Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
Richter, der meinte, dass er wahnsinnig geworden wäre. »Ich muss mir ein paar Beulen schlagen. In so etwas muss man sehr realistisch sein.«
»Sie sind wahnsinnig«, sagte Richter Witberg mit zitternder Stimme.
»Gebrauchen Sie nicht so hässliche Worte, wenn Sie von mir sprechen«, sagte Watson. »Können Sie kein zerschlagenes, blutendes Gesicht sehen? Das ist Ihr Werk, das haben Sie mit Ihrer rechten Hand getan. Sie haben mich zweimal geschlagen. Das ist ein brutaler Überfall ohne jede Veranlassung. Ich befinde mich in Lebensgefahr. Ich muss mich verteidigen.«
Erschrocken über die drohenden Fäuste des anderen, wich Witberg zurück.
»Wenn Sie mich schlagen, lasse ich Sie verhaften«, drohte er.
»Genau die Worte, die ich zu Patsy sagte«, lautete die Antwort. »Und wissen Sie, was er tat, als ich ihm das sagte?«
»Nein.«
»Das!«
Und im selben Augenblick schlug Watson mit seiner rechten Faust dem Richter Witberg ins Gesicht, dass der Herr auf den Rücken ins Gras fiel.
»Stehen Sie auf!« kommandierte Watson. »Wenn Sie ein Gentleman sind, so stehen Sie auf, das sagte Patsy zu mir, wie Sie wissen.«
Richter Witberg war nicht imstande, selbst aufzustehen. Ein Griff am Rockschoss brachte ihn auf die Beine, aber nur, um ihn mit einem blauen Auge wieder zu Boden zu schicken. Und nun wurde Richter Witberg nach allen Regeln der Kunst verprügelt. Seine Backen wurden in boxerische Behandlung genommen, seine Ohren gequetscht und sein Gesicht gegen den Rasen geschleudert. Und Watson erklärte ihm dabei unaufhörlich, wie Patsy Horan es gemacht hätte. Gelegentlich versetzte ihm der vergnügte Mann einen sorgfältig gezielten gehörigen Schlag. Einmal stieß er, nachdem er den armen Richter wieder auf die Beine gekriegt hatte, seine eigene Nase gegen den Kopf des Richters. Die Nase begann sofort zu bluten.
»Sehen Sie!« rief Watson, trat zurück und ließ das Blut auf seine Hemdbrust fließen. »Das haben Sie getan. Das haben Sie mit Ihrer Faust getan. Das ist schrecklich. Ich bin halb totgeschlagen. Ich muss mich wieder verteidigen.«
Und noch einmal fuhr eine Faust in Richter Witbergs Gesicht und schickte ihn zu Boden.
»Ich lasse Sie bestimmt verhaften.«
»Das tun Sie nicht, und wenn ich Sie halb totschlagen würde.«
Und mit diesen Worten nahm Carter Watson Abschied, stieg den Hügel hinab, sprang auf sein Pferd und ritt nach der Stadt.
Als Richter Witberg eine Stunde später durch die Bergschlucht nach seinem Hotel gehinkt kam, wurde er von einem Dorfpolizisten wegen gewalttätigen Überfalls auf Carter Watson verhaftet.
V
»Herr Richter«, sagte Watson am nächsten Tage zu dem Dorfrichter, einem wohlhabenden Farmer, der vor dreißig Jahren sein Examen an einer landwirtschaftlichen Hochschule gemacht hatte, »da dieser Sol Witberg sich veranlasst gesehen hat, mich wegen gewalttätigen Überfalls anzuzeigen, nachdem ich ihn wegen desselben Delikts angezeigt habe, beantrage ich, dass beide Sachen zusammengelegt werden. Zeugen und Tatsachen sind in beiden Sachen dieselben.«
Der Richter willigte ein, und die Verhandlung nahm ihren Anfang. Watson betrat als Angeklagter zuerst den Zeugenstand und machte seine Aussagen.
»Ich pflückte Blumen«, erklärte er. »Pflückte Blumen auf meinem eigenen Grund und Boden und witterte kein Unheil. Plötzlich sprang dieser Mann aus seinem Versteck hinter den Bäumen auf mich los. ›Ich bin Dodo‹, sagte er, ›und ich kann Hackfleisch aus dir machen. Hebe die Hände hoch!‹
Ich lächelte, aber im selben Augenblick schlug er zu, warf mich zu Boden und verdarb meine Blumen. Die Sprache, die er mir gegenüber führte, war entsetzlich. Es war ein ganz grundloser, brutaler Überfall. Sehen Sie nur meine Backe! Sehen Sie meine Nase! Ich konnte es überhaupt nicht begreifen. Er muss betrunken gewesen sein. Ehe ich mich von meiner Überraschung erholte, hatte er mir schon diesen Schlag zugefügt. Ich fühlte mein Leben bedroht und musste mich verteidigen. Das ist alles, Herr Richter, aber ich muss noch einmal gestehen, dass ich mich von meiner Überraschung gar nicht erholen kann. Warum hat er sich Dodo genannt? Warum hat er mich so leichtfertig angegriffen?«
Und so erhielt Sol Witberg eine gründliche Belehrung in der Kunst, einen Meineid zu schwören.
Er hatte oft auf seinem hohen Richterstuhl im Schnellgericht nachsichtig meineidigen Zeugenaussagen und erdichteten Geschichten gelauscht; aber zum ersten Mal richtete sich jetzt eine meineidige Aussage gegen ihn selbst, und diesmal saß er nicht mit Gerichtsdienern, Polizeiknüppeln und Gefängniszellen hinter sich auf dem Richterstuhl.
»Herr Richter«, rief er, »ich habe noch nie eine solche Sammlung von Lügen und einen so frechen Lügner gehört –«
Aber im selben Augenblick sprang Watson auf. »Herr Richter, ich protestiere. Es ist Sache des hohen Gerichtshofes, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Der Zeuge hat nur über die wirklichen Geschehnisse auszusagen. Seine persönliche Meinung von den Dingen im Allgemeinen und von mir im besonderen hat nicht das geringste mit der Sache zu tun.«
Der Richter kratzte sich den Kopf und wurde aufgeregt, ohne jedoch seine Ruhe zu verlieren.
»Der Protest ist berechtigt«, entschied er. »Ich bin erstaunt, dass Sie, Herr Witberg, der Sie Richter und wohlbewandert in Gesetz und Recht sein wollen, sich eines so wenig korrekten Benehmens schuldig machen. Wir sind hier, um festzustellen, wer zuerst geschlagen hat, und Ihre Ansichten über den persönlichen Charakter des Herrn Watson interessieren uns nicht. Fahren Sie in Ihrer Darstellung fort.«
Sol Witberg würde sich vor Wut gern in seine zerschlagene und geschwollene Lippe gebissen haben, wenn es nicht so weh getan hätte, aber er beherrschte sich und erstattete einen klaren, aufrechten und wahren Bericht.
»Herr Richter«, sagte Watson. »Ich beantrage, ihn zu fragen, was er auf meinem Grund und Boden zu tun hatte.«
»Eine sehr berechtigte Frage. Was hatten Sie, mein Herr, auf Herrn Watsons Grund und Boden zu tun?«
»Ich wusste nicht, dass es sein Grund und Boden war.«
»Es war eine Übertretung meines gegen Unbefugte erlassenen Verbots, Herr Richter«, rief Watson. »Die entsprechenden Schilder sind in auffälliger Weise angebracht.«
»Ich habe kein solches Schild gesehen«, sagte