Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
ihn zu Boden zu schlagen. Rivera gedachte nicht, sich diese Gelegenheit entgehen zu lassen. Er umkreiste seinen Gegner, aber der Schiedsrichter kreiste vor ihm, und Rivera merkte, dass die Sekunden, die er zählte, sehr lange dauerten. Alle Gringos waren gegen ihn, sogar der Schiedsrichter.
Bei »neun« gab der Schiedsrichter Rivera einen Stoß, dass er zurückflog. Das war unfair, aber dadurch wurde es Danny möglich, lächelnd wieder aufzustehen. Halb gekrümmt und mit den Armen Gesicht und Unterleib schützend, wankte er vorwärts und ging gewandt in Clinch. Nach den Regeln des Boxsports hätte der Schiedsrichter seinen Griff lösen müssen, aber er tat es nicht, und Danny klammerte sich an wie eine Muschel im Wogenprall der Brandung und kam allmählich wieder zu Kräften. Die letzte Minute der Runde war angebrochen. Wenn er bis zu ihrem Ende durchhielt, konnte er sich eine ganze Minute lang in seiner Ecke erholen. Und er hielt durch und lächelte trotz aller Verzweiflung und Kläglichkeit.
»Seht, Danny lächelt!« schrie einer, und das Publikum lachte laut und erleichtert.
»Eine verfluchte Stoßkraft hat der Lausebengel«, sagte Danny ächzend in seiner Ecke zu dem Trainer, während seine Adjutanten ihn wie toll bearbeiteten. Die zweite und die dritte Runde waren matt. Danny, der ein kalter, gerissener Boxer war, stellte sich und blockte, um sich von dem betäubenden Schlag, den er in der ersten Runde bekommen hatte, zu erholen. In der vierten Runde war er wieder ganz der alte. Obwohl er zerschlagen und verwirrt war, setzte seine gute Form ihn instand, seine Kraft wiederzugewinnen. Aber er versuchte es nicht wieder mit seiner mörderischen Taktik. Der Mexikaner hatte ihm gezeigt, dass sie bei ihm versagte. Statt dessen tischte er jetzt seine besten Boxerkünste auf. In allen Tricks sowohl wie in Erfahrung und Ausbildung war er ein Meister; wenn er auch nichts Entscheidendes ausrichten konnte, so schlug er doch weiter auf seinen Gegner los und zermürbte ihn nach allen Regeln der Kunst. Er schlug dreimal, wenn Rivera einmal schlug, aber es waren nicht entscheidende Schläge. Die Summe vieler Schläge sollte den Ausschlag geben. Er bewunderte diesen mit beiden Händen gleich gut boxenden Neuling, dessen Fäuste mit erstaunlicher Wucht stießen.
In der Verteidigung zeigte Rivera sich im Besitz einer erstaunlichen Technik der Linken. Immer wieder, in einem Angriff nach dem anderen, schoss sie vor und richtete Dannys Mund und Nase übel zu. Aber Danny passte sich an. Das war es, was ihn später zum Weltmeister machen sollte. Er konnte nach Belieben eine Kampfart mit der anderen vertauschen. Jetzt rückte er seinem Gegner nahe auf den Leib. Durch diese Technik, die ihm besonders lag, wurde es ihm möglich, der Linken des anderen zu entgehen. Jetzt brachte er das Publikum mehrmals dazu, vor Begeisterung zu toben, und den Vogel schoss er ab, indem er durch einen mächtigen Schlag den Mexikaner in die Luft hob und auf die Matte fallen ließ. Rivera ruhte auf dem einen Knie und nutzte die Sekunden nach Möglichkeit aus, aber er war innerlich überzeugt, dass der Schiedsrichter die Sekunden für ihn sehr abkürzte.
In der siebenten Runde glückte es Danny wieder, den teuflischen Schlag zu landen. Er brachte Rivera nur zum Wanken, aber im nächsten Augenblick, als er hilf- und wehrlos dastand, ließ er ihn durch einen neuen Schlag zwischen den Seilen hindurchfliegen. Rivera fiel mitten zwischen die Presseleute, die ihn aufhoben und außerhalb der Seile in seine Ecke beförderten. Hier ruhte er auf dem einen Knie, während der Schiedsrichter eilig die Sekunden zählte. Innerhalb der Seile, unter denen er sich ducken musste, um wieder auf den Kampfplatz zu gelangen, wartete Danny auf ihn. Der Schiedsrichter legte sich weder dazwischen, noch stieß er Danny zurück.
Die Zuschauer waren außer sich vor Begeisterung. »Schlag ihn tot, Danny, schlag ihn tot!« wurde gebrüllt.
Dutzende von Stimmen griffen den Schrei auf, und es klang wie das Kriegsgeheul eines Wolfsrudels.
Danny tat sein Bestes, als aber nicht »neun«, sondern erst »acht« gezählt wurde, schlüpfte Rivera unerwartet durch die Seile hinein und rettete sich durch Clinchen. Jetzt war der Schiedsrichter gleich da, riss ihn los, sodass er getroffen werden konnte, und half Danny so viel, wie ein unfairer Schiedsrichter helfen kann.
Aber Rivera überstand den Angriff, und der Schwindel verzog sich aus seinem Hirn. Sie waren alle gleich. Sie waren die verhassten Gringos, und sie waren alle unehrlich. Aber selbst in den schlimmsten Augenblicken leuchteten und funkelten die Visionen in seinem Hirn – lange Eisenbahnzüge, die durch die Wüste ratterten, Gefängnisse und Kerker, Vagabunden an Wasserstellen – das ganze qualvolle, schmutzige Panorama, das er auf seinem Umherirren nach den Tagen von Rio Blanco und dem Streik gesehen hatte. Und in einer herrlichen, strahlenden Vision sah er die große Revolution über das Land hinbrausen. Die Gewehre waren da, gerade vor ihm. Jedes einzelne der verhassten Gesichter war ein Gewehr. Für die Gewehre kämpfte er. Er und die Gewehre waren eins. Er und die Revolution waren eins. Er kämpfte hier für ganz Mexiko.
Das Publikum begann ärgerlich auf Rivera zu werden. Warum steckte er die Prügel nicht ein, die ihm zugedacht waren? Natürlich wurde er besiegt, aber warum machte er da so viele Geschichten? Nur sehr wenige interessierten sich für ihn, und das war der bestimmte, begrenzte Prozentsatz von Spielern, die ein hohes Spiel spielten. Obwohl sie an Dannys Sieg glaubten, hatten sie doch vier zu zehn oder eins zu drei auf den Mexikaner gesetzt. Ziemlich erheblich waren die Wetten, wie viele Runden Rivera durchhalten würde. Manche hatten sogar leichtsinnigerweise darauf gesetzt, dass er keine sieben, ja keine sechs Runden durchhalten würde. Die, welche dagegen gehalten, also gewonnen und die Frage bezüglich des gewagten Geldes glücklich gelöst hatten, schlossen sich jetzt den anderen an und jubelten dem Mexikaner zu.
Rivera wollte sich nicht schlagen lassen. In der achten Runde versuchte sein Gegner vergebens, den Uppercut zu wiederholen. Die neunte Runde verblüffte wieder das Publikum. Mitten in einem Clinch machte sich Rivera mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung frei, und in dem engen Zwischenraum zwischen ihren Leibern fuhr seine Rechte von unten hoch. Danny ging auf den Boden und nutzte das Zählen aus. Die Zuschauer waren erschrocken. Er war auf seinem eigenen Gebiet geschlagen. Sein berühmter rechter Uppercut war gegen ihn selbst angewandt worden. Als er bei »neun« aufstand, versuchte Rivera nicht, ihn zu treffen. Der Schiedsrichter hätte es ja doch verhindert, obwohl er im umgekehrten Falle, wenn es Rivera war, der aufstehen sollte, beiseite trat.
In der zehnten Runde führte Rivera den rechten Uppercut vom Gürtel gegen das Kinn seines Gegners aus. Danny geriet vor Wut außer sich. Das Lächeln verließ zwar nicht einen Augenblick sein Gesicht,