Mami Bestseller 10 – Familienroman. Corinna VolknerЧитать онлайн книгу.
einzuwenden, dass Rosalie für diesen Tapetenhersteller Muster entwirft? Nun hat sie einen Preis gewonnen für die hübscheste Kinderzimmertapete. Ich find’s prima, und ihr solltet euch auch ehrlichen Herzens darüber freuen, anstatt in eine sarkastische Diskussion über Kunst und Kitsch zu verfallen.«
Natürlich wird auch Gundel übertönt. Das Geld ist schon okay, das kann man gut brauchen. Aber gegen den Wert dieser Preisverleihung muss man ganz einfach zu Felde ziehen.
»Es ist wahnsinnig verführerisch, merkst du das denn nicht?«, mahnt der älteste der Gruppe und blickt beschwörend in Rosalies Gesicht. »Nach den Tapeten kommen die bunten Teller an die Reihe, danach eventuell die Sparschweine der Banken und Sparkassen. Das will ja alles bunt und hübsch angemalt sein. Aber dafür gehst du doch nicht zur Hochschule für bildende Künste!«
»Warum eigentlich nicht?«, trotzte Rosalie plötzlich und erntet einen Sturm der Entrüstung.
Durch den Trubel dringt die Stimme des Bärtigen, der an der Tür zum Wohnzimmer auftaucht.
»Telefon für Rosalie! Mann, oh, Mann, seid doch mal ruhig. Unsere Preisgekrönte wird verlangt.«
Rosalie geht in die Diele und hört Priskas Stimme am Telefon eigentümlich leise sagen: »Rosalie, gut, dass du da bist. Ich hole dich in einer halben Stunde ab. Wir fahren zur Mutter.«
Lärm dringt aus dem Wohnzimmer, man ruft nach ihr. Rosalie nimmt den Hörer ans andere Ohr und wendet sich etwas ab. »Das geht jetzt nicht, Priska«, sagt sie schnell und hofft, dass die Schwester nicht so viel von der Musik mitbekommt. »Wir haben Besuch von einigen Kollegen aus der Uni. Ich kann unmöglich.«
»Ich brauche deine Hilfe, Kleines! Lass mich nicht im Stich! Also bis gleich!«
Es macht klick. Fassungslos blickt Rosalie auf den Hörer. Da hat Priska doch einfach aufgelegt!
Sofort fühlt sich das junge Mädchen bevormundet. Wie springt Priska denn mit ihr um? Bestimmt so einfach über sie, als wäre Rosalie immer noch die kleine Schwester. Aber nicht so! Das ist ein für alle Mal vorbei.
»Und ich komme nicht mit!«, stößt sie hervor und wirft das Haar trotzig über die Schultern zurück. Gerade jetzt, wo es gemütlich wird.
Sie will zurückgehen. Doch dann stockt ihr Schritt. Was hat Priska gesagt? Ich brauche deine Hilfe?
Das gibt’s doch nicht, denkt Rosalie, während sie sich wieder zu den anderen gesellt.
Lass mich nicht im Stich!
Priskas Worte gleichen doch einem flehentlichen Appell.
Reglos steht Rosalie an der Tür zum Wohnzimmer, sieht plötzlich, dass alle sie anstarren, und sagt ruhig: »Ich muss fort. Meine Schwester hat angerufen.«
Sofort werden energische Stimmen laut, die ihr gebieten, sich um Himmels willen nicht so herumkommandieren zu lassen.
»Du hast dich wohl immer noch nicht gelöst? Und das mit fast zwanzig Jahren! Mädchen, du tust mir leid.«
Henning kommt und will sie um die Taille greifen, aber Rosalie wehrt ihn fast schroff ab. »Ihr spinnt ja!«, ruft sie unter Tränen. »Es muss sich um was Ernstes handeln, sonst hätte Priska mich wenigstens angehört.«
Sie rennt hinaus und in ihr Zimmer am Ende des Korridors. Dort bleibt sie atemlos stehen und denkt nach.
»Mutter«, flüstert sie dann in aufsteigender heißer Sorge. Ist etwas mit ihrer Mutter geschehen?
Schon reißt sie die Häkeltasche vom Rundständer und stopft sie voll mit ein paar Dingen, die sie zu brauchen glaubt. Plötzlich geht es ihr nicht schnell genug, von hier fortzukommen.
*
»Fahre du. Bitte!«
Priska ist schon auf den Nebensitz gerückt, und Rosalie steigt ein. »Prima, dass du mich mal ranlässt«, sagt sie erfreut. Zwar besitzt sie seit einem halben Jahr den Führerschein, doch zu einem eigenen Wagen hat’s bisher nicht gereicht. Aber vielleicht bleibt von dem Scheck etwas übrig. Eine Anzahlung würde schon genügen. Den Rest könnte sie in monatlichen Raten von Priskas Zuschuss abstottern.
»Du, Große«, beginnt sie hoffnungsvoll, »demnächst habe ich mein eigenes Auto. Da staunst du, was? Dreitausend hat mir die Firma für meinen letzten Entwurf gezahlt.«
Rosalie fährt zügig.
»Warum hast du mich eigentlich unbedingt mitnehmen wollen?«, fragte sie und legt an Geschwindigkeit zu. Bald sind sie am See, dann sind es nur noch wenige Minuten bis daheim. Nur noch den schmalen Seeweg hinauffahren. Privatweg der Villa Eschwald.
Alles hier gehört zum Besitz dieser Villa, auch ihr Elternhaus. Auch Mutter Bonas erbrechtlich bewohntes Verwalterhaus.
»Ich wäre längst schon mal nach Hause gekommen«, regt sich Rosalie erneut auf, angesichts des starren Schweigens ihrer Schwester. »Mein Fahrrad hat einen Platten, sonst wäre ich am vorigen Sonntag gekommen. Wenn ich erst meinen Wagen habe, besuche ich Mama öfter. Aber das scheint dich ja alles nicht zu interessieren. Auch nicht mein Preis. Du bist genau wie die Jungs in unserer Kommune. Machst dich vielleicht auch lustig über mich.«
»Nein, Rosalie. Aber nein, Kleines.« Priska sieht sie an, und ihre sonst so klaren blauen Augen wirken ganz dunkel.
Sie blickt in Rosalies Gesicht und denkt: Lass sie ruhig eine Weile noch so froh sein. So halb zornig, halb kindhaft trotzig, weil sich anscheinend niemand mit ihr über den errungenen Preis im Tapetenwettbewerb freut und niemand stolz auf sie ist, als sei es eine Kleinigkeit, dreitausend Euro für diesen Entwurf zu bekommen.
»Ich freue mich sehr für dich, Rosalie«, sagt sie unter Aufbietung all ihrer Kräfte. »Mutter wird stolz auf dich sein.«
»Wirklich?« Sofort erstrahlt Rosalies Gesicht, und schwungvoll lenkt sie den Wagen in den schmalen Seeweg ein.
»Ob sich Hermine auch mal wieder bei Mama einfindet?« Sie stellt den Motor ab und stößt die Wagentür auf. »Eigentlich eine gute Idee, mich mit hinauszulotsen. Wie schön der Garten aussieht, jetzt, wo die Bäume blühen!«
Sie will aussteigen, als Priska sie leise bittet: »Warte noch, Kleines. Ich muss dir etwas sagen. Es ist ein schreckliches Unglück passiert mit Dorothea und Stefan.«
Priskas Gesicht ist erstarrt im Schmerz, ihre Hand zittert, die sich auf den Arm der jüngeren gelegt hat.
»Nein!«, murmelt Rosalie abwesend und streckt jäh die Hand vor. »Nein, Priska, nein!«
Verstört sieht sie zur Haustür hinüber, die sich auftut. Ihre Mutter kommt heraus, dahinter wird Hermine sichtbar.
Priska stößt einen Seufzer aus und fühlt sich etwas erleichtert. Hermine ist da, gottlob.
Sie steigen nun beide aus dem Wagen, schließen die Türen und gehen langsam in den Garten hinein.
Priska muss Rosalie zurückhalten, die sonst sofort auf ihre Mutter zugestürzt wäre.
»Sei tapfer«, raunt sie ihr stattdessen zu und erntet einen großen, fragenden Blick von der jüngeren.
»Weiß Mama denn noch nichts?«
»Nein«, erwidert Priska leise.
»Aber Doro lebt doch noch, nicht wahr, Priska? Sie darf doch nicht …«
»Komm!«, stößt Priska hervor. »Gehen wir ins Haus. Ich zähle auf dich, Rosalie. Wir müssen jetzt alle sehr tapfer sein und zusammenhalten.«
Tapfer sein? Gefasst? Für Rosalie ist es unmöglich, sich zu verstellen. Und als ihre Mutter mit ihrem lieben, glücklichen Gesicht auf sie zugeht, weil sie sich freut über den unverhofften Besuch ihrer Jüngsten, da bricht Rosalie in ein wildes, fassungsloses Schluchzen aus. An der Mutter vorbei eilt sie ins Haus.
»Was hat sie denn?« Anna Bona blickt Priska an.
»Komm, Mutter. Gehen wir hinein. Gut, dass du hier bist.«
Das