Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
um sie. Corry Hutchinson war immer noch mit seinen Mokassins beschäftigt. Pentfield blickte schnell von Gesicht zu Gesicht. Dann wandte er sich nach dem Schlitten.
»Wir können nicht den ganzen Tag hier stehenbleiben, wenn Petes Kindchen auf uns wartet«, sagte er zu Laschka.
Die lange Hundepeitsche zischte durch die Luft, die Hunde warfen sich in die Sielen, und der Schlitten wurde schlingernd vorwärts geschleudert.
»Hör, Corry«, rief Pentfield über die Schulter zurück. »Du kannst ruhig die alte Hütte nehmen. Ich habe sie einige Zeit nicht benutzt. Ich habe eine neue oben auf dem Hügel gebaut.«
Die Liebe zum Leben
Sie humpelten unter Schmerzen den Hang hinunter, und einmal stolperte der vorderste der beiden Männer über einen der herumliegenden Felsblöcke. Sie waren sehr erschöpft und kraftlos. Ihre Gesichter trugen den Ausdruck bitterer Geduld, der eine Folge allzulang ertragener Entbehrungen ist. Sie schleppten schwere Lasten auf dem Rücken, Deckenbündel, die mit Riemen an den Schultern befestigt waren. Auch um die Stirn hatten sie einen Riemen gelegt, um den Druck der Bündel auf die Schultern zu erleichtern. Jeder trug ein Gewehr. Sie gingen gebückt, die Schultern weit vorgeschoben, den Kopf tief hinabhängend, die Augen starr auf den Boden gerichtet. »Ich wünschte, wir hätten zwei von den Patronen, die wir in unserm Depot liegen haben«, sagte der Mann, der hinterherging.
Seine Stimme hatte einen unheimlich gleichgültigen Klang. Er sprach ohne jeden Eifer, und der vorangehende, der soeben in den milchigen Strom hinaushinkte, der über die Felsblöcke schäumte, würdigte ihn keiner Antwort.
Der andere folgte ihm auf den Fersen. Es fiel ihnen nicht ein, sich die Fußbekleidung auszuziehen, obgleich das Wasser eisig kalt war – so kalt, dass ihnen die Gelenke schmerzten und die Füße ganz unempfindsam wurden. An einzelnen Stellen ging ihnen das Wasser bis zu den Knien, und beide Männer waren nahe daran, das Gleichgewicht zu verlieren.
Der zweite Mann glitt auf einem glatten Kieselstein aus. Er wäre beinahe gestürzt, kam jedoch mit einer gewaltigen Anstrengung wieder auf die Beine und stieß dabei einen scharfen Schmerzensruf aus. Er schien plötzlich kraftlos und schwindlig zu werden, streckte die freie Hand aus und fuchtelte mit ihr in der Luft herum, wie um eine Stütze zu finden. Als er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, ging er einige Schritte vorwärts, taumelte jedoch abermals, fuchtelte mit den Armen und schien fallen zu wollen. Dann blieb er stehen und sah dem anderen Manne nach, der nicht ein einziges Mal den Kopf gedreht hatte.
Eine volle Minute blieb er stehen, als ob er etwas ernst überlegte. Dann rief er laut:
»Hörst du denn nicht, Bill, ich hab’ mir den Fuß verstaucht.«
Bill wankte weiter durch den milchigen Strom. Er wandte nicht den Kopf, sah sich nicht um. Der andere stand noch immer da und sah ihn gehen. Und obgleich sein Gesicht ausdruckslos wie zuvor war, glichen seine Augen denen eines verwundeten Hirsches.
Bill erkletterte unterdessen das andere Ufer und setzte seinen Weg fort, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen. Der Mann im Fluss beobachtete ihn. Seine Lippen zitterten ein wenig, sodass die langen rauen Haare des braunen Bartes, der sie verbarg, sich sichtlich bewegten. Er befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge.
»Bill!« rief er.
Es war der verzweifelte Hilferuf eines starken Mannes, der in Not war, aber Bill wandte nicht einmal den Kopf. Der Zurückgebliebene sah ihn weitergehen. Sah, wie er grotesk dahinhumpelte, sich mit unsicheren Schritten den sanft ansteigenden Hang zu der dunstigen Kuppe des niedrigen Hügels hinauf schlich. Er sah ihm nach, bis er den Kamm erreicht hatte und hinter dem Horizont verschwunden war. Dann wandte er den Blick ab und ließ ihn langsam in dem engen Kreis schweifen, der jetzt nach Bills Verschwinden alles war, was ihm von der Welt geblieben.
Tief am Horizont glomm fahl die Sonne, fast verborgen hinter gestaltlosen Nebeln und Dämpfen, die wie dichte Massen, aber ohne feste Form und Linien wirkten. Der Mann nahm die Uhr heraus, während er sich mit seinem ganzen Gewicht auf das eine Bein stützte. Es war vier. Und da es schon Ende Juli oder Anfang August sein musste – er wusste seit einer Woche oder vierzehn Tagen das Datum nicht mehr genau –, zeigte die Sonne jetzt, wenn auch nur ungenau, die Nordwestrichtung an. Er warf einen Blick nach dem Süden – irgendwo dort unten jenseits der öden und windigen Hügel lag – das wusste er – der Große Bärensee. Er wusste auch, dass in dieser Richtung der Polarkreis die Einöden Kanadas durchschnitt. Der Fluss, in dem er jetzt stand, war ein Nebenfluss des Coppermine, der nach Norden strömte und in die Coronation-Bucht und in das Nördliche Eismeer mündete. Er war noch nie dort gewesen, hatte es aber einmal auf einer Karte bei der Hudson-Bay-Company gesehen.
Wieder durchmaß sein Blick den Kreis der Welt, die ihm geblieben war. Es war kein sehr erheiterndes Schauspiel, das sich ihm darbot. Wo er hinsah – überall derselbe weiche Horizont. Die Hügel waren alle sehr niedrig. Nirgends waren Bäume, nirgends Gebüsch oder Gras zu sehen … es gab nichts als erschütternde, furchtbare Öde und Einsamkeit. Langsam und leise tauchte unüberwindbare Furcht in seinen Augen auf.
»Bill!« flüsterte er, einmal, zweimal. »Bill!«
Er watete in das milchige Wasser hinein, als ob die ungeheure Öde ihn mit unwiderstehlicher Schwere weiterschob, während sie ihn mit grausamer, brutaler Freude zermalmte. Wie in einem Anfall von Schüttelfrost zitterte er, bis das Gewehr ihm aus der Hand und mit einem Plätschern ins Wasser fiel. Das brachte ihn wieder zu sich. Er bekämpfte seine Angst und nahm sich gewaltsam zusammen. Er bückte sich, suchte im Wasser, bis er sein Gewehr gefunden hatte, und hob es auf. Dann schob er sich das Bündel weiter auf die linke Schulter hinauf, als ob er dadurch dem rechten Fuß, den er sich verstaucht hatte, das Gewicht abnehmen wollte. Und langsam und vorsichtig näherte er sich, vor Schmerzen zuckend, dem anderen Ufer.
Hier blieb er nicht stehen. Mit einer verzweifelten Anstrengung, die an Wahnsinn grenzte, eilte er, ohne auf den Schmerz zu achten, den Hügel hinan, um den Gipfel zu erreichen, hinter dem sein Kamerad vorhin verschwunden war … noch grotesker und noch tragikomischer anzusehen, als sein humpelnder, springender Genosse es gewesen. Als er aber den Gipfel erreicht hatte, sah er vor sich nur ein flaches Tal, das von allem Leben entblößt war. Wieder bekämpfte er seine Angst, überwand sie, schob sich das Bündel noch weiter nach links hinüber und taumelte den Hang hinunter.
Die Sohle des Tales war feucht. Dichtes Moos klebte wie nasser Schwamm an den Fersen. Das Wasser quoll bei jedem Schritt, den er machte, unter seinen Füßen hervor. Und