Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
ob das nicht genügte, einen zum Säufer zu machen«, stöhnte Billy, als Saxon wieder zu ihm kam. »Hast du je von einem solchen Pech gehört? Bei all meinem Boxen nie einen Knochen zerschlagen. Und jetzt – eins, zwei, drei – sind beide Arme kaputt.«
»Ach, es hätte noch schlimmer gehen können«, lächelte Saxon heiter.
»Da möchte ich schon wissen, wieso.«
»Na, wäre es nicht schlimmer gewesen, wenn du in Oakland hättest bleiben wollen, wo es jeden Augenblick wieder geschehen könnte?«
»Ich kann schon sehen, wie ich Bauer werde und mit einem Paar Pfeifenrohren, wie diesen hier, herumgehe und pflüge«, fuhr er fort.
»Doktor Hentley sagt, dass sie dort, wo sie gebrochen sind, stärker werden als je. Aber jetzt schließ die Augen und schlaf. Du bist schrecklich herunter und brauchst Ruhe. Lass das Denken.«
Er schloss gehorsam die Augen, und sie legte ihm ihre kühle Hand unter den Nacken.
»Das ist ein schönes Gefühl«, murmelte er. »Du bist so kühl, Saxon – deine Hand und deine ganze kleine Person. Bei dir zu sein ist, wie wenn man in die Nachtkühle hinauskommt, nachdem man in einem erhitzten Lokal getanzt hat.«
Als er ein paar Minuten stillgelegen hatte, begann er, leise zu lachen.
»Was gibt es?« fragte sie.
»Ach, nichts – ich dachte nur an die Idioten, die mich verprügelt haben, – mich, der ich mehr Streikbrecher verprügelt habe, als ich zählen kann.«
*
Am nächsten Morgen erwachte Billy in bedeutend besserer Stimmung. In der Küche konnte Saxon hören, wie er einige merkwürdige gesangliche Akrobatenkunststücke versuchte.
»Ich kann ein neues Lied, das du noch nie gehört hast«, erzählte er, als sie mit einer Tasse Kaffee kam. »Aber ich kann nur den Refrain. Der Alte redet mit einem Landstreicher von Tagelöhner, der seine Tochter heiraten will. Mamie – das war ein Mädel, mit dem Billy Murphy ging, ehe er heiratete – sang es oft. Es ist so schön rührselig. Mamie heulte immer dabei.«
Und mit großer Feierlichkeit und so falsch, dass es eine Qual war, ihm zuzuhören, sang Billy das Lied.
Aber sie fürchtete, dass der Kaffee kalt werden würde, und zwang Billy, ihn zu trinken. Hilflos, wie er mit seinen beiden gebrochenen Armen war, musste er wie ein kleines Kind gefüttert werden, und während sie ihn fütterte, sprachen sie miteinander.
»Eines will ich dir sagen«, sagte Billy zwischen zwei Schlucken. »Sobald wir auf dem Lande zur Ruhe gekommen sind, sollst du das Pferd haben, das du dir dein ganzes Leben gewünscht hast. Und es soll dein eigenes Pferd sein, das du reiten oder fahren oder verkaufen – kurz, mit dem du machen kannst, was du willst.«
Dann wieder grübelte er: »Eines wird großartig sein, wenn wir auf dem Lande wohnen«, sagte er schließlich, »nämlich, dass ich so gut mit Pferden Bescheid weiß. Damit kann man gut in Gang kommen. Ich kann ja immer mit Pferden zu tun kriegen – wo es keine Gewerkschaftslöhne gibt. Und alles, was man sonst von der Bauernarbeit wissen muss, kann ich doch sicher schnell lernen.«
Saxon musste sehr mit sich kämpfen, um die Tränen zurückzuhalten. Es war, als wollte ihr Herz vor Glück brechen, und sie erinnerte sich vieler Dinge – der Verheißung eines ganzen Lebens mit Billy aus den Tagen, ehe die schwere Zeit begann. Jetzt kam diese Verheißung wieder. Und da das Leben ihnen keine Erfüllung der Verheißung gebracht hatte, so wollten sie jetzt selbst ausziehen und die Erfüllung suchen.
Eine Furcht, die jedoch nicht ganz echt war, ließ sie sich in das Schlafzimmer hinter der Küche schleichen, wo Bert gestorben war, und im Spiegel des Toilettentisches studierte sie ihr Gesicht. Nein, sie war nicht sehr verändert. Schön war sie nicht. Das wusste sie gut. Aber hatte Mercedes nicht gesagt, dass die großen Frauen in der Geschichte, die die Liebe der Männer errungen hatten, nicht schön gewesen waren? Und doch war sie alles eher als hässlich, wie Saxon sich sagte, als sie ihr Spiegelbild betrachtete. Sie sah ihre großen grauen Augen, die so tiefgrau waren und immer so lebendig blickten, und auf deren Oberfläche wie in deren grauer Tiefe immer unausgesprochene Gedanken schwammen, Gedanken, die zu Boden sanken und sich auflösten, um neuen Gedanken Platz zu machen. Die Brauen waren schön, darüber war sie sich ganz klar – fein gezeichnet, etwas dunkler als das hellbraune Haar, und sie passten ausgezeichnet zu ihrer unregelmäßigen Nase, die ausgeprägt weiblich, aber nicht schwach, eher pikant war und ein bisschen keck wirkte. Sie konnte sehen, dass ihr Gesicht etwas mager war, und ihre Lippen waren nicht ganz so rot wie früher; sie hatten etwas von ihrer frischen Farbe verloren. Aber alles das konnte wiederkommen. Ihr Mund war keine Rosenknospe – wie man es in den Magazinen sah. Sie betrachtete ihn besonders aufmerksam. Es war ein lustiger Mund, ein Mund, geschaffen, froh zu sein, zu lachen und andere zum Lachen zu bringen. Und sie wusste, dass ihr Lächeln auch bei anderen Lächeln zu erzeugen pflegte. Sie lachte mit den Augen allein – das war einer ihrer kleinen Tricks. Dann warf sie den Kopf zurück und lachte mit Augen und Mund zugleich, und zwischen den halbgeöffneten Lippen kamen die beiden Reihen starker weißer Zähne zum Vorschein.
Und sie erinnerte sich, wie Billy an dem Abend in der Germania-Halle, als er Charley Long abgefertigt hatte, ihre Zähne gelobt hatte. »Nicht groß und auch nicht dumme kleine Kinderzähne«, hatte Billy gesagt. »Gerade so, wie sie sein sollen, und sie passen zu Ihnen.«
Wieder ließ sie den Blick über ihr Spiegelbild schweifen. Ja, sie konnte es schon mit mancher aufnehmen. War Billy prachtvoll als Mann, so war sie ihm auf ihre Art ebenbürtig. Sie kannte genau ihren Wert und ebenso genau den seinen. Wenn er wie früher war, richtig der alte, nicht von Sorgen gequält, nicht von der Falle gepeinigt, nicht durch Trinken von Sinnen gebracht, wenn er er war, ihr junger Liebhaber, dann war er reichlich das wert, was sie ihm geben konnte.
Saxon warf sich einen letzten Blick im Spiegel zu. Nein, sie war nicht tot. So wenig, wie Billys Liebe und ihre Liebe tot war. Alles, was sie brauchten, war der rechte Boden – dann wuchs und blühte ihre Liebe wieder. Und jetzt kehrten sie Oakland den Rücken und wanderten fort, um den rechten Boden zu finden.
»Ach, Billy!« rief sie durch die Wand hindurch, während sie immer noch auf dem Stuhl stand und mit der einen Hand den Spiegel hin- und herwippte, sodass sie den Blick von ihren Fußgelenken und Waden bis zu dem Gesicht mit der warmen Farbe und dem schelmischen Ausdruck schweifen lassen konnte.
»Nun, was gibt es?« hörte sie ihn antworten.
»Ich mache mir selbst den Hof«, rief sie zurück.
»Was sind das nun für Dummheiten?« fragte