Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
Billy brach in ein herzhaftes Lachen aus, in das Bert einstimmte.
»Und mir ist es gleichgültig«, protestierte Mary. »Ihr seid beide ekelhaft und du auch, Saxon. Das hätte ich nie von dir gedacht.«
»Nun hör mal zu, Kindchen«, begann Bert beruhigend und legte leise den Arm um sie.
Aber in der künstlichen Erregung, in die Mary sich hineingeredet hatte, stieß sie seinen Arm zornig zurück. Dann wurde sie ängstlich, die Gefühle ihres Anbeters verletzt zu haben, und begann ihn daher auf alle mögliche Weise zu necken, wodurch sie auch selbst wieder in gute Laune kam. Er durfte wieder seinen Arm um sie legen, und, die Köpfe aneinandergelehnt, sprachen sie flüsternd miteinander.
Billy begann diskret eine Unterhaltung mit Saxon.
»Wissen Sie, Sie haben aber einen komischen Namen. Ich habe ihn noch nie gehört. Aber er klingt gut. Er gefällt mir.«
»Meine Mutter gab ihn mir. Sie hatte eine gute Erziehung genossen und kannte alle möglichen Fremdwörter. Sie las immer Bücher, fast bis zu ihrem Tode. Und sie schrieb eine Menge. Ich habe einige von ihren Gedichten, die vor langer Zeit in einer San-Joséer Zeitung gestanden haben. Die Sachsen waren ein Volksstamm – sie erzählte mir eine Menge von ihnen, als ich klein war. Sie waren wild wie die Indianer, aber weiß. Und sie hatten blaue Augen und gelbes Haar und waren gewaltige Krieger.«
Während sie sprach, hörte Billy ganz feierlich zu, und seine Augen hafteten unabgewandt auf ihr.
»Nie von ihnen gehört«, gestand er. »Lebten sie vielleicht irgendwo hier in der Nähe?«
Sie lachte.
»Nein. Sie lebten in England. Sie waren die ersten Engländer, und Sie wissen wohl, dass die Amerikaner von den Engländern abstammen. Wir sind Sachsen, Sie und ich, und Mary und Bert und alle Amerikaner, die richtige Amerikaner sind, wissen Sie, nicht Italiener, Japaner und dergleichen.«
»Meine Familie lebt schon lange in Amerika«, sagte Billy sinnend, »die Familie meiner Mutter. Sie ließen sich vor hundert Jahren in Maine nieder.«
»Mein Vater war auch aus Maine«, fiel sie ihm mit einem kleinen Freudenschrei ins Wort. »Und meine Mutter ist in Ohio oder da herum geboren. Was war Ihr Vater?«
»Weiß nicht.« Billy zuckte die Achseln. »Er wusste es selber nicht. Und kein anderer wusste es. Aber deshalb war er doch Amerikaner; Amerikaner durch und durch, darauf können Sie sich verlassen.«
»Roberts ist ein alter amerikanischer Name«, versicherte Saxon. »Es gibt gerade jetzt einen großen englischen General, der Roberts heißt. Das habe ich in der Zeitung gelesen.«
»Ja, aber mein Vater hieß nicht Roberts. Er hat seinen Namen nie gekannt. Roberts hieß ein Goldgräber, der ihn adoptierte. Sehen Sie, es verhielt sich so. Damals, als sie sich mit den Modoc-Indianern herumschlugen, waren eine Menge Goldgräber und Kolonisten dabei. Roberts war der Anführer eines solchen Korps, und einmal machten sie nach einem Kampf viele Gefangene, Indianerfrauen, Kinder und Säuglinge. Und eines dieser Kinder war mein Vater. Sie schätzten ihn auf fünf Jahre. Er sprach nur indianisch.«
Saxon schlug die Hände zusammen, und ihre Augen strahlten: »Er war bei einem Indianerüberfall gefangen worden!«
»So erklärten sie es«, nickte Billy. »Sie hatten von einem Wagenzug von Oregonkolonisten gehört, die vier Jahre zuvor von Modoc-Indianern erschlagen worden waren. Roberts adoptierte ihn, und deshalb weiß ich seinen richtigen Namen nicht. Aber Sie können sich darauf verlassen, dass er doch mit dabei war, als es über die Prärie ging.«
»Mein Vater auch«, sagte Saxon stolz.
»Und meine Mutter auch«, fügte Billy mit einem Anstrich von Stolz in der Stimme hinzu. »Sie ging sogar recht jung über die Prärie, denn sie wurde unterwegs in einem Wagen am Platte geboren.«
»Ja, und meine Mutter!« sagte Saxon. »Die war acht Jahre alt und ging den größten Teil des Weges zu Fuß, denn die Ochsen begannen zu fallen.«
Billy streckte die Hand aus.
»Her damit, Kindchen!« sagte er. »Es ist ganz, als wären wir alte Freunde, denn unsere Familien sind vom gleichen Schlage.«
Mit schimmernden Augen reichte Saxon ihm die Hand, und er drückte sie ernst.
Sie sahen sich freudestrahlend an; sie hatten einen neuen Anknüpfungspunkt gefunden.
»Nun, aber sie sind ja alle tot und begraben«, bemerkte Bert düster. »Es macht keinen Unterschied, ob man in einer Schlacht stirbt oder im Armenhaus. Die Hauptsache ist, dass sie tot sind. Mir wäre es vollkommen gleichgültig, wenn mein Vater gehängt worden wäre. In tausend Jahren hat das alles nichts mehr zu sagen.«
Es war unterdessen voller geworden, und das muntere Klirren von Tellern und Schüsseln hatte natürlich zugenommen. Hie und da hörte man Bruchstücke von Liedern. Das derbe Lachen der Männer mischte sich mit dem grellen Kreischen der Mädchen, als die beiden Geschlechter ihre ewigen Scharmützel begannen. Viele der Männer standen schon deutlich unter der Wirkung der Getränke. An einem Tisch in der Nähe begannen einige Mädchen Billy zuzurufen, und Saxon, die schon ein sehr lebhaftes Gefühl von ihrem Besitzrecht hatte, konstatierte eifersüchtig, dass er eine in hohem Maße gesuchte Persönlichkeit war.
Mary machte ihrem Ärger Luft. »Sind sie nicht ekelhaft? So frech. Ich weiß gut, wer sie sind. Kein Mädchen, das was auf sich hält, will mit ihnen zu tun haben. Hört nur, was sie sagen!«
»Guten Tag, Billy«, rief eine von ihnen, ein fesches Mädchen mit braunen Augen. »Ich hoffe doch, du hast mich nicht vergessen.«
»Guten Tag, Kindchen«, antwortete er galant.
Saxon schmeichelte sich, dass er ärgerlich aussah, und fasste einen schrecklichen Abscheu gegen die Braunäugige.
»Tanzen?« rief sie wieder.
»Vielleicht«, antwortete er und wandte sich unvermittelt zu Saxon. »Hören Sie, wir alten Amerikaner sollten eigentlich zusammenhalten, finden Sie nicht auch? Es gibt nicht mehr viele von uns. Das Land ist so voll von allen möglichen Fremden.« Er setzte das Gespräch mit leiser, vertraulicher Stimme fort und beugte den Kopf dicht zu dem ihren, wie um den anderen Mädchen zu verstehen zu geben, dass er besetzt war.
Am Tisch gegenüber hatte ein junger Mann Saxon erblickt. Er war wie ein richtiger Halbstarker gekleidet, und seine Gesellschaft, Männer wie Frauen, wirkte unfein. Sein Gesicht war dunkelrot,