Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
hat Seele«, stellte Jadwiga fest, und Frauke lachte.
»Es ist wohl eine bunte Seele, aber besser als eine Schwarze.«
»Wie soll ich Ihnen nur danken.«
»Gar nicht. Sie sollen sich hier wohl fühlen. Sollen mit dem Gefühl zur Ruhe gehen, daß Sie nicht mehr allein sind. Gute Nacht!«
*
Als man am nächsten Morgen auf der Terrasse beim Frühstück saß, sprang Oda die Stufen hinauf. Doch dann blieb sie wie festgwachsen stehen und starrte mit offenem Mäulchen auf Jadwiga, die wie eine Gouvernante anmutete, die mit ihren Zöglingen das Frühstück einnimmt. Es hätte nur noch der erhobene Zeigefinger gefehlt.
»Nun komm schon weiter!« ermunterte Frauke, ein amüsiertes Lächeln unterdrückend. »Begrüße unsere neue Hausgenossin. Das ist die Baroneß von Swidbörn«, stellte sie vor, als diese neben ihr stand. »Und das ist Fräulein von Schlössen.«
Und siehe da, Baroneßchen machte einen artigen Knicks und setzte sich dann an Ortruns Seite. Viele Fragen brannten ihr auf der Zunge, die sie natürlich nicht stellte. Erst als Jadwiga nach oben ging, platzte die Kleine heraus:
»Ja, sagt mal, seit wann braucht ihr denn ein Gouvernante?«
»Pppssst!« legte Frauke warnend den Finger auf den Mund. »Die Tür steht offen.«
»Ich bin doch so neugierig.«
»Dann komm mit nach der Küche, wo wir das Geschirr spülen müssen, weil Hulda schwer beschäftigt ist. Sie streicht Gartenstühle, die sie in der Laube aufgestöbert hat. Deck den Tisch ab, ich gehe schon vor.«
Fünf Minuten später bekam dann Oda etwas zu hören, das ihr weiches Herzchen arg bedrängte. Doch als sie von der hochfahrenden Oberin hörte, da blitzten ihre Augen vor Empörung.
»Und die will zu uns kommen? Das laß sie ja nicht wagen! Einen Menschen zurücksetzen, weil er nicht tituliert ist, das hat mein Bruder gern – und ich auch. Übrigens hatte ich gar keine Ahnung, daß wir so eine Nebelkrähe…«
»Oda!«
»Ist doch wahr«, brummte sie mit rotem Köpfchen. »Trotzdem will ich mich benehmen. Also ich hatte keine Ahnung, daß wir eine Gräfin… Wie heißt sie?«
»Warl.«
»Aha, so hieß auch meine Mutter. Somit komme ich der Sache schon näher. Das wird wohl so eine Verwandtschaft xten Grades sein, die Winrich mir auseinanderposementieren muß. Die Fragen brennen mir förmlich auf der Zunge. Gehabt euch wohl, ich bin bald wieder da.«
Sie wirbelte ab, durch den grünen Grund, die grüne Anhöhe hinauf, durch den Park, auf die Terrasse, wo sie erst einmal Uwe Gunder herzhaft auf die Füße trat, der sich nächst dem Freund im Liegestuhl einer Ruhepause hingab.
»Hoppla, meine Piedestale! Mädchen, ich hab die doch nicht in der Lotterie gewonnen.«
»Dann streck sie nicht vor, damit man darüber stolpern muß. Laß mich jetzt in Ruhe, ich muß Winrich ganz was Wichtiges erzählen.«
Und dann plätscherte das Zünglein wie ein Wasserfall. Das Stimmchen schwankte, hob sich, empörte sich, bis alles gesagt war. Dann sah sie den Bruder vorwurfsvoll an, der schmunzelnd fragte:
»Sag mal, Kleine, hast du das alles etwa auswendig gelernt?«
»Du bist abscheulich! Aber das sage ich dir, wenn du diese – na ja –, wenn du die aufnimmst, dann laufe ich davon!«
»Wohin?«
»Ins grüne Haus natürlich.«
»Wo du gleich die Gouvernante findest, die dir manchmal noch fehlt«, sagte Uwe pomadig. »Denn wie ich deiner plätschernden Rede entnehmen konnte, sind die jungen Damen ihrer neuen Hausgenossin bereits im Abteil des D-Zuges begegnet, in dem auch ich mich befand. Somit kann es sich nur um die Dame mit dem lächerlichen Pincenez handeln.«
»Das stimmt, Fräulein von Schlössen trägt eins. Und das paßt zu ihr. Wie sind wir mit Gräfin Warl verwandt, Winrich. Ist sie tatsächlich unsere Tante?«
»Zweiten Grades. Eine Base von Mutter, mit der sie nur zu den Familientagen zusammentraf, vor denen ich mich bis auf einen drücken konnte.«
»War die Oberin auch dabei?«
»Ja. Eine stattliche Dame in einem hochgeschlossenen schwarzen Kleid, mit Johanniterkreuz, hochmütigem Gesicht und dunklem Scheitel. Sie mißfiel mir gründlich, was bei den andern auch der Fall zu sein schien; denn sie gingen in großem Bogen um sie herum. Ich kann mir vorstellen, daß sie keine angenehme Oberin gewesen ist.«
»Und die will ausgerechnet zu uns kommen«, sagte Oda aufgebracht. »Warum bloß. Die hat doch bestimmt noch andere Verwandte, die ihr dem Grad nach näher stehen als wir. Hat sie dich übrigens schon darum gebeten, daß du sie aufnehmen sollst?«
»Mein liebes Kind, die Oberin Gräfin Warl bittet nicht, die läßt sich herab. Wir müssen es uns als Ehre anrechnen, wenn sie geruht, ihr Domizil bei uns aufzuschlagen.«
»Ach du lieber Gott! Hat sie etwa schon geruht, ihr Erscheinen kundzutun?«
»Sie hat. Gestern erhielt ich einen Brief von ihr, der mich vor die vollendete Tatsache stellt, daß die gnädige Frau Tante in absehbarer Zeit hier einzutreffen gedenkt.«
»Warum hast du mir von dem Brief nichts gesagt?«
»Weil ich es vergaß.«
»Was wirst du antworten?«
»Nichts, da ich die Anschrift nicht weiß.«
»Dann kommt sie also her?«
»Wahrscheinlich.«
»Dabei kannst du so ruhig sein?«
»Warum nicht? Aufregen kann ich mich immer noch, wenn es etwas zum Aufregen gibt.«
»Dafür werde ich schon sorgen!« funkelte sie ihn an, der wie die personifizierte Gelassenheit im Liegestuhl ruhte. »Ich benehme mich der Oberin gegenüber rüpelhaft. Und dann werde ich doch mal sehen, ob mein Herr Bruder, dem schlechterzogenen Menschen ein Greuel sind, sich über seine ungezogene Schwester nicht aufregen wird.«
»Das glaube ich nicht«, meinte Uwe pomadig. »Der Herr Baron von Swidbörn bleibt auch dann noch gelassen, wenn er die ungezogene Baroneß von Swidbörn übers Knie legt. Vielleicht überläßt er das sogar mit Nonchalance seinem guten Freund. Und wo der hinhaut, da wächst bestimmt kein Gras.«
»Scheusal!«
»Danke. Ist dir jetzt wohler?«
»Nein, ich fühle mich unverstanden.«
»Herrje, schon so früh?«
Da mußte sie lachen, und der Friede war wiederhergestellt. Sie zog an den Liegestuhl ein Sitzkissen, kauerte sich darauf, legte das Blondköpfchen auf des Bruders Arm und sagte leise:
»Ich habe Angst.«
»Etwa vor der Oberin?«
»Ja. Sie wird sich hier einnisten und alle beherrschen wollen.«
»Wollen vielleicht, aber erst können«, umfaßte er das Schwesterlein und zog es dicht zu sich heran. »Habe ich mich schon jemals von einem Menschen beherrschen lassen?«
»Nein, nicht einmal von deiner herrschsüchtigen Frau. Da nahmst du wohl auf ihre Krankheit Rücksicht, aber beherrschen ließest du dich dennoch nicht.«
»Siehst du. Ich werde der impertinenten Dame gegenüber schon den richtigen Ton finden. Übrigens hat sie sich eingehend nach dem Dorothea-Stift erkundigt. Sie hätte gehört, daß die Oberin dort recht leidend wäre. Merkst du was, Schwesterlein?«
»Und wie!« wurde Oda jetzt mobil. Sie setzte sich auf und blinzelte den Bruder an.
»Daher weht der Wind. Sie reflektiert auf den Posten, den du als Patronatsherr zu vergeben hast. Da muß man schon mit Hulda sagen: