Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
konnte. Das Wasser stand noch nicht niedrig genug.«
Saxon hörte Billy einen leisen Ruf ausstoßen, und sie sah, wie sich die höchste Überraschung in seinem Gesicht malte.
»Weiß Gott, ich bin stolz und froh, Sie zu treffen!« brach es aus ihm heraus. »Darf ich Ihre Hand drücken? Ich habe immer gesagt, wenn ich Sie je vor Augen sehe, wollte ich Ihre Hand drücken. – Wissen Sie!«
Aber hier wurde Billy von seinen Gefühlen überwältigt, und das halberstickte Kichern, womit er begann, wurde bald zu einem schallenden Gelächter.
Der Fremde sah ihn neugierig an und warf Saxon einen fragenden Blick zu.
»Sie müssen entschuldigen«, sagte Billy mit einem gurgelnden Geräusch, während er dem anderen immer wieder die Hand schüttelte. »Aber ich muss wirklich lachen. Ich sage Ihnen, dass ich nachts aufgewacht bin und gelacht habe, weiß Gott! Kennst du ihn nicht, Saxon? Das ist doch der – sagen Sie, Freund, Sie sind ein tüchtiger Kerl im Hundertmeterlauf, nicht wahr?«
Und im selben Augenblick wusste Saxon, wo sie den Fremden schon gesehen hatte. Es war der, welcher mit Roy Blanchard bei dem Auto gestanden hatte, als sie krank und bewusstlos in einen fremden Stadtteil geraten war. Und an dem Tage hatte sie ihn auch nicht zum ersten Mal gesehen.
»Erinnern Sie sich noch an das Fest der Maurer im Weasel Park?« fragte Billy. »Und an das Rennen? Ich hätte Ihre Nase aus Millionen herausgekannt. Sie waren es, der Timothy McManus den Stock zwischen die Beine steckte und den schlimmsten Krawall veranlasste, den Weasel Park oder irgendein anderer Sportplatz je gesehen hat.«
Jetzt musste auch der Fremde lachen. Er stand bald auf einem Bein, bald auf dem anderen, je nachdem ihn das Lachen zu überwältigen drohte, und schließlich setzte er sich auf ein Stück Treibholz.
»So, Sie waren auch dort!« stammelte er schließlich. »Na, haben Sie es gesehen? Haben Sie es gesehen?« Er wandte sich zu Saxon. – »Und Sie?«
Sie nickte.
»Sagen Sie«, begann Billy wieder, als das Lachen sich etwas gelegt hatte, »ich möchte gern wissen, warum Sie das taten. Sagen Sie, warum taten Sie das nur? Das habe ich mich seither immer wieder gefragt.«
»Ich mich auch!« lautete die Antwort.
»Sie hatten Timothy McManus nie zuvor gesehen, nicht wahr?«
»Nein, ich hatte ihn nie zuvor gesehen, und ich habe ihn auch seither nicht wiedergesehen.«
»Aber warum taten Sie es dann?« fragte Billy eindringlich.
Der junge Mann lachte weiter, bezwang sich aber schließlich und antwortete:
»Und wenn es mein Leben kosten sollte, ich weiß es nicht! Ich habe einen Freund, einen sehr intelligenten Burschen, der ernste wissenschaftliche Bücher schreibt, und der sagt, dass es ihm immer in den Fingern juckt, ein Ei in einen elektrischen Ventilator zu werfen, um zu sehen, was geschehen wird. Vielleicht war es mit mir genau dasselbe – und es war nur das, was ich tat. Als ich die Beine herankommen sah, steckte ich einfach den Stock dazwischen. Ich wusste selber gar nicht, dass ich es tun wollte. Ich tat es eben. Timothy McManus konnte nicht erstaunter sein, als ich es war.«
»Hat man Sie gekriegt?« fragte Billy.
»Sehe ich aus, als ob ich mich kriegen ließe? Ich bin nie in meinem Leben so erschrocken gewesen. An dem Tag hätte selbst Timothy McManus mich nicht fangen können. Aber was geschah hinterher? Ich habe gehört, dass es einen furchtbaren Krach gab, aber ich konnte es nicht abwarten.«
Erst nach einer Viertelstunde, als Billy die Prügelei beschrieben hatte, stellte der Fremde sich vor und erfuhr ihren Namen. Er hieß Mark Hall und wohnte in einer kleinen Villa zwischen den Kiefern bei Carmel.
»Aber wie haben Sie eigentlich den Weg in die Biercebucht gefunden?« fragte er neugierig, »auf dem Wege lässt sich niemand etwas davon träumen.«
»Ach, so heißt sie also?« fragte Saxon.
»Ja, so haben wir sie jedenfalls genannt. So hieß einer von den Kameraden, die eines Sommers hier lagerten, und wir nannten sie nach ihm. Ich möchte übrigens gern eine Tasse Kaffee haben – wenn Sie sie mir geben wollen.« Dies zu Saxon gewandt. »Und dann werde ich Ihrem Mann die Gegend zeigen. Wir sind sehr stolz auf die Bucht. Hier kommt keiner her außer uns.«
»Die Muskeln haben Sie doch nicht alle daher bekommen, dass Sie McManus wegrannten?« meinte Billy, als sie beim Kaffee saßen.
»Massage unter Spannung«, lautete die völlig unverständliche Antwort.
»So«, sagte Billy und starrte ihn dumm an. »Ist das etwas, das man mit Löffeln einnimmt?«
Hall lachte.
»Ich will es Ihnen zeigen! Sie können irgendeine Muskel nehmen, sie spannen und dann mit den Fingern bearbeiten – so und so!«
»Und das ist alles?« fragte Billy skeptisch.
»Alles!« sagte der andere stolz. »Für jede sichtbare Muskel hat man fünf, die nicht zu sehen sind, die man aber doch beherrscht. Setzen Sie den Finger an eine beliebige Stelle meines Körpers – dann werden Sie sehen.«
Billy tat, wie er sagte, und berührte seine rechte Brust. »Sie verstehen wohl etwas von Anatomie, da Sie eine Stelle wählen, wo es keine Muskeln gibt«, schalt Hall. Billy grinste triumphierend, dann aber sah er zu seinem Erstaunen, dass unter seinem Finger eine Muskel erschien. Er tupfte darauf und spürte, dass es ein harter, fester Muskel war.
»Massage unter Spannung!« triumphierte Hall.
»Nur weiter – wo Sie wollen!«
Und überall, wo Billy hinfühlte, kamen große und kleine Muskeln zum Vorschein, die sich unter seinen Händen hoben, zitterten und wieder zusammensanken, bis der ganze Körper eine wogende Masse von lebendigem, willensbeseelten Fleisch wurde.
»So was hab’ ich noch nie gesehen«, sagte Billy schließlich mit großer Verwunderung. »Und ich habe doch in meinem Leben viele gute Männer unbekleidet gesehen. Sie sind ja lauter lebendige Seide!«
»Das kommt alles von der Massage und der Spannung, mein Freund! Die Ärzte hatten mich aufgegeben. Meine Freunde nannten mich die kranke Ratte und den räudigen Poeten und dergleichen mehr. Da verließ ich die Stadt, reiste nach Carmel und begann ein richtiges Leben im Freien – und Massage unter Spannung.«
»Aber Jim Hazard hat seine Muskeln nicht auf die Art bekommen«, sagte Billy herausfordernd.
»Nein, das hat er nicht, der glückliche Kerl – er ist mit ihnen geboren. Ich