen Carrière . . . . würdest Du mich wieder engagieren?
Wirth. Nicht um die Welt!
Grasset leicht. Warum? – Es könnte vielleicht noch Einer neben Deinem Henri aufkommen.
Wirth. Abgesehen davon . . . . . ich hätte Angst, daß Du Dich einmal vergessen könntest – und über einen meiner zahlenden Gäste im Ernst herfielst.
Grasset geschmeichelt. Das wäre allerdings möglich. –
Wirth. Ich . . . . . ich hab mich doch in der Gewalt –
Grasset. Wahrhaftig, Prospère, ich muß sagen, daß ich Dich wegen Deiner Selbstbeherrschung bewundern würde, wenn ich nicht zufällig wüßte, daß Du ein Feigling bist.
Wirth. Ach, mein Lieber, mir genügt das, was ich in meinem Fach leisten kann. Es macht mir Vergnügen genug, den Kerlen meine Meinung in's Gesicht sagen zu können und sie zu beschimpfen nach Herzenslust – während sie es für Scherz halten. Es ist auch eine Art, seine Wuth los zu werden. – Zieht einen Dolch und läßt ihn funkeln.
Lebrêt.