Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
mit einiger Mühe von der Diskussion über die Gewerkschaften los und sah sie einen Augenblick mit einem schlaffen Blick an, bis die Frage in sein Bewusstsein gedrungen war.
»Weil sie so mächtig mit dem Boden gearbeitet haben. Weil sie morgens, mittags und abends geschuftet haben – Männer, Frauen und Kinder. Weil sie aus zwanzig Morgen mehr herauspressen können, als wir aus hundertsechzig. Sehen Sie den alten Silva – Antonio Silva. Ich kannte ihn schon, als ich ein kleiner Bengel war. Er hatte nichts zu essen, als er hierher kam und Boden von meiner Familie pachtete. Und sehen Sie ihn jetzt – er hat reichlich seine viertel Million in bar, und ich möchte wetten, dass er für eine ganze Million Kredit hat, und Gott weiß, was die übrige Familie besitzt!«
»Und das alles hat er an dem Boden verdient, der Ihrer Familie gehörte?« fragte Saxon.
Der junge Mann nickte, aber es war klar, dass er es nicht gern einräumte.
»Aber warum tat Ihre eigene Familie denn nicht dasselbe?« fuhr sie fort.
»Ja, das fragen Sie nur!« sagte er.
»Aber das Geld war doch da!« Saxon wollte den Kampf nicht aufgeben.
»Den Teufel war es da!« lautete die Antwort mit einem schwachen Anflug von Heftigkeit. »Wir haben nie etwas davon gesehen – nein, wahrhaftig nicht! Ich glaube eher, dass das Geld in den Köpfen der Portugiesen steckte. Die verstanden mehr von der Geschichte als wir.«
Saxons offensichtliche Unzufriedenheit mit seiner Erklärung spornte ihn an, sich anzustrengen. Er erhob sich.
»Kommen Sie, ich will es Ihnen zeigen«, sagte er erbittert. »Ich will Ihnen zeigen, warum ich mich für das liebe Brot abrackern muss, obwohl ich Millionär hätte sein können, wenn meine Vorfahren nicht Idioten gewesen wären. Das sind wir eben, wir alten Amerikaner – ein Haufen Idioten.«
Er führte sie durch die Pforte zu dem Obstbaum, der vom ersten Augenblick an Saxons Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Vom Stamme spalteten sich vier Äste ab, aber zwei Fuß darüber waren die Äste durch ein Band lebender Zweige verbunden.
»Sie glauben vielleicht, dass er so gewachsen ist! Nun ja, das ist er auch auf seine Art. Aber es war doch der alte Silva, der ihn machte – als der Baum noch ganz jung war, verflocht er zwei Schößlinge miteinander. Sehr schlau, nicht wahr? Ja, darauf könnt ihr Gift nehmen! Der Baum wird nie umgeweht. Es ist ein natürliches Dach, das prachtvoll federt und besser ist als alle eisernen Klammern. Sehen Sie die Reihen entlang. Jeder Baum ist so gemacht. Verstehen Sie? Und das ist nur eine von den Schlauheiten der Portugiesen. Die wissen viel dergleichen.
Sie können es sich ja denken. Die Bäume brauchen keine Stütze, wenn sie auch noch so gut tragen. Wenn unsere Bäume so gut trugen, so brauchten wir für jeden fünf Stützen. Sagen wir, dass wir ein paar Morgen Obstbäume hätten! Das macht mehrere tausend Stützen, und die kosten Geld und die Arbeit dazu, sie einzurammen und jedes Jahr wieder auszureißen. Das hier kommt von selber und ist jederzeit da. Ja, die Portugiesen sind viel klüger als wir – das sind sie. Kommen Sie, ich will Ihnen etwas anderes zeigen!«
Billy, dem die Angst des Städters vor verbotenen Wegen in den Gliedern steckte, war etwas nervös über die Ungeniertheit, mit der sie durch die kleine Wirtschaft gingen.
»Ach, das macht nichts, solange wir nichts zertreten«, beruhigte der Telefonarbeiter sie. »Außerdem hat das alles einmal meinem Großvater gehört. Die Leute kennen mich. Vor vierzig Jahren kam der alte Silva von den Azoren herüber. Er hütete ein paar Jahre lang in den Bergen Schafe, und dann kam er nach San Leandro. Die fünf Morgen waren die ersten, die er pachtete. Und das war nur der Anfang. Dann pachtete er Höfe von hundert Morgen und hundertsechzig Morgen. Und seine Schwestern und Onkel und Tanten strömten von den Azoren hierher – drüben sind sie alle miteinander verwandt, wissen Sie – und bald war ganz San Leandro eine portugiesische Kolonie.
Und der alte Silva kaufte zuerst die fünf Morgen von meinem Großvater. Aber bald – und zu dem Zeitpunkt war mein Vater so verschuldet, dass er nicht aus und ein wusste – bald kaufte er meinem Vater den Boden in großen Stücken zu hundertundsechzig Morgen ab. Und seine Verwandten taten alle dasselbe. Mein Vater redete immer davon, reich zu werden – aber es sollte immer schnell gehen, und er starb als verschuldeter Mann. Doch der alte Silva übersah nicht das Geringste, nein, und wenn es noch so klein und unansehnlich gewesen wäre. Und so sind all die anderen auch. Sehen Sie da draußen vor dem Hause bis zu den Wagengleisen – das sind lauter Pferdebohnen. Wir hätten nie an solche lächerlichen Kleinigkeiten gedacht. Aber Silva dachte daran! Und jetzt hat er ein Haus in San Leandro und fährt in einem Tourenauto für viertausend Dollar herum. Und doch wachsen Zwiebeln in seinem Vordergarten bis auf die Straße hinaus. Er verdient allein daran dreihundert Dollar. Ich weiß, dass er letztes Jahr zehn Morgen kaufte – sie verlangten tausend Dollar den Morgen, aber er blinzelte nicht einmal! Er wusste, dass er das wieder hereinbekommen würde und mehr dazu. Und in den Bergen hat er ein Gut von fünfhundertundachtzig Morgen, die er für ein Butterbrot kaufte, und ich sage Ihnen, für das Geld, das er dort verdient, könnte ich jeden Tag in der Woche in einem neuen Auto herumreisen. Er züchtet dort Pferde jeder Art, von schweren Brauerpferden bis zu den feinsten Luxustieren.«
»Ja, aber – wie – hat er denn das alles bekommen?« fragte Saxon.
»Indem er vernünftigen Ackerbau getrieben hat. Ich sage – die ganze verfluchte Familie arbeitet. Sie schämen sich nicht, die Ärmel aufzukrempeln und zu graben – Söhne und Töchter und Schwiegersöhne, der Alte und die Frau und alle Kinder. Sie haben ein altes Sprichwort, dass ein vierjähriger Bengel nichts taugt, der einer Kuh kein Futter auf der Landstraße verschaffen und sie in gutem Stande halten kann. Sehen Sie die Silvas, den ganzen Stamm der Silvas – sie bebauen hundert Morgen mit Erbsen, achtzig mit Tomaten, dreißig mit Spargel, zehn mit Rhabarber, vierzig mit Kürbis – ach, und massenhaft andere Sachen.«
»Ja, aber wie machen sie das denn nur?« forschte Saxon weiter. »Wir haben uns auch nie geschämt, etwas zu tun. Wir haben all unsere Tage schwer gearbeitet. Ich kann besser arbeiten als eine Portugiesin – das habe ich in der Jutefabrik gesehen. Dort saßen eine Menge portugiesischer Mädchen an den Webstühlen um mich her, und ich konnte sie in Grund und Boden weben – und das tat ich auch. Auf die Arbeit kommt es nicht an. Aber worauf denn?«
Der Telefonarbeiter sah sie an, als wüsste er nicht recht, was er sagen sollte.
»Ja, ich habe mir oft dieselbe Frage gestellt. Wir sind besser als diese lumpigen Auswanderer, sage ich mir. Wir waren zuerst da, und uns gehörte die Erde.