Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
dabei so eigen ansah und sie unter dem Blick heiß errötete, bemerkte nur Winrich. Die anderen waren zu sehr mit dem prickelnden Getränk beschäftigt, das wie ein heißer Strom durch die Adern floß.
»Na, du hast vielleicht einen Zug«, lachte Ortrun das Baroneßchen an. »Dein Glas ist ja leer.«
»Ach was, man muß die Gelegenheit wahrnehmen. Wer weiß, wann ich mich mal wieder einmal so köstlich laben kann.«
»Und wenn du einen Schwips kriegst?«
»Dann ist der Fips blau.«
»Ei, Uwe, ärger mich nicht. Ich hab einen schlechten Rausch. Sag doch selbst, Ortrun, ist das nicht ein gräßlicher Mensch?«
»Nein, ich finde ihn sehr nett.«
»Herzlichen Dank, gnädiges Fräulein!« hob er ihr lachend das Glas entgegen… »Dafür eröffne ich beim Schützenfest mit Ihnen den Tanz.«
»Schützenfest?« fragte Oda mit blanken Augen. »Wann ist es denn?«
»Sonntag.«
»O wie schön! Wir gehen doch hin, Winrich?«
»Als Ehrenmitglied wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben – trotz der Trauer.«
»Ach was, Trauer.«
»Oda!«
»Verzeih!« senkte sie verlegen das Köpfchen. »So darf ich gar nicht tanzen?«
»Doch, das darfst du.«
»Da freu ich mich aber«, strahlte sie schon wieder. »Ihr kommt doch auch zu dem Fest?«
»Ehrensache«, antwortete Uwe. »Grün sind die Schützen und grün sind die Damen.
Ich meine doch das Haus!« schrie er in das ausbrechende Gelächter hinein. »Wie kann man mich nur so mißverstehen.«
»Na?« zweifelte Ortrun mit schiefgelegtem Köpfchen. Sie sah dabei so entzückend aus, daß Oda sie ganz verdutzt ansah.
»Hör mal, du bist vielleicht hübsch. Wenn das so weitergeht, was soll das bloß noch werden.«
»Erst einmal eine Schützenprinzeß«, schmunzelte Uwe. »Nicht wahr, gnädiges Fräulein, das wäre doch was.«
»Ich weiß ja gar nicht, was das ist.«
»Sie werden ausgelost.«
»Wie abscheulich!« unterbrach sie ihn empört. »Ich bin doch keine Schachtel, keine Wurst, keine Gans. Ja warum lacht ihr denn so unbändig? So was kommt doch immer zur Verlosung.«
»Goldige, wenn du wüßtest, wie reizend du bist in deinem Zorn«, wische Frauke sich die Lachtränen aus den Augen, und Ortrun brummte:
»Schützenprinzeß, so ein Unsinn. Unter ähnlichem habe ich schon im Töchterheim genug zu leiden gehabt. Mich hatte man immer am Bändel, wenn etwas vorgeführt oder vorgetragen wurde. Und bei der Tanzstunde war ich diejenige, der man am meisten auf die Füße trat.«
Da mußte man wieder über sie lachen, und Uwe raunte Frauke zu:
»Sie ist wirklich eine Goldige, die Kleine.«
»Das ist sie«, flüsterte Frauke zurück. »Dabei wird sie schöner mit jedem Tag.«
»Nun, Sie können sich wahrlich auch nicht beklagen«, umfaßte er sie mit einem bewundernden Blick. »Wie mir ein Bekannter erzählte, soll der Gemeindevorsteher einmal gesagt haben: Es blühen zwei köstliche Blumen im Garten vom grünen Grund.«
»Bitte, Herr Doktor!«
»Na ja, ich bin schon still«, seufzte er, und da wandte sie sich hastig ab, Jadwiga zu.
»Ist’s schön so?« fragte sie leise.
»Ach Kind, fast zu schön um wahr zu sein. Gott segne das Haus im grünen Grund!«
*
Als Baron Swidbörn und seine Schwester kurz nach zehn Uhr die Halle des Schlosses betraten, lachte ihnen Barbe vergnügt entgegen und auch Niklas schmunzelte in sich hinein.
»Sie ist weg«, platzte erstere schon heraus, bevor die Angekommenen noch eine Frage stellen konnten. Setzte dann jedoch schuldbewußt hinzu: »Ich meine die Frau Gräfin Warl.«
»War die denn hier?«
»Sehr wohl, Herr Baron«, sprach nun der Diener, nachdem er seiner Ehehälfte einen verweisenden Blick zugeworfen hatte. »Die Frau Gräfin erschien in einem Mietauto, das draußen wartete, bis die Frau Gräfin gepackt hatte und wieder abfuhr. Mit Verlaub zu sagen, ging das alles Hals über Kopf.«
»Da schlag einer lang hin«, verfiel Baroneßchen verblüfft in Michels Redewendung, und der Bruder fragte:
»Hat die Frau Gräfin denn nicht gesagt, warum dieser überstürzte Aufbruch sein mußte?«
»Nein, Herr Baron.«
»Merkwürdig.«
Damit war für ihn die Sache vorläufig abgetan, aber nicht so für das neugierige Schwesterlein. Das fragte Barbe, die ihm beim Auskleiden half, so richtig aus, wollte alles ganz genau wissen, was nun doch wirklich interessant war. Nachdem die Frau Gräfin hier einige Tage verweilte, wie eine gekränkte Königin, begab sie sich auf eine kurze Reise, wie sie dem Gastgeber gnädig erklärte. Hatte ihn um ein Gefährt »ersucht«, das sie zur Bahn brachte. Dann erschien sie hier ganz unerwartet in einem Mietauto, packte Hals über Kopf und fuhr ab? Wenn das nicht interessant war!
»Rasch, erzähle, Barbe!« und die erzählte:
»Es war so gegen neun Uhr, als die Frau Gräfin hier plötzlich auftauchte, schwarz und düster wie ein Gespenst. Sie jagte damit sogar Niklas einen Schreck ein, was ja nun nicht oft vorkommt. Nachdem uns die Dame einen vernichtenden Blick zugeworfen hatte, rauschte sie nach oben und rumorte dort herum, bis ein Sturmklingeln uns zu der Gnädigsten beorderte.
›Tragt das Gepäck ins Auto!‹ herrschte sie uns an, rauschte davon und fuhr dann ab.«
»Wann war das?«
»Kurz bevor Sie eintrafen, Baroneßchen.«
»Na so was. Was mag die wohl nur in die Flucht gejagt haben.«
Das sollte man am nächsten Tag erfahren. Die Geschwister saßen gerade beim Frühstück, das sie am Sonntag länger auszudehnen pflegten, weil er ein Ruhetag für den rastlos arbeitenden Mann war, als ein Anruf aus dem Dorothea-Stift kam. Die Oberin war am Apparat, die den Neffen, der das Gespräch entgegennahm, munter begrüßte:
»Guten Morgen, mein Junge! Das Leben noch frisch?«
»Meins schon, Tante Herma, und deins?«
»Ich bin kreuzfidel. Hast du Zeit?«
»Für dich immer.«
»Hört man gern. Komm her und bring das Firlefänzchen mit! Ich habe schon so richtige Sehnsucht nach euch. Doch vorher die Frage: Ist die Gräfin Warl im Haus? Wenn ja, dann schmeiß sie raus!«
»Aber Tante Herma«, lachte er herzlich und erzählte dann, was sich gestern in seiner und Odas Abwesenheit hier zugetragen hatte, worauf die kurz angebundene Dame befriedigt sagte:
»Das ist gut, da bleibt dir noblem Kerl eine Unannehmlichkeit erspart.«
»Tante Herma, ich bin ein einziges Fragezeichen.«
»Komm her, dann biege ich dich wieder gerade!«
Lachend wurde abgehängt und zehn Minuten später fuhren die Geschwister dem Dorothea-Stift zu, das zwölf Kilometer entfernt lag und daher bald erreicht war. Das Gebäude glich einem Gutshaus, zumal die Vorderfront dem Hof zu lag mit seinem ländlichen Betrieb, während die Rückfront zum Park zeigte.
Als das Auto hielt, sah man hinter den Fenstern lachende Gesichter, die dem beliebten Geschwisterpaar herzlich zunickten. Es ließ sich jedoch niemand unten sehen, da die Damen wußten, daß der Besuch