Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
können?« warf die Mutter lauernd ein.
»Wahrscheinlich erst, wenn ich Oberarzt geworden bin. – Und nun wollen wir schlafen gehen, mein Bettzipfel winkt ganz gehörig. Gute Nacht, meine Lieben, schlaft wohl. Wenn die Eröffnung über meine so rasch geschlossene Ehe euch auch nicht gefallen hat – um so mehr wird euch Lenore gefallen, das weiß ich bestimmt.«
*
Am nächsten Tag trafen die von Ralf erwarteten Möbel ein und konnten aufgestellt werden, nachdem die Möbelräumer die Sachen, die bisher in Ralfs Zimmer gestanden hatten, auf den Boden gebracht hatten. Mit einem guten Trinkgeld zogen sie ab, was Frau Rosalia mit einem süßsauren Lächeln zur Kenntnis nahm, während Anka ungeniert herausplatzte: »Ralf, kannst du aber nobel sein. Wenn doch auch ich einmal etwas davon zu spüren bekäme! Doch da hältst du dein Portemonnaie verschlossen, wie die Muschel ihre Perle. Aber weißt du, die Möbel sind doch ganz nett.«
»Beruhigt mich ungemein«, kam es trocken zurück. »Nämlich, daß der ›Kram‹ Gnade vor deinen Augen findet.«
Von der Frau Mama wurden die Sachen von vornherein verächtlich abgetan, was bei ihrer Voreingenommenheit gar kein Wunder war. Was konnte schließlich von diesen Leuten Gutes kommen? Sie hütete sich jedoch, dem Sohn gegenüber derartiges lautwerden zu lassen, enthielt sich überhaupt jeder Kritik, während Anka diese ohne jede Hemmung kundtat.
Jedes Stück, das der Bruder den Koffern und Kisten entnahm, wurde von ihr bewundert oder kritisiert. Doch als das Zimmer komplett eingerichtet war, mußte sie zugeben, daß ihr eigenes dagegen geradezu schäbig wirkte.
Und was die Tochter aussprach, dachte die Mutter. Nun kam zu der Abneigung, die sie ohnehin für die Schwiegertochter hegte, noch der Neid – eine Wurzel vielen Übels.
Hätte Ralf seine Mutter besser gekannt, so hätte er seine junge, unerfahrene Frau gewiß nicht hierhergebracht. Aber leider kannte er sie nur so, wie sie sich gab, nicht so, wie sie wirklich war.
Nachdem alles säuberlich verstaut war, nahm der junge Arzt in einem Sessel Platz und steckte eine Zigarette in Brand. Dabei ließ er die Blicke durch das Zimmer schweifen, das einen unbedingt vornehmen Eindruck machte. Alles, was sich darin befand, war wertvoll und gediegen. Der große dicke Teppich, der so lange im Wohnzimmer der Ingwarts gelegen, hatte jetzt seinen Platz in dem kombinierten Wohn- und Schlafgemach, ihm Wärme und Traulichkeit verleihend. Auf den Betten glänzten die Daunendecken in ihrem stickereibesetzten Überschlag. Die selbe Stickerei wiesen auch die Kissen auf, denen man die Daunenfüllung geradezu ansah. Die eine Querwand nahm der wuchtige Garderobenschrank fast völlig ein. Die dazu passende Kommode, die Frisiertoilette, der Hocker davon und zwei Stühle machten die Schlafzimmereinrichtung komplett.
Die anderen Möbelstücke waren dem Wohnzimmer entnommen: zwei weiche, bequeme Sessel, die in einer Ecke standen, dazwischen der reichgeschnitzte Klubtisch. Zwischen den beiden Fenstern stand schräggestellt der Schreibtisch. Dann gab es noch einen Schrank, oben mit Glas, unten mit Schüben. Das alles zusammen bot einen höchst erfreulichen Anblick. Nur die billigen Gardinen wollten zu dieser Möblierung durchaus nicht passen, ebenso die Lampe nicht. Aber dieses beides stammte eben aus der bescheidenen Einrichtung des ebenso bescheidenen Mannes, der es noch gar nicht fassen konnte, daß er dieses wunderbare Zimmer nun bewohnen sollte, zusammen mit der Frau, die ihm so herrliche Dinge in die Ehe brachte. Und wenn er noch alles das dazu rechnete, was bei einem Spediteur untergestellt war, so hatte er eigentlich eine ganz gute Partie gemacht. Das sagte er auch der Mutter, als er später deren Wohnzimmer betrat, wohin sie sich mit Anka zurückgezogen hatte. Und obwohl sie anderer Ansicht war, enthielt sie sich jeder Äußerung, während Anka ihr vorlautes Zünglein wieder einmal nicht zügeln konnte.
»Bist du bescheiden!« rümpfte sie das Stupsnäschen. »Du hättest eine ganz andere Partie machen können.«
»Anka!« griff die Mutter mahnend ein. »Was redest du nur wieder für einen Unsinn. Übrigens hast du uns noch gar nicht verraten, wo deine Frau sich zur Zeit befindet, mein lieber Junge. Etwa noch in der alten Wohnung?«
»Nein, Mama, die ist seit vier Tagen geräumt. Bevor ich herkam, brachte ich Lenore in einem Fremdenheim unter. Ich wollte sie erst abholen, wenn das Zimmer hergerichtet ist, damit sie sich darin gleich zu Hause fühlt. Das sind wir ihr ja wohl schuldig, deren Vater so viel für uns tat.«
»Ja, gewiß«, gab Frau Rosalia gegen ihre Überzeugung zu. Was hatte Ingwart schon viel getan? Er verlieh nach raffinierten Sicherungen Geld, das ihm an Zinsen mehr einbrachte, als die Bank zahlte. Aber Ralf, dieser Narr, sprach großartig von Dankbarkeit, aus der heraus wahrscheinlich seine unsinnige Ehe zustande gekommen war.
Aber nichts davon kam über die Lippen der Frau, der noch immer die Angst im Nacken saß, daß der Sohn seine Hand von ihr abziehen könnte. Daher überlegte sie erst jedes Wort, bevor sie es aussprach, wenigstens in dieser heiklen Angelegenheit.
»Wann kommt sie her?« fragte sie jetzt lauernd.
»Morgen. Entschuldige bitte, daß ich so rasch aufbreche, aber ich muß mich beeilen, damit ich den Zug noch erreiche.«
»Du holst sie ab?«
»Natürlich.«
Nachdem er gegangen war, konnte die erboste Mutter nun endlich der Tochter gegenüber ihrem Ärger Luft machen.
»So viel Aufhebens ist dieses dumme Ding doch nun wirklich nicht wert. Als ob sie nicht ohne ihn herfinden könnte. Diese unnötige Reise ist doch nichts weiter als Geldvergeudung.«
In der Art redete sie weiter, unterstützt von Anka, die mit der Mutter durchaus einer Meinung war.
Und hätte Ralf das alles mitangehört.
Aber leider hörte er es nicht, und so nahm denn das Schicksal seinen Lauf.
*
Nach zwei Stunden Fahrt hatte Doktor Skörsen sein Ziel erreicht und wurde auf dem Bahnsteig von seiner jungen Frau empfangen, die sich an seinen Arm hängte und die Wange an seinem Ärmel rieb gleich einem zärtlichen Kätzchen.
»Wie bin ich froh, daß du da bist!« bekannte sie leise, und neckend kam die Frage: »Hast du etwa angenommen, daß ich dich sitzenlassen könnte – nach einwöchiger Ehe?«
»Ist alles schon dagewesen.«
»Aber nicht bei mir, du Dummes«, lachte er, ihren Arm an sich drückend und mit ihr dem Ausgang des Bahnhofs zustrebend.
Ein schönes Paar, wie es unser Herrgott nicht oft zusammenbringt. Er hochgewachsen, blondhaarig, blauäugig, mit rassigem Kopf und scharfgeschnittenem Gesicht; sie mittelgroß, grazil, mit goldbraunem Gelock und feinem Gesicht, aus dem die blauen Augen wie zwei Sonnen herausstrahlten.
Am nächsten Vormittag fuhr das junge Paar der Stadt zu, die Lenore fortan Heimat sein sollte. Und obwohl sie den Gatten neben sich hatte, war ihr bitter weh ums Herz. Sie mußte sich zusammenreißen, um den Tränen nicht freien Lauf zu lassen, die ihr die Kehle eng machten. Das Gehetze der Menschen, überhaupt das ganze nervöse Treiben, das nun einmal auf den Bahnhöfen herrscht, wirkte beängstigend auf sie. Kein Wunder, da sie drei Jahre lang kaum aus den vier Wänden des Krankenzimmers herausgekommen war.
Sie schrak aus ihren Gedanken auf, als jetzt die Abteiltüren zugeworfen wurden. Gleich darauf setzte sich der Zug in Bewegung.
Und nun kamen Lenore doch die Tränen. Denn es war ja ihre Heimatstadt, die sie verließ, um in eine fremde Umgebung zu gehen. Die Stadt, wo sie als fröhliches Kind gelebt, als übermütiger Backfisch, als junges Mädchen, wo sie glücklich gewesen war, selbst dann noch, als sie als Krankenpflegerin auf alle Freuden der Jugend verzichten mußte.
Aber die Mutter war dagewesen, mit ihrer Liebe, ihrem gütigen Verständnis. Und jetzt? Nichts mehr war ihr davon geblieben als das Grab neben dem des Vaters. Selbst von diesen Gräbern mußte sie fort, die das Liebste bargen, was sie je besessen.
Ein wehes Schluchzen klang auf, und erschrocken sah Lenore zu dem Mann hin, der ihr gegenüber saß. Wahrscheinlich hatte er nichts gehört, sonst hätte er doch wenigstens von der Zeitung aufgeschaut, in die er