Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Es handelte sich um einen fast 30 Zentimeter langen Degen, dessen Klinge auf beiden Seiten geschärft war.
Um diese Klinge ging es dem Butler.
Er praktizierte sie vorsichtig unter sich, legte sich mit dem Rücken auf den Schirmstock und strammte die Fesseln an seinen Händen. Innerhalb weniger Sekunden fielen die durchtrennten Stricke von seinen Handgelenken ab.
Parker hatte seine Hände freibekommen.
Nun klappte alles wie am Schnürchen …
Weitere Sekunden, und auch die Fesseln an seinen Fußgelenken existierten nicht mehr. Parker erhob sich etwas steifgliedrig und brachte seinen gestockten Kreislauf wieder in Bewegung. Er vollführte einige Freiübungen, die jedem Zuschauer gezeigt hätten, wie fit der Butler war. Von einem müden, alten und relativ verbrauchten Mann konnte wirklich keine Rede sein.
Parker kümmerte sich um Mike.
Vorsichtig wendete er ihn auf den Rücken. Und hielt überrascht inne. Der erwartete Blutfleck über der Brust war nicht zu sehen. Sollte Mike überhaupt nicht getroffen worden sein? Das war so gut wie ausgeschlossen.
Parker untersuchte den Agenten.
Und war erneut überrascht.
Mike war tatsächlich noch einmal davongekommen. Das Geschoß hatte ihn zwar getroffen, doch es war von der Brieftasche und einem darüber liegenden Etui abgelenkt und gebremst worden.
Parker, der einen Feind im Rücken nicht gebrauchen konnte, trug Mike zur Pritsche und band ihn darauf fest. Stricke besaß er genug. Er brauchte sich nur zu bedienen.
Dann erst kümmerte der Butler sich um die Zeitbombe.
Vorsichtig löste er die Drähte von der Batterie, entfernte die Batterie und warf sie unter die Liege. Sie konnte von der Tür her nicht mehr gesehen werden. Dann baute Parker die nun wertlos gewordene
Zeitbombe wieder zusammen und stellte sie an ihren alten Platz zurück.
Anschließend befaßte er sich mit der Tür.
Sie besaß ein kompliziertes Schloß, doch für Parker war es eben doch nicht kompliziert genug.
Mit seiner Krawattennadel, die er durch Biegen in die richtige, zweckmäßige Form brachte, stellte er einen raffiniert-einfachen Nachschlüssel her. Dann überredete Parker das Schloß, sich schleunigst zu öffnen, ein Ansinnen, dem das Schloß sehr schnell nachkam.
*
Parker durchwanderte einige Kellerkorridore, ging vorüber an diversen Türen und erreichte eine Treppe, die hinauf ins Erdgeschoß führte. Vorsichtig stieg er nach oben, schließlich wußte er nicht, welche Personen sich noch zusätzlich in diesem Haus befanden.
Parker landete in einem kleinen Korridor, von dem aus einige Türen abzweigten. Er entschied sich für die linke Tür, stieß sie auf und nickte anerkennend. Er sah in einen sehr wohnlich eingerichteten Salon hinein, dessen Boden mit dicken und wahrscheinlich auch teuren Teppichen belegt war.
Dieser Salon war menschenleer, eine Tatsache, die Parker ebenfalls angenehm berührte.
Nach knapp zehn Minuten hatte er sich alle Zimmer in diesem Haus angesehen und wußte, daß es in einem weiträumigen Garten lag, der zum Meer hinunterführte.
Der Butler kehrte ins Haus zurück und kümmerte sich um Details. So betrachtete er sich zum Beispiel die vielen Fotos in einer Sitzecke. Aus diesen Fotos ging hervor, daß der Eigentümer des Bungalows ein gewisser Mr. Lester Gatewell sein mußte, der sein Geld als Patentanwalt verdiente.
Die Garage war leer.
Parker dachte an die Kellerräume und ging noch einmal nach unten. Es konnte ja auch sein, daß Mike wieder zu sich gekommen war. Er schaute in den engen, niedrigen Keller hinein. Mike hatte tatsächlich die Augen geöffnet und starrte den Butler an.
»Erinnern Sie sich, wenn Sie wollen, an meine bescheidenen Worte«, sagte Parker fast vorwurfsvoll. »Glauben Sie jetzt noch immer, daß Sie Mr. X gewachsen sind?«
»Dieses …!« Die nähere Bezeichnung braucht und soll nicht wiederholt werden, zumal Mike sich wenig vornehm ausdrückte. Er richtete sich etwas auf. »Binden Sie mich los! Ich weiß jetzt, mit wem ich Zusammenarbeiten muß!«
»Sie haben Ihre Chance verpaßt«, gab der Butler kopfschüttelnd zurück.
»Ich sage Ihnen, wer Mr. X ist!«
»Sie werden es zwar nicht glauben, Mike, doch das weiß ich inzwischen ebenfalls. Ich habe mich oben im Haus umgesehen. Rückschlüsse boten sich an und waren nicht sonderlich schwierig.«
»Wo steckt er?« fragte Mike, der für einen kurzen Augenblick die Augen geschlossen hatte.
»Mr. X holt die Fotokopien«, gab der Butler zurück. »Nach meiner Zeitberechnung müßte er in knapp zwanzig Minuten wieder zurück sein.«
»Lassen Sie mich nicht sitzen«, sagte Mike mit beschwörender Stimme. »Er wird mich umbringen.«
»Sind Sie endlich sicher?«
»Ich hätte auf Sie hören sollen, Parker, ich weiß … Nehmen Sie mich mit!«
»Darüber läßt sich durchaus reden«, gab der Butler wohlwollend zurück. »Sie sollten mir aber noch schnell einige Fragen beantworten.«
»Binden Sie mich erst los. Der Chef kann früher zurückkommen!«
Parker wollte antworten, als er oben im Haus ein Geräusch hörte. War Mr. X bereits zurückgekehrt?
»Sie sehen mich gleich wieder«, versprach er Mike, dann verließ er den bunkerähnlichen Keller. Als er sich in den Kellerkorridoren befand, wurden die Geräusche lauter und verdichteten sich zu einem wilden, stakkatoähnlichen Klopfen und Trommeln.
Vor einer Kellertür blieb der Butler stehen.
Als er sie zu öffnen versuchte, erstarb das Trommeln. Parker erinnerte sich seiner Krawattennadel und sperrte das Schloß auf. Als er die Tür öffnete, wurde er wie von einem wilden Her angefallen. Bevor er den Fangschlag abducken konnte, taumelte er zurück, rutschte leider unglücklich aus und landete mit dem Kopf an der Wand, worauf er sich entschloß, für einen kurzen Moment geistig wegzutreten, wie es im Volksmund so treffend heißt …
*
»Ich wußte gleich, daß Sie mich belogen hatten!«
Grimmig und kalt kamen diese Worte aus dem Mund von Leutnant Canters. Er stand an der Wand des Salons und hielt seine Dienstwaffe auf Parker gerichtet.
»Ich fürchte, Sir, Sie unterliegen da einem äußerst bedauerlichen Irrtum«, antwortete der Butler kopfschüttelnd.
»Ich weiß, daß Sie mich an Ihre Gang verraten haben! Wie hätte man uns sonst draußen in den Dünen überraschen können?«
»Das alles geht auf das Konto des sagenhaften Mr. X«, sagte Parker.
»Und dieser Mr. X sind Sie, Parker. Sie brauchen sich nicht mehr zu verstellen, ich weiß jetzt Bescheid!«
»Sie täuschen sich wirklich. Auch mich sperrte man in einen Keller ein!«
»Erzählen Sie das Ihrer Großmutter, Parker.«
»Das wird leider nicht mehr gehen«, bedauerte Parker.
»Und warum nicht?«
»Sie verstarb vor zehn Jahren, wenn ich Sie darauf hinweisen darf.«
»Sie wissen verdammt gut, daß Sie sich keine Späßchen mehr leisten können.«
»Und ich weiß, daß ich mich bei Ihnen entschuldigen sollte, Sir.«
»Entschuldigen …? Bei mir …?« Leutnant Canters war für einen Moment verblüfft.
»Nun, Sir, ich hielt Sie für Mr. X! Ein bedauerlicher Irrtum, wie ich eingestehen muß.«
»Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen,