Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania. Hubert HaenselЧитать онлайн книгу.
dieser Menschen stehen vor Ihnen. Mein Freund und ich, wir sind Träumer. Wir glauben an das Gute im Menschen. Wir glauben, dass es ein anderes Leben für uns geben muss, befreit von den Fesseln der Erde und der Last unserer Geschichte. Für uns selbst, für die Menschheit. Wir glauben, dass die Erde unsere Wiege, doch das Universum unsere Heimat ist.«
Zwei Meter.
»Ich bitte Sie, enttäuschen Sie unseren Glauben nicht.«
Der Schirm flackerte und erlosch. Im Rumpf über Rhodan entstand eine Öffnung. Gelbes Licht drang in einem Strahl heraus und formte einen Kegel am Boden des Kraters. Unsichtbare Hände griffen nach Rhodan, trugen ihn der Öffnung entgegen. Weitere Hände griffen nach Bull, der Rhodan in einigen Metern Abstand gefolgt war, trugen auch ihn hinauf.
In der Öffnung setzten die unsichtbaren Hände die beiden Männer ab. Die Leichtigkeit machte der Schwere von Gravitation Platz, stärker als die des Mondes. Rhodan schätzte sie, dem mörderischen Gewicht nach, mit dem das Versorgungspack seines Raumanzugs ihn nach hinten zog, ungefähr auf irdische Werte. Hinter ihm und Bull schloss sich lautlos die Öffnung im Rumpf. Ein Zischen erklang, das Zischen einer einströmenden Atmosphäre.
Und dann sagte eine Stimme in ihren Ohrhörern in klarem Englisch: »Sie können Ihre Helme abnehmen, Menschen. Das Gasgemisch ist für Sie atembar.«
Es war dieselbe Stimme, die sie vor wenigen Minuten noch ausgelacht hatte.
10.
»Willkommen im Pain Shelter! Ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind.«
Ein Dutzend Touristen war mit dem Bus gekommen, den John Marshall jeden Mittwoch eigens für die Führung mietete. Ein guter Tag. Oft verirrten sich nur zwei oder drei verlorene Seelen nach Sugar Land.
Marshall bot die Führung dennoch weiter an. Er wusste, dass er mit dem Shelter Gutes tat. Aber er war Realist. Er wusste, dass Gutes allein nicht genügte. Wollte man etwas richtig gut machen, musste man es der Welt auch mitteilen.
Auch an Tagen wie diesen, an denen Marshall sich am liebsten in seinem Zimmer verkrochen hätte.
»Mein Name ist John Marshall«, fuhr er fort. »Ich bin Leiter des Shelters. Und das hier ...«, er machte eine kurze Pause. Die Tür des Shelters flog auf, und mit einem gewagten Salto fegte ein Schemen das halbe Dutzend Stufen zum Gehweg hinab, kam neben Marshall federnd auf und verbeugte sich.
»Darf ich vorstellen? Sue, meine bezaubernde Assistentin!«
Die Touristen schwiegen einen Moment verblüfft, dann setzten von Kindheit an angeeignete Reflexe ein: Sie klatschten.
»Danke!«, japste Sue und strahlte mit der Junisonne um die Wette. »Danke, danke!«
Das Mädchen war Marshall ein Rätsel. Vor einem Jahr hatte Sue damit begonnen, ihn auf seinen Führungen zu begleiten. Nach und nach – er hätte keinen Wendepunkt benennen können – war aus der Führung Marshalls Sues großer wöchentlicher Auftritt geworden.
Sie liebte ihn, lebte förmlich darauf hin.
Sue hatte irgendwo ein altes Artistenkostüm aufgetrieben. Seine Pailletten glitzerten wie neu, es war ihr aber viel zu groß. Es schlackerte. Nur nicht am linken Arm, wo sie den Stoff über den Stumpf gezogen hatte, um ihn vor den Touristen zu verbergen.
Marshall räusperte sich. »In der nächsten halben Stunde wollen wir Ihnen einen Eindruck von unserer Arbeit und vom Leben im Pain Shelter vermitteln. Wir hoffen, dass Sie dann verstehen, was ihn unersetzlich macht.« Er sah auffordernd zu dem Mädchen. »Sue?«
»Folgen Sie mir bitte! Hier, um das Haus herum!«
Sue ging voran, für ihre Verhältnisse im Tempo einer Schildkröte, aber die Touristen hatten Schwierigkeiten mitzuhalten. Ein älterer, buckliger Mann fiel etwas zurück. Er humpelte.
»Wir befinden uns hier in der Vorstadt Sugar Land«, erläuterte Sue im Gehen, ganz stolze Reiseführerin. »Wie der Name bereits verrät, eine ehemalige Hochburg der Zuckerproduktion. Sugar Land wurde Anfang des vorigen Jahrhunderts von der Imperial Sugar Company als eine sogenannte Company Town gegründet. Eine Stadt im Firmenbesitz, die den Arbeitern alles bot, was sie zum Leben brauchten. Die Zuckerfabrik wurde in den Nullern dieses Jahrhunderts geschlossen und abgebrochen, mit den Stürmen des Jahres 2028 kam dann der allgemeine Niedergang der texanischen Küstenregionen.«
Sue hielt einen Moment an, wartete, bis der Bucklige aufgeschlossen hatte. Sie wirkte wie ein Kind, sie war ein Kind, aber sie hatte ein Feingefühl für Menschen wie nur wenige Erwachsene.
»Das Haus des Shelters wurde als Arbeiterunterkunft errichtet. Die Stiftung hat das verfallende Gebäude vor fünf Jahren aufgekauft, umfassend renoviert und es in ein Asyl für Straßenkinder umgewandelt. Im Gebiet von Greater Houston«, eine Falte legte sich auf Sues Stirn, gab ihr eine ernste Ausstrahlung, »leben schätzungsweise mehr als zehntausend Kinder auf der Straße, ohne Eltern. Wir im Shelter versuchen, diese Not zu lindern. Und, meine Damen und Herren, das Ergebnis sehen Sie hier!«
Sue trat hinter das Haus, gab den Blick frei auf den Garten. Inmitten der knochentrockenen Industriebrache, die sich hinter dem Haus bis beinahe zum Horizont erstreckte, schien er wie eine Oase in der Wüste – und war immer für »Ahs« und »Ohs« gut.
Sue verbrachte täglich Stunden im Garten. Sie grub die Erde um, bewässerte, ging von Pflanze zu Pflanze und streichelte sie. Als handele es sich um Haustiere und Sue könne nicht genug davon bekommen, ihre seidigen Felle zu streicheln. Aber oft saß oder lag Sue einfach nur mit geschlossenen Augen da und träumte. Wovon, konnte Marshall nicht sagen. Ein Gefühl sagte ihm, dass es zwecklos gewesen wäre, Sue zu fragen. Das Mädchen hätte ihm keine Antwort gegeben.
Auch an diesem Tag verfehlte der Garten seine Wirkung nicht. Die Touristen blieben stehen, fotografierten und filmten dieses kleine Wunder.
Marshall nutzte den Moment der Ablenkung, sich die Gruppe genauer anzusehen. Die Mehrzahl war Amerikaner. Eine Handvoll junger Leute mit Rücksäcken. Idealisten, die am Anschluss an die Führung oft anboten, im Shelter umsonst zu arbeiten, und die Marshall stets höflich, aber bestimmt abwimmelte. Zwei wohlhabende asiatische Paare, die den Niedergang des Westens vor Ort besichtigten. Die Frauen trugen trotz der Hitze dünne Handschuhe, und Marshall wunderte sich fast, dass sie keinen Mundschutz trugen.
Und dann war da noch der ältere Mann mit dem Buckel. Er trug einen Anzug, den Marshall mit der Erfahrung seiner früheren Existenz als maßgeschneidertes, sündhaft teures Designerstück erkannte – und der gleichzeitig so lange getragen worden war, dass er stellenweise fadenscheinig war, ja, an Knien und Ellenbogen mit Flicken versehen war. Als hätte der Mann einmal vor langer Zeit die lästige Pflicht auf sich genommen, ein adäquat repräsentatives Kleidungsstück zu besorgen, und ihm nicht auffiel, dass es ihn zum Sonderling stempelte.
Sue lud die Touristen ein, von den Kirschtomaten zu probieren. Das Mädchen genoss die überraschten und anerkennenden Blicke. Schließlich sagte sie: »Und nun zur Werkstatt!«
Die Werkstatt erstreckte sich neben dem Garten. Eine flache Halle, neu und glänzend wie eine der Raumstationen auf Sids Postern, sündhaft teuer und höchstwahrscheinlich der Sargnagel der Stiftung. Ihr bloßer Anblick schmerzte Marshall.
»Der Garten ist unser kleines Paradies«, erläuterte Sue, »doch, glauben Sie mir, in der Werkstatt schlägt das Herz des Shelters.«
Sie hielt den Touristen die Flügeltür auf. In der Halle war es angenehm kühl, ein passives Klimasystem sorgte dafür.
Kinder arbeiteten überall in der Halle an den Werkbänken und semiautonomen Maschinen. »Hier überholen und reparieren wir Fundfahrräder aus dem gesamten Gebiet von Greater Houston. Dazu kommt Kunsthandwerk.« Sue ging an einen Tisch mit metallenen Objekten, der wie zufällig neben dem Eingang platziert war, und hob eines davon hoch. Es war ein Adler, der auf ein Nagetier herabstieß. Gefertigt aus alten Blechdosen. Eines von Damons vielen Stücken.
Nur Sid fertigte noch mehr an, Raketen und