Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
tanze so gern«, antwortete sie.
Aber aus der Art, wie sie es sagte, verstand er, dass sie am liebsten nicht reden wollte, und sie tanzten schweigend weiter, während sie sich froh und stolz über diese Rücksicht fühlte, die sie als Weib vollauf zu schätzen wusste. Rücksicht war eine seltene Ware in der Gesellschaftsschicht, der sie angehörte. Ist dies der Mann? Sie erinnerte sich Marys: »Ich würde ihn lieber heute als morgen heiraten« und ertappte sich bei dem Gedanken, ob sie Billy Roberts morgen heiraten würde, wenn er sie fragte.
Die Augen zu schließen und sich in diesen Armen fortzuträumen, die so wunderbar führten! Ein Boxer! Ein komischer kleiner Schauder durchfuhr sie bei dem Gedanken daran, was Sarah sagen würde, wenn sie sie in diesem Augenblick sähe. Im übrigen war er ja gar nicht Boxer, sondern Kutscher.
Plötzlich ging die Musik in einen ganz anderen Takt über, die Schritte wurden länger, der Druck seines Armes wurde fester, er hob und trug sie, obwohl ihre kleinen Füße in den Samtschuhen nicht einen Augenblick den Fußboden verließen. Dann fielen sie, ebenso plötzlich, wieder in den kurzen Takt zurück. Sie merkte, wie er sie ein winziges Stück von sich abhielt, sodass er ihr ins Gesicht sehen konnte, und das war so lustig, dass sie sich anlachen mussten.
Schließlich wurde die Musik langsamer, und mit ihr verlangsamten sie ihren Tanz, ließen ihn in ein langes Gleiten verebben und hörten mit dem letzten ersterbenden Ton auf.
»Wir sind als Tänzer wie für einander geschaffen«, sagte er.
»Es war ein Traum«, antwortete sie.
Ihre Stimme war so leise, dass er sich zu ihr herabbeugen musste, um zu hören, was sie sagte, und dabei bemerkte er die Röte in ihren Wangen – eine Röte, die sich gleichsam ihren Augen mitgeteilt hatte, welche warm und verschleiert waren. Er nahm ihre Ballkarte und schrieb mit tiefem Ernst und riesigen Buchstaben seinen Namen quer darüber.
»Und jetzt ist sie somit zwecklos«, sagte er dreist. »Sie brauchen sie nicht mehr.«
Er zerriss sie und warf sie weg.
»Das nächstemal kommen wir beide dran, Saxon«, sagte Bert, als er mit Mary zu ihnen trat. »Dann kannst du für den nächsten Tanz Mary nehmen, Bill.«
»Nicht zu machen, Bert«, lautete die Antwort. »Saxon und ich haben uns für den Rest des Tages zusammengetan.«
Mary betrachtete sie mit verstellt besorgter Miene, und Bert sagte gutmütig:
»Ich muss sagen, ihr seid schnell einig geworden. Aber einerlei – wenn ihr noch ein paar Runden getanzt habt, dann erlauben Mary und ich uns hiermit, euch zum Essen einzuladen.«
»Mir aus der Seele gesprochen«, stimmte Mary ein.
»Na, lasst es gut sein«, lachte Billy und wandte den Kopf, dass er Saxon in die Augen sehen konnte. »Hören Sie nicht auf sie – sie ärgern sich nur, weil sie miteinander tanzen müssen. Bert tanzt schrecklich, und Mary ist auch nicht viel wert. So, jetzt geht es wieder los. Nach zwei Tänzen sehen wir uns wieder.«
*
Sie aßen im Freien, unter Bäumen, und Saxon bemerkte, dass es Billy war, der für sie alle bezahlte. Sie kannten viele der jungen Leute an den anderen Tischen, und Grüße und Scherze flogen hin und her. Bert nahm sich viele und zuweilen etwas plumpe Freiheiten gegen Mary heraus, legte seine Hand auf die ihre, ergriff sie und hielt sie fest, und einmal riss er ihr mit Gewalt ihre zwei Ringe ab und weigerte sich lange, sie zurückzugeben. Zuweilen, wenn er den Arm um sie legte, machte Mary sich sofort wieder frei, zuweilen aber ließ sie es sich auch gefallen, indem sie sorgsam, doch so, dass sie niemand damit täuschte, tat, als bemerkte sie es nicht.
Und Saxon, die nicht viel sagte, sondern Billy Roberts zum Gegenstand eines eingehenden Studiums machte, dachte, dass er derlei sicher ganz anders machen würde, wenn er sich überhaupt darauf einließe. Jedenfalls würde er nie ein Mädchen antasten, wie Bert und viele andere es taten. Sie maß die breiten Schultern Billys.
»Warum nennt man Sie eigentlich den Großen Bill?« fragte sie. »Sie sind doch gar nicht so schrecklich groß.«
»Nein«, gab er zu. »Ich messe nicht mehr als fünf Fuß und dreiviertel Zoll. Es ist wohl mein Gewicht, denke ich.«
»Sein Kampfgewicht ist hundertundachtzig«, warf Bert ein.
»Ach, lass doch«, sagte Billy schnell, und ein Schatten von Unwillen verdunkelte seine Augen. »Ich bin nicht Boxer. Ich bin im letzten halben Jahr nicht mehr aufgetreten. Ich habe damit aufgehört. Es lohnt sich nicht.«
»Du hast doch an dem Abend, als du den Frisco-Boxer schlugst, zweihundert verdient«, rief Bert mit Stolz.
»Lass doch, lass doch, sage ich. Aber hören Sie, Saxon, Sie sind selbst auch nicht groß, aber Sie sind prachtvoll gewachsen, genau so, wie man sein muss, das können Sie jedem sagen, der Sie fragt. Sie sind voll und schlank zugleich. Ich möchte darauf wetten, dass ich Ihr Gewicht erraten kann.«
»Die meisten raten zu hoch«, warnte sie ihn, aber im stillen dachte sie darüber nach, warum sie sich gleichzeitig freute und ärgerte, weil er nicht mehr boxte.
»Ich nicht«, sagte er. »Ich rate jedes Gewicht.« Er betrachtete sie kritisch, und es war klar, dass seine Unparteilichkeit einen kleinen Kampf mit der warmen Bewunderung zu bestehen hatte, die sein Blick verriet. »Warten Sie einen Augenblick.«
Er beugte sich zu ihr und befühlte ihre Arme und Muskeln. Seine Finger pressten sich um ihren Arm mit einem Druck, der fest und ehrlich war, und Saxon fühlte einen kleinen Schauder dabei. Es lag eine Art Zauber über diesem großen Jungen von Mann. Wenn Bert oder ein anderer Mann ihren Arm so angefühlt hätte, würde sie das nur gereizt haben. Aber dieser Mann! Ist dies der Mann? fragte sie sich wieder, während er sein Urteil abgab.
»Ihre Kleider können nicht mehr als sechs Pfund wiegen, und sechs von – nun – sagen wir 111 – 105 wiegen Sie nackt.«
Aber die letzten Worte veranlassten laute Einsprüche Marys.
»Nun hören Sie aber, Billy Roberts, von so etwas spricht man doch nicht.«
Er sah sie verständnislos und mit steigendem Erstaunen an.
»Von was?« sagte er schließlich.
»Da hast du es wieder. Du solltest dich schämen. Sieh nur, du hast Saxon ganz verlegen gemacht.«
»Das ist nicht wahr«, protestierte Saxon indigniert.
»Und wenn es so weitergeht, Mary, machst du mich schließlich noch ganz verlegen«, brummte Billy. »Ich weiß wohl noch, was richtig ist und was nicht. Es kommt nicht darauf an, was man sagt, sondern was man denkt, und ich denke ganz richtig, und das weiß Saxon gut. Und sie