Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
Formen auszuprobieren und ihren kleinen Spitzenvorrat zu untersuchen, um das Brauchbarste zu finden. Das zierliche kleine Ding, das das Ergebnis all dieser Mühe war, erregte den begeisterten Beifall von Mercedes Higgins.
Saxon nähte sich auch einige einfache Hausblusen aus nettem Gingang mit hübschen Umlegekragen, die ihren reizenden runden Hals gut zur Geltung kommen ließen. Eine Arbeit, die Billys Bewunderung erregte, war eine gehäkelte Bettdecke.
Die Monate vergingen in eitel Glück, und sie war nie müßig. Auch Billy wurde nicht vergessen. Als es kalt zu werden begann, strickte sie Pulswärmer für ihn, Pulswärmer, die er gewissenhaft trug, wenn er das Haus verließ, und in die Tasche steckte, sobald er draußen war. Die beiden Sweater, die sie für ihn verfertigte, waren ihm hingegen sehr willkommen und ebenso die Pantoffeln. Sie bestand darauf, dass er sie trug, wenn sie die Abende daheim verbrachten.
Der gesunde, praktische Verstand der Mercedes Higgins kam Saxon im hohen Maße zugute. Sie stand dem ökonomischen Problem gegenüber, in einer Gesellschaft hauszuhalten, wo die Kosten schneller stiegen als der Lohn für ehrliche Arbeit. Und hier erteilte die alte Frau ihr einen so gründlichen Kursus im Einkaufen, dass sie mit einem halben Dollar ebensoweit, ja weiter kam als die anderen Frauen der Nachbarschaft mit einem Dollar.
Jeden Sonnabend abend schüttete Billy ihr seinen ganzen Wochenlohn in den Schoß. Er verlangte nie eine Abrechnung von ihr, wiederholte aber immer wieder, dass er noch nie so gut gelebt hätte. Und solange der Wochenlohn noch unangetastet in ihrem Schoß lag, ließ sie ihn gern nehmen, was er in der kommenden Woche brauchte. Und sie forderte ihn nicht nur auf, reichlich zu nehmen, sondern hielt streng darauf, dass er so viel extra nähme, wie er im Laufe der Woche brauchen konnte. Und ebenso streng hielt sie darauf, dass er ihr nicht erzählen durfte, wozu er das Geld brauchte.
»Du hast immer Geld in der Tasche gehabt«, sagte sie, »und dass du dich verheiratet hast, ist kein Grund, dass es anders sein soll. Oh, ich weiß schon, wie Männer sind, wenn sie zusammenkommen. Zuerst traktiert der eine, dann der andere, und das kostet Geld. Wenn du jetzt nicht ebenso flott wie die anderen traktieren kannst, ja, dann wirst du gar nicht mehr mitmachen, so gut kenne ich dich doch. Und das würde nicht richtig sein, ich meine, gegen dich. Ich will, dass du mit anderen Männern zusammen bist. Das tut Männern gut.«
Und Billy presste sie an sich und sagte, sie sei das prachtvollste Frauenzimmerchen, das je in einem Paar Schuhe gegangen wäre.
»Ja«, sagte er triumphierend, »nicht nur, dass ich besser esse, besser lebe, ebenso gut wie alle Kameraden auskomme; ich spare auch direkt Geld oder vielmehr, du tust es für mich. Hier sitzen wir in Möbeln, die ich regelmäßig jeden Monat abbezahle, und mit einer kleinen Frau, nach der ich ganz verrückt bin, und obendrein habe ich noch Geld auf der Sparkasse. Wie viel ist es jetzt?«
»Zweiundsechzig Dollar«, sagte sie. »Das ist ein sehr hübscher kleiner Notgroschen. Du könntest ja krank werden oder zu Schaden kommen oder sonst etwas.«
Eines Tages im Winter kam Billy heim und begann, mit sichtlicher Anstrengung mit Saxon von Geld zu sprechen. Sein alter Freund Billy Murphy hatte Influenza, und eins seiner Kinder war beim Spielen auf der Straße von einem Wagen überfahren worden. Das Kind war schlimm zugerichtet, und Murphy, der immer noch schwach von zweimonatigem Krankenlager war, hatte Billy gebeten, ihm fünfzig Dollar zu leihen.
»Das Geld ist ganz sicher«, schloss er. »Ich kenne ihn, seit wir zur Schule gingen. Er ist der ehrlichste Mensch von der Welt.«
»Das hat nichts damit zu tun«, sagte Saxon vorwurfsvoll. »Wenn du unverheiratet wärest, würdest du es ihm doch gleich geliehen haben?«
Billy nickte.
»Dann kann es nicht anders sein, weil du verheiratet bist. Es ist dein Geld, Billy.«
»Es ist, weiß Gott, nicht mein Geld!« rief er. »Es ist unseres! Und ich könnte mir nicht denken, jemand etwas davon zu geben, ohne erst mit dir darüber gesprochen zu haben.«
»Das hast du ihm doch hoffentlich nicht gesagt?« rief sie erschrocken.
»Nein«, lachte Billy. »Ich wusste ja gut, dass du wütend werden würdest, wenn ich das täte. Ich sagte, ich wollte nachrechnen, ob es sich machen ließe. Nun, ich war übrigens sicher, dass du das Geld geben würdest, wenn du es hättest.«
»Ach, Billy«, sagte sie leise, mit einem tiefen, zärtlichen Klang in der Stimme. »Du weißt es vielleicht selber nicht, aber das ist mit das Schönste, was du mir gesagt hast, seit wir verheiratet sind.«
Je mehr Saxon mit Mercedes Higgins zusammenkam, desto weniger verstand sie sie. Dass diese Frau furchtbar geizig war, das zu entdecken, brauchte sie nicht lange. Und sie konnte diesen Zug nicht recht mit all ihren Geschichten von den Reichtümern, die sie verschwendet hatte, zusammenreimen. Andererseits war sie ganz verblüfft über Mercedes’ Verschwendung in allem, was ihre eigene Person betraf. Ihre, selbstverständlich mit der Hand genähte Wäsche war sehr kostbar. Das Essen, das sie Barry vorsetzte, war gut, aber das Essen, das sie sich selber vorsetzte, unvergleichlich besser. Und dennoch stand beides zusammen auf dem Tisch. Während Barry mit gewöhnlichem Ochsenfleisch vorliebnahm, aß Mercedes nur Mürbebraten. Gab es ein mächtiges zähes Hammelkotelett für Barry, so aß Mercedes selbst winzige kleine französische Koteletts. Der Tee wurde in verschiedenen Töpfen bereitet. Während Barry Tee für fünfundzwanzig Cent das Pfund aus einem großen, schweren Topf trank, bekam Mercedes Tee, der drei Dollar das Pfund gekostet hatte, und sie trank ihn aus einer winzigen Teetasse, so zerbrechlich wie eine Eierschale. Ebenso wurde sein Kaffee zu fünfundzwanzig Cent mit Milch gemischt, ihr eigener echter Mokka zu achtzig Cent hingegen mit Sahne.
»Das ist gut genug für den Alten«, sagte sie zu Saxon. »Er kennt es nicht besser, und es wäre ein Jammer, Gottes Gaben an ihn zu verschwenden.«
Die beiden Frauen begannen allmählich Geschäfte miteinander zu machen. Als Mercedes Saxon die Kunst gelehrt hatte, sich auf der Ukulélé zu begleiten, was namentlich ein geschmeidiges Handgelenk erfordert, schlug sie ihr einen Tauschhandel vor. Die Zeit sei vorbei, dass sie sich etwas aus derlei Dummheiten mache, und sie bot Saxon das Instrument im Tausch gegen ein Morgenhäubchen an, das sie so bewunderte.
»Sie ist immerhin einige Dollar wert«, sagte Mercedes. »Sie hat mich selbst zwanzig gekostet, aber das ist natürlich einige Jahre her. Aber sie ist immer noch so viel wert wie ein Morgenhäubchen.«
»Aber geht das Morgenhäubchen nicht auch unter