Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania. Hubert HaenselЧитать онлайн книгу.
Es hatte nicht viel Mühe gekostet, die für die Verwandlung benötigten Hilfsmittel in einer der Kleinstädte zu besorgen, die sie auf ihrer Fahrt nach New Orleans durchquerten. Iga hatte alles schnell und zuverlässig erledigt; Allan hingegen besaß das nötige Wissen, wie man welche Materialien am effektivsten einsetzte.
Nun waren seine Gesichtshaut dunkler und die Haare aufgehellt. Die Augen zeichneten sich riesig und grau unter der Hornbrille ab. Wahrscheinlich hätte ihn nicht mal mehr seine Mutter erkannt, wenn sie ihm in einem Restaurant gegenübergesessen wäre. Dem Bild in seinem gefälschten Ausweis jedoch glich er bis aufs letzte Haar. Und bis auf die kleine Narbe im Mundwinkel, die Anthony Reivers sich vor vielen Jahren zugezogen haben musste.
»Wie weit noch bis New Orleans?«, fragte er.
»400 Meilen. Ein Katzensprung, wenn man sich vor Augen hält, welche Strecke schon hinter uns liegt.«
Eine Weile fuhren sie schweigend weiter, dann sagte Allan: »Ich habe Hunger.«
Iga nahm eine Hand vom Lenkrad und legte sie auf ihren Bauch. »Wann haben wir zuletzt gegessen?«
»In diesem dreckigen Truck-Inn.«
Wonderbra verzog das Gesicht. Wahrscheinlich erinnerte sie sich an die viel zu fettigen Burger und an die Pampe, die man ihnen dort als Mayonnaise verkauft hatte. Das war kurz vor der ersten Straßensperre gewesen. »Dann wird es aber höchste Zeit. Ich schaffe die 400 Meilen ohnehin nicht ganz, ohne noch einmal zu tanken. Dann sollten wir uns bei dieser Gelegenheit gleich den Magen vollschlagen, was? Zumindest, wenn die Welt bis dahin nicht untergeht.« Sie lachte.
Mercant hingegen fand es gar nicht witzig. »Was sagen die Nachrichten?«
Die Truckerin aktivierte das Nachrichtenband am unteren Rand der Windschutzscheibe und stellte den Autopiloten ein, um sich aufs Lesen konzentrieren zu können. Allan konnte nur schlecht darauf schauen, weil sich die Wiedergabe auf den Platz des Fahrers konzentrierte.
»Drohungen«, meinte Iga. »Hysterie. Im Netz munkeln alle etwas von einem kommenden Krieg. Das Gleichgewicht kippt, Allan. Und irgendwas stimmt mit der Mondmission nicht, das ist allen klar. Wahrscheinlich ist das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.«
»Irgendwas ...«, wiederholte Mercant nachdenklich. »Wir beide wissen genau, worum es sich handelt.«
»Okay«, murmelte sie leise. Überzeugt klang sie allerdings nicht. »Ich habe noch mal über alles nachgedacht. Nach allem, was du mir erzählt hast, Allan, sind diese Aliens pure Spekulation, oder etwa nicht? Du hast dein Leben und deine ganze Existenz aufs Spiel gesetzt wegen dieses Flugs der STARDUST.«
»Und ich würde es wieder tun! Was dort oben geschieht, ist die wirkliche Katastrophe! Wenn die Bombe tatsächlich explodiert und das Schiff der Fremden zerstört, wird das ...«
»Du weißt nicht mal, ob sie existieren!« In Igas Stimme lag mühsam unterdrückter Zorn. »Es sind Vermutungen, von denen du voll und ganz überzeugt bist, aber du hast nichts in der Hand. Wie kannst du deshalb dein ganzes Leben wegwerfen?«
»Bilder von ...«
»Die beweisen gar nichts!«
»Rhodan und der Rest der Besatzung haben den Mond längst erreicht und es mit eigenen Augen gesehen.«
»Das Schiff ist auf der dunklen Seite des Mondes verschollen. Du hast alles hingeworfen, Allan! Für ein Hirngespinst.«
»Für meinen Traum«, verbesserte er. »Für das große Ziel der Raumfahrt, das nun so nahe liegt und im Verderben mündet, wenn nichts geschieht! Ich musste handeln, begreifst du das nicht?«
Er fragte sich, warum er mit ihr überhaupt deswegen stritt. Was verband sie schon miteinander? Sie hatten sich zufällig getroffen, wenn es auch ... intimer geworden war als mit den meisten Menschen, die er kannte. Er ließ kaum jemanden so nah an sich heran, weder in direktem noch in übertragenem Sinn.
»Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden«, sagte Iga. »Meine Welt ist dieser Truck, meine Aufgabe der Sinn meines Lebens. Ich sehe, wie unsere Gesellschaft vor die Hunde geht, weil verdammt noch mal keiner mehr Rücksicht nimmt oder über den eigenen Tellerrand hinausschauen kann!«
»Das ist wohl der Unterschied zwischen uns.« Mercant sprach leise. »Und doch kannst du mich deshalb vielleicht verstehen, Wonderbra! Denk doch nach. Du bist Teil einer Gemeinschaft – die Trucker sind wie eine Familie für dich, das hast du selbst gesagt. Mir geht es genauso. Ich bin ein Teil der Familie, die sich nach den Sternen sehnt und in der Weltraumfahrt unsere Zukunft sieht. Ich habe Menschen auf der anderen Seite der Welt ins Vertrauen gezogen; sie sahen es ebenso, haben dafür ihr Leben gelassen, und ich wurde gerettet. Und nun glaubst du im Ernst, ich könnte auch nur mit einer Faser meines Herzens daran zweifeln, was dort oben auf dem Mond geschieht? Es gibt den Kontakt, und ich glaube einfach nicht, dass Perry Rhodan und die anderen tot sind.«
Statt einer Antwort bremste Iga. »Lass uns später weiterreden!«
Da erst schaute er auf die Straße.
Wieder einmal näherten sie sich einer Sperre, als könnte die Regierung auf diese Weise irgendetwas verändern. Oder galt der ganze Aufwand, den die Homeland Security betrieb, ihm? Wollten sie ihn um jeden Preis dingfest machen?
So wichtig war seine Flucht allerdings auch nicht. Vielleicht drückte sich in diesen Sperren nur die allgemeine Paranoia aus, das unbestimmte Gefühl, dass etwas in der Luft lag, dass sich die Katastrophe zusammenbraute. Ein hilfloser Aktivismus der Machthaber, die an ihre Grenzen gelangten, weil sie keinen Ausweg mehr sahen und irgendetwas tun wollten.
Zwei Soldaten näherten sich von der Sperre her.
Sie trugen Maschinenpistolen in den Händen. Ihre Mimik war ausdruckslos und wächsern. Dem jüngeren stand die Angst ins Gesicht geschrieben.
»Ihre Ausweise«, verlangte der zweite Soldat. Ohne die Hände vom Griff der Maschinenpistole zu nehmen.
Mercant kam sich nicht vor, als befände er sich mitten in den USA. Er erinnerte sich vielmehr an frühere Aufenthalte in asiatischen Ländern, in denen solche Patrouillen an der Tagesordnung waren. Wortlos reichte er dem Soldaten das gefälschte Dokument. Auch Iga zeigte ihren Pass vor.
»Und nun die Ladedokumente!«
Iga kramte das kleine Pad heraus, das die letzte Ablieferung in Nevada quittierte. »Seitdem fahre ich leer. In New Orleans wartet ein großer Auftrag. Wann können wir weiterfahren?«
»Quer durchs ganze Land ohne Ladung?«
»Was dagegen?«
»Es kommt mir nur seltsam vor.«
»Wir haben Urlaub gemacht«, log sie. »Eine Spazierfahrt durch unsere Heimat. Und jetzt ...«
»Schon gut«, unterbrach der Soldat. Offenbar empfand er keine Lust, sich eine ausschweifende Erzählung anzuhören. »Öffnen Sie den Ladebereich.«
»Hören Sie, ich ...«
Der Lauf der MP hob sich ein wenig. »Öffnen!«
Wie gut, dass sie nichts zu verbergen hatten. Mercant war nur froh, dass sich die Aufmerksamkeit auf den Truck und nicht auf ihn als Person verlagerte.
Während der ältere Soldat neben ihnen blieb, machte sich der jüngere am Ladebereich zu schaffen. Iga öffnete per Knopfdruck. Die Untersuchung nahm nur Sekunden in Anspruch. »Ist tatsächlich leer. Weiterfahren!«
Die beiden wandten sich dem folgenden Wagen zu. Iga gab Gas. Die Straßensperre ließ seitlich gerade genug Platz.
»Nach dem Schreck sollten wir bei der nächsten Gelegenheit wirklich anhalten und etwas essen«, beschloss Allan.
Fünf Minuten später rollten sie durch die Randgebiete einer Kleinstadt.
Und das Erste, das sie dort sahen, war eine Gruppe von Menschen, die vom Dach eines Hochhauses sprang.
Ein Körper schlug direkt vor ihnen auf die Straße, ein