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Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin SingerЧитать онлайн книгу.

Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman - Kathrin Singer


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Wenn er nun davongelaufen war? Das durfte nie und nimmer passieren, wenn der Plan ihres Vaters aufgehen sollte, Nutzen aus Stepherls Erbschaft zu ziehen. Sie würde ja dabei auch nicht leer ausgehen.

      Als sie an der Heukammer vorbeigingen, meinte sie ein Rascheln zu hören. Sie schob die Tür auf, damit das Tageslicht hineinfallen konnte. Und da sah sie den Jungen. Er wühlte sich gerade ins Heu ein.

      »Was tust denn hier?«, fragte Nani. »Du kannst doch im Haus sein.«

      Stepherl sah sie mit großen anklagenden Augen an. »Ich will aber lieber im Heu sein.« Dann blitzte es plötzlich in seinen Augen auf. »Bringst du mich zu meiner Mama zurück?«

      »Deine Mama bin ich.« Nani war mit einem Schritt bei dem Jungen und zog ihn auf die Füße. »Hörst du, nur ich bin deine Mama, und ich werd’ dich manchmal hier besuchen. Die andere gibt’s nicht mehr. Jetzt komm mit zur Zenza!«

      Willenlos ließ sich Stepherl mitziehen. Eben hatte er noch ein bisschen gehofft, dass er wieder zu Franzi zurück durfte. Die junge Frau, die jetzt wieder seine Mama sein wollte, kam ihm wie eine Fremde vor.

      Sie hatte ihm nie warme Gefühle entgegengebracht und so auch keine in ihm geweckt. Als sie wieder ging, sagte er bockig: »Brauchst mich nicht mehr zu besuchen, ich will nur zu meiner Mama und meinem Großvater im Rehwinkel.«

      »Rotzbub!«, schimpfte Nani. »Auch noch frech werden. Großvater hat recht, wenn er sagt, dass dich diese Leute da unten ganz schön verzogen haben. Aber wir hier werden dir schon wieder zeigen, wo es langgeht.«

      Ihr Vater, der hinter ihr stand, sagte: »Reg dich nicht auf, wenn du wiederkommst, wird er schon zahmer geworden sein. Es wär’ doch gelacht, wenn ich ihn nicht zurechtbiegen könnt’.«

      *

      Franzi lernte nur mühsam, nicht ständig an Stepherl zu denken. War es zuerst ihre Sorge gewesen, dass er den beschwerlichen Weg nicht durchstehen würde, so sah sie ihn jetzt gequält und verlassen in der Schutzhütte hoch droben. Korbinian hatte ausgekundschaftet, dass er dort angekommen war.

      Während der Winter sonst stets eine Zeit des Ausruhens und der Beschaulichkeit für Franzi gewesen war, wartete sie jetzt darauf, dass er vorüberging. Sie hatte sich fest vorgenommen, nach der Schneeschmelze Stepherl zu besuchen, gleichgültig, ob der alte Wurzinger darüber wütete oder nicht.

      Sonne und ein böiger Wind fraßen den Schnee in diesem Frühjahr schnell weg. Franzi wurde immer unruhiger, und Korbinian erriet, was sie vorhatte. Er wollte auf jeden Fall verhindern, dass sie sich auf diesen Weg machte. Zu unheimlich war ihm Wurzinger, auch wenn er ihn noch nie gesehen hatte. Ihm genügte, was Franzi und ihr Vater von ihm erzählte.

      Damit Franzi nicht wieder eigenmächtig handelte, schlug er ihr vor, dass er hinauf zu der Schutzhütte gehen würde, um sich ein Bild davon zu machen, wie Stepherl lebte und wie man ihn behandelte.

      »Mich kennt dort keiner«, redete er auf Franzi ein, »ich kann tun, als wollte ich nur für eine Nacht eine Rast auf einem weiteren Weg machen. Wenn es irgendwie einzugreifen gilt, kann ich mich besser durchsetzen als du. Sieh das doch ein.«

      Franzi sah es ein. Sie war Korbinian dankbar, dass er diesen Vorschlag machte, und sie ließ ihn gehen.

      Für ihn, den kräftigen jüngeren Mann, wurde es nicht beschwerlich, schnell voranzukommen. Er war hier in den Bergen aufgewachsen und fürchtete auch die schwersten Routen nicht. Er war des Bergsteigens kundig. Vor allem aber ließ er sich so leicht nicht unterkriegen. In der Schutzhütte wollte er Augen und Ohren offenhalten. Da gab es die kleine Hoffnung, dem alten Wurzinger den Stepherl wieder wegnehmen zu lassen, wenn er schlecht behandelt wurde. Korbinian wusste, dass sich auch Franzi an diese Hoffnung klammerte. Auch wenn die Schutzhütte noch so entlegen war, das Jugendamt hatte sich auch um ein Kind zu sorgen, das dort leben musste.

      Das waren Korbinians Gedanken, als er an der Sennhütte vorbeiging. Sie war noch geschlossen, das Vieh würde erst später aufgetrieben werden.

      Schon als er vor der Schutzhütte stand, hörte er darin wüsten Lärm. Es war nicht schwer zu erraten, dass in der Wirtsstube gezecht wurde. Korbinian wusste, dass er vorsichtig sein musste. Auf keinen Fall durfte ihn Stepherl sehen und so verraten, wer er war.

      Kaum hatte er die Wirtsstube betreten, kam ein Mann auf ihn zu, der nur der alte Wurzinger sein konnte. Er schlug ihm auf die Schulter. »Ein Bergwanderer, schon um diese Jahreszeit?«, fragte er mit seiner lauten Stimme.

      »Ja, warum nicht? Jede Zeit hat ihren Reiz hier oben«, Korbinian tat ganz ruhig. »Aber kann ich bei euch übernachten? Morgen früh will ich weiter.«

      »Natürlich kannst du bei uns übernachten. Wie heißt du? Man muss dich ja schließlich ansprechen können. Ich bin der Wurzinger-Rupert.«

      »Und ich der Franz Holzer.« Diesen Namen hatte sich Korbinian auf dem Weg zurechtgelegt.

      »Und woher kommst du?«

      »Von weither. Aber wenn ich dir sag’, dass ich eigentlich aus der Stadt komm’, lachst du mich vielleicht aus und traust mir eine größere Tour nicht zu. Ich habe mir nämlich eine hübsch schwierige Strecke ausgesucht, musst du wissen.«

      »Jeder wie er will. Komm, trink mit uns, wir sind in bester Stimmung. Das alles hier sind Zöllner aus der Umgebung. Sie wärmen sich gern bei mir auf. Ja, der Wurzinger-Rupert lässt so schnell nichts anbrennen, bei dem ist immer was los.« Dem Alten war anzumerken, dass er sich auch schon ein paar Glas zu viel hinter die Binde gegossen hatte. »Willst auch was essen? Ich hab’ zwar nur eine spinnerte Alte in der Kuchel, aber zünftige Bergsteigeressen bringt sie noch immer zustand’. Wie wär’s mit Bratkartoffeln und Speck?«

      »Ja, damit bin ich einverstanden.« Korbinian suchte sich einen Platz, auf dem er nicht gerade inmitten der Zecher saß. Seinen Rucksack stellte er neben sich.

      Als der Wurzinger in der Küche verschwunden war, verließ er die Wirtsstube und sah sich im Haus um. Wenn er erwischt wurde, wollte Korbinian sagen, dass er die Toilette gesucht habe. Aber es störte ihn niemand, er konnte sogar zwei Türen öffnen und in die Kammern hineinsehen. Stepherl war in keiner von beiden. Aber da hörte er aus dem oberen Stockwerk etwas, das ihm wie Kinderweinen vorkam. Das konnte nur Stepherl sein. Aber jetzt noch hinaufgehen – das wagte er nicht. Er ging schleunigst in die Wirtsstube zurück.

      Es dauerte nicht lange, bis ihm der Wurzinger eine Riesenportion Bratkartoffeln mit Speck auf den Tisch stellte. Dazu erklärte er: »Dieses alte dumme Weibsstück wird immer aufsässiger. Wollt’ sie doch nicht mehr an den Herd. Mit der werd’ ich andere Saiten aufziehen müssen. Unsereiner lässt sich doch von so einer alten Wachtel nicht unterkriegen. Die muss doch froh sein, hier ein Zuhause zu haben.«

      »Geht’s um eure Küchenhilfe?«, tat Korbinian scheinheilig, obwohl er ja auch von Zenza gehört hatte.

      Der Wurzinger stieß einen seiner boshaften Lacher aus. »Küchenhilfe! So was sollte jung und drall sein, die Zenza aber ist ein abgewracktes Schiff, nicht mehr ganz richtig im Kopf. Sie muss heilfroh sein, dass ich sie noch nicht davongejagt hab’. Aber was reden wir über sie? Lass dir’s gut schmecken, Franz. Danach haben wir Bier und Schnaps genug, dass du gut schlafen kannst. Nach dem Essen geh in die Küche und lass dir von der Zenza zeigen, in welches Fremdenzimmer du kommst. Wir nennen’s halt Fremdenzimmer, aber auf einer Schutzhütte kannst nur eine Kammer erwarten.«

      »Mehr brauch’ ich auch nicht.« Korbinian beeilte sich mit dem Essen, es drängte ihn zu der alten Zenza, damit sie ihm vielleicht das Haus zeigte und er sich etwas ungenierter umsehen konnte.

      Der Wurzinger beachtete ihn jetzt nicht mehr. Er schien ein wüster Trinker zu sein, der seine Gäste immer wieder dazu animierte und prahlerische Reden führte.

      Korbinian ging in die Küche. Dort sah ihm Zenza freudig entgegen. Für sie war es jedes Mal ein großes Ereignis, wenn ein Fremder ihr Reich betrat und sie die Hoffnung haben konnte, ein bisschen mit ihm plaudern zu können. So wirr sie manchmal war, zwischendurch konnte sie sich auch auf ein Gespräch konzentrieren. Am ehesten, wenn sie aus der Welt draußen etwas hörte, die ihr schon


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