Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter. Adalbert StifterЧитать онлайн книгу.
sie eine Stunde auf diesem Wege zugebracht hatten, gelangten sie wieder in das Freie. Es war ein breites Tal, von Wald umgeben. In dem Tale konnte man Gebüsche Felder und Wiesen unterscheiden, und hie und da glänzte es wie Wasser. Aus dem Wasserglanze stand ein großer viereckiger schwarzer Turm empor.
»Wir haben länger gebraucht, als ich gedacht habe«, sagte Witiko.
»Die Verschlingungen des Pfades und die Wurzeln hindern das Fortkommen«, sagte der Führer, »und die Irrgräser machen den Weg länger.«
»Es ist schon gut«, entgegnete Witiko.
Bei diesen Worten bestieg er wieder sein Pferd, und ritt auf dem Wege gegen den Turm zu. Sie konnten nur auf einem schmalen Erdstriche zwischen Schilf und Wasser zu demselben gelangen. Er war durch ein Tor geschlossen. An dem Tore hing ein Ochsenhorn. Der Führer nahm es, und blies in dasselbe. Eine Zeit darnach öffnete sich eine Luke im Tore, und ein Mann sah heraus. Er sprach: »Sei gegrüßt, Benedikt.«
Dann öffnete er das Tor.
Witiko ritt durch den Bogen hinein, und kam in einen Hof. Das Tor wurde hinter ihm wieder geschlossen. Im Hofe stieg er von dem Pferde. Der Führer und der Mann, der das Tor geöffnet und wieder geschlossen hatte, halfen ihm das Pferd in den Stall bringen. Da es dort angebunden und bedeckt war, führte der Mann Witiko und den Führer in eine Stube. Dieselbe war sehr groß, und hatte an ihrem oberen Ende die Leuchte. Von derselben ging ein sehr langer Tisch aus Tannenbrettern bis gegen die Tür. An der Leuchte saß ein barhäuptiger Mann in einem weiten schwarzen Gewande, dessen Gürtel gelöst war. Neben ihm saß ein anderer in grauem Gewande, das aber gegürtet war. Er hatte gleichfalls auf dem Kopfe keine Bedeckung. An dem langen Tannentische saßen mehrere Männer und Jünglinge vor Krügen. Sie waren auch in weite gegürtete Gewänder gekleidet, und trugen keine Bedeckungen auf den Häuptern.
Als Witiko und der Führer eingetreten waren, erhob sich der Mann im schwarzen Gewande an der Leuchte, und rief. »Ich bin Rowno der Wladyk, was begehret ihr?«
»Ich heiße Witiko«, antwortete Witiko, »stamme aus dem Mittage Böhmens, und bitte dich um Gastfreundschaft. Dieser da ist mein Bote.«
»Komme an das obere Ende des Tisches, Witiko«, entgegnete Rowno, »und Benedikt soll sich an das untere Ende setzen.«
Witiko ging an das obere Ende des Tisches, und als er bei Rowno angekommen war, reichte ihm dieser die Hand, und sagte: »Du bist willkommen, nimm dir einen Stuhl, und setze dich neben uns an den Tisch. Es wird dir sogleich eine Erquickung gereicht werden, und dein Führer wird auch Speise und Trank erhalten.«
Witiko setzte sich nieder, wie es Rowno gesagt hatte, und dieser nahm auch seinen Platz wieder ein. Die Männer und Jünglinge an dem Tische waren vor Witiko aufgestanden, und setzten sich wieder nieder.
Nun kam ein Mann, der auf einem großen Brette das Lendenstück von gebratenem Schweinfleisch trug. Er setzte es vor Witiko hin. Ein anderer brachte einen Krug mit Bier und einen Laib Brot.
Witiko schnitt sich von dem Fleische ab, schnitt sich von dem Brote ein Stück herab, und begann, seinen Hunger und Durst zu stillen.
Dem Führer hatte man auch am untern Ende des Tisches zu essen und zu trinken vorgesetzt.
Da Witiko fertig war, hob Rowno sein Horn, und sagte: »Ich bringe dir den Willkommtrunk, Witiko.«
Witiko hob den Krug, und erwiderte: »Ich bringe Bescheid.«
Dann tranken beide.
Dann sagte Rowno: »Du bist Witiko der Knabe, der auf dem Wahltage auf dem Wyšehrad gesprochen hat, daß man ihn zu einer Botschaft an den Herzog Sobeslaw in der Versammlung belasse.«
»Ich bin es«, antwortete Witiko, »ich weiß, daß du auf dem Wyšehrad warst. Ich wohne jetzt als dein Nachbar in dem Hause meiner Mutter auf dem oberen Plane, und biete dir Gastfreundschaft an.«
»Ich empfange sie, wenn ich zu dir komme«, erwiderte Rowno.
Jetzt erhob sich auch der andere Mann, der an der Leuchte saß, und mit einem grauen Gewande angetan war. Er trat zu Witiko, und sprach: »Ich bin Osel, und habe dich auch auf dem Wyšehrad gesehen, wo du gesprochen hast. Ich bin bei Rowno auf Gastfreundschaft, und reite morgen beim Tagesgrauen fort. Wenn du nach Dub kommst, wo wir in unsern Häusern sitzen, hast du Gastlichkeit bei uns.«
»Ich nehme sie an«, sagte Witiko, »und du hast sie auch bei mir.«
»Ich empfange sie«, sagte Osel, »du bist ja aber auch Witiko von Pric, das weiter im Lande ist, und dahin wir von Dub keinen großen Weg haben.«
»Wir haben ein Eigen in Pric«, antwortete Witiko, »ich bin aber tiefer in den Wald gegangen.«
»Du bist tiefer in den Wald gegangen«, erwiderte Osel, »weil du zu denen gehörst, die sich dem Herzoge Wladislaw widersetzt haben.«
»Ich gehörte nur zu Sobeslaw«, entgegnete Witiko, »und habe einen Auftrag von ihm vollführt. Alles andere lag nicht in meinen Dingen.«
»Bist du nach der Wahl gleich zu Sobeslaw gegangen, und hast du ihn sterben gesehen?« fragte Rowno.
»Ich bin nach der Wahl gleich auf Hostas Burg geritten«, sagte Witiko, »bin in dem Gemache gewesen, als der Herzog die Augen schloß, und war unter denen, die ihm das Geleite in die Gruft gegeben haben.«
»Wir haben es ihm auch gegeben«, sagte Rowno, »und der Herzog selbst hat ihn auch geleitet. Sobeslaw war für das Land ein guter Mann bis auf den Tag von Sadska. Wie hast du nach seiner Bestattung von Prag fortkommen können?«
»Der Herzog hat befohlen, daß man mich ungekränkt von dannen lasse«, entgegnete Witiko.
»Das ist gerecht«, sagte Rowno. »Da er auf den Fürstenstuhl gesetzt wurde, und da die Menschen jubelten, war er sehr in sich gekehrt. Hast du die Feierlichkeiten gesehen?«
»Ich bin bei dem toten Herzoge Sobeslaw in Hostas Burg gewesen«, antwortete Witiko.
»Sie haben indessen den lebendigen gegrüßt«, entgegnete Rowno, »alle, die da waren, haben ihm vor Freude zugerufen, da er zu dem Stuhle Premysls geführt wurde, weil nun das Kämpfen Morden und Zerstören vorüber ist, das eintrat, wenn ein schwacher Mann auf dem Fürstenstuhle saß, und andere darnach strebten. Und wenn auch das Unheil nicht leicht in unsern Wald kömmt, weil er unwegsam ist, so könnte es doch jetzt eher geschehen, weil der Krieg ist, den der Markgraf Leopold von Österreich um Bayern führt, und es ist gut, daß es unterbleibt.«
»Ich bin noch zu unerfahren in diesen Dingen«, sagte Witiko. »Erlaube, Rowno, daß ich mich auf ein kurzes entferne, um nach meinem Pferde zu sehen.«
»Es sei, wenn du es selber tun willst«, sagte Rowno.
Witiko ging aus der Stube, und kam nach einer Weile wieder.
»Andere Männer«, sagte er, »fürchten doch etwas.«
»Das ist der alte Bolemil und der alte Diwiš«, sagte Osel, »und Lubomir, welche die früheren Kriege gesehen haben. Sie sind aus Alter furchtsam geworden, und glauben stets, das Entsetzen wird gleich wieder kommen. Die Lechen Kmeten und Vornehmen möchten wohl immer herrschen, das ist wahr, und sie möchten deshalb Unfrieden anzetteln; aber wir und Tausende stehen lieber zu einem einzigen mächtigen Manne, der uns schützt, als daß wir uns von mehreren plagen lassen, damit sie prassen, und in schimmernden Kleidern einher gehen.«
»Und das, meinen sie, könnte zum Streite führen«, antwortete Witiko.
»Gegen den Mutigen fehlt der Mut«, sagte Rowno. »Unsere alten Priester haben erzählt, daß gegen Premysl den Mann Libušas kein wilder Herr des Landes den Arm aufzuheben versucht hat.«
»Und möchte nur unser Wladislaw immer ein solcher Premysl sein«, entgegnete Osel, indem er wieder zu seinem Sitze ging.
»Der hochehrwürdige Bischof Zdik hat sich mit seinem Leben für ihn verbürgt«, antwortete Rowno.
»Als der erlauchte Herzog Sobeslaw im Sterben lag«, fügte Witiko hinzu, »habe ich ihn zu seinem