Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
»Hört! Hört!« Viele der Besonneren applaudierten.
»Und deshalb«, ertönte die Stimme des Ausrufers wieder, »haben die Richter beschlossen, einen neuen Preis von fünfundzwanzig Dollar auszusetzen und den Lauf noch einmal stattfinden zu lassen!«
»Und Tim?« grölten Dutzende von Stimmen. »Was wollt ihr mit Tim machen?« »Er ist betrogen worden!« »Die Richter betrügen!«
Wieder streckte der Ausrufer die Arme hoch, und der Lärm legte sich.
»Um Frieden und Verständnis wieder herzustellen, haben die Richter beschlossen, dass Timothy McManus an dem Lauf teilnehmen darf. Wenn er gewinnt, gehört das Geld ihm.«
»Ist das nicht blöd?« brummte Billy gekränkt. »Wenn Tim jetzt gut genug ist, so war er es auch das erstemal. Und wenn er das erstemal gut genug war, so gehörte das Geld ihm.«
»Diesmal wird Rotschopf aus lauter Anstrengung sich selber in die Luft sprengen«, triumphierte Bert.
»Ja, und Tim sich auch«, antwortete Billy. »Du kannst dich darauf verlassen, dass er wütend ist, und diesmal wird er sich ganz ausgeben.«
Eine Viertelstunde verging damit, die erregte Menge aus der Arena zu schaffen, und diesmal stellten sich nur noch Tim und Rotschopf am Startpfahl auf. Die anderen drei hatten den Kampf aufgegeben.
Tim übernahm die Führung am Start mit einer Elle Vorsprung.
»Ja, gewiss ist er Professional, und zwar durch und durch«, meinte Billy. »Seht, was er leistet!«
Um die halbe Arena behielt er die Führung, indem er seinen Vorsprung bis zu einem Dutzend Schritt vergrößerte. Jetzt kam er, immer diesen Abstand haltend, mit voller Geschwindigkeit auf das Ziel los, als – gerade unterhalb des Hanges, wo Billy und seine Gesellschaft standen – etwas Unglaubliches und Undenkbares geschah. Dicht neben der Arena stand ein junger Mann mit einem dünnen Spazierstock in der Hand. Er gehörte offenbar nicht mit zu den Festteilnehmern, denn nichts an ihm deutete auf einen Arbeiter. Hinterher behauptete Bert, dass er eher nach einem Tanzlehrer ausgesehen hätte, während Billy ihn einen »Stutzer« nannte.
Aber dieser junge Mann wurde das Schicksal des Timothy McManus; denn als Tim an ihm vorbeikam, steckte ihm der junge Mann mit der offensichtlichsten Überlegung seinen Stock zwischen die Beine. Tim flog durch die Luft, machte einen Purzelbaum und fiel in einer Staubwolke auf das Gesicht.
Für einen Augenblick trat tiefes, atemloses Schweigen ein. Der junge Mann war selbst von dem Ungeheuerlichen seiner Tat gelähmt. Sowohl er wie die Zuschauer brauchten Zeit, um sich zu besinnen, was er eigentlich getan hatte. Die Zuschauer kamen zuerst zur Besinnung, und aus tausend Kehlen ertönte das wilde irische Geheul. Rotschopf gewann den Lauf, ohne dass ein einziger Hurraruf ertönte. Das Sturmzentrum hatte sich zu dem jungen Mann mit dem Stock verrückt. Als das Geheul kam, machte er kehrt und eilte den Hang hinauf.
»Auf ihn! Auf ihn!« jubelte Bert und schwang den Hut durch die Luft. »Dich habe ich gern. Wer hätte das geglaubt? Wer hätte das geglaubt? Was? Wer hätte das gedacht? Wie? Wer hätte das gedacht?« »Pah! Er will ausreißen!« rief Billy. »Aber warum hat er es getan? Er ist doch kein Maurer.«
Wie ein erschrockenes Kaninchen flog der junge Mann, von einem ohnmächtigen Gebrüll gefolgt, den Hang hinauf bis zu einem freien Fleck, wo er einen Augenblick später verschwunden war. Hunderte von blutdürstigen Rächern waren ihm auf den Fersen.
»Nur schade, dass er den Rest nicht mehr erlebt«, sagte Billy. »Denn jetzt geht es los.«
Bert war ganz außer sich. Er hüpfte und sprang und heulte immerfort:
»Seht sie! Seht sie! Seht sie nur!«
Die Oakland-Partei war tief gekränkt. Zum zweiten Mal war ihr Favorit aus dem Spiel gesetzt. Dies war natürlich ein neuer Trick der San-Franziskoer Partei. Und Oakland ballte die gewaltigen Fäuste und schwang sie blutdürstig San Franzisko entgegen. Aber San Franzisko, das sich seiner Unschuld bewusst war, legte nicht weniger Wert darauf, die Sache zu entscheiden. Fünftausend stürzten sich mit Eifer in den Kampf. Die Frauen gingen mit. Das ganze Amphitheater hallte wider vom Kampf. Fünf oder sechs Schutzleute, die die Verwaltung des Weasel-Parks aus Anlass des Tages gemietet hatten, bekamen von beiden Seiten, ohne Rücksicht auf die Partei, Prügel.
Es raschelte im Gebüsch hinter ihm, Bert sprang beiseite und machte zwei eng verschlungenen Gestalten Platz, die über den Hang rollten, während sie aus vollem Herzen aufeinander losschlugen, gefolgt von einer Frau, die Hiebe und Schläge auf einen von ihnen, der offenbar nicht zu ihrer Partei gehörte, herabregnen ließ.
Auf der Tribüne standen die Richter und wehrten sich männlich gegen einen gewaltsamen Angriff, bis das ganze gebrechliche Gebäude plötzlich zusammenbrach und einstürzte.
»Was macht die Frau da?« fragte Saxon und zeigte auf eine ältere Frau, die auf dem Hange unter ihnen saß und sich gerade einen ihrer geräumigen Gummizugstiefel auszog.
»Sie will schwimmen«, kicherte Bert, als sie jetzt auch den Strumpf auszog.
Sie beobachteten, sprachlos vor Erstaunen, die Frau. Der Schuh wurde wieder an den bloßen Fuß gezogen. Dann nahm die Frau einen Stein von Faustgröße, stopfte ihn in den Strumpf, und, diese uralte furchtbare Waffe schwingend, humpelte sie in das Kampfgetümmel.
»Oh! – Oh! – Oh!« heulte Bert jedes Mal, wenn sie zuschlug. »Heh, altes Bluttier, pass auf! Jetzt setzt es was für dich! Oh! Oh! Ein Treffer! Habt ihr gesehen? Ein Hurra für die alte Dame! Seht, wie sie drauflosgeht. Pass auf, Alte! Ach!«
Seine Stimme erstarb in einem klagenden Ton, als die Frau mit dem Strumpf plötzlich von einer anderen Amazone hinten am Haar gepackt und mit schwindelnder Geschwindigkeit herumgewirbelt wurde.
Vergebens klammerte sich Mary an Bert, während sie ihn vorwurfsvoll schüttelte und laut protestierte.
»Kannst du denn nicht vernünftig sein? Es ist doch schrecklich! Es ist schrecklich, sage ich dir!«
Aber das machte nicht den geringsten Eindruck auf Bert.
»Los, Alte!« rief er ermunternd. »Du gewinnst! Ich halte auf dich. Jetzt hast du eine Chance! So! Teufel auch! Ein Treffer! Ein Treffer!«
»Das ist die tollste Geschichte, die ich je mitgemacht habe«, sagte Billy zu Saxon. »So was können nur Irländer zustande bringen. Aber warum hat er das nur getan? Das möchte ich wissen. Er war kein Maurer. Nicht einmal ein Arbeiter. Er war ein richtiger Stutzer, der keine Seele hier kannte. Aber wenn er die