Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter. Adalbert StifterЧитать онлайн книгу.
In derselben saß der Mann, der die braunen Kleider hatte, auf einem Stuhle, und der Knecht Raimund saß auf einem andern Stuhle. Witiko sah, daß von den Speisen und den Getränken etwas verzehrt worden war. Raimund berichtete, daß die Pflege der Pferde vorüber sei, und daß sie jetzt ruhen könnten. Witiko nahm von den Speisen und Getränken nichts, und setzte sich auf einen Stuhl.
Es dauerte noch eine Zeit, bis die Sonne unterging. Da ertönte eine Glocke in dem Hause.
Witiko erhob sich, und ging mit Raimund und dem fremden Manne in den großen Saal.
In demselben war alles so zum Speisen angeordnet, wie es Witiko gesehen hatte, da er zum ersten Male in dem Hause gewesen war. Er wurde an das obere Ende des Tisches zu Heinrich und Wiulfhilt geführt. Heinrich stand obenan, Witiko wurde zu seiner Linken gewiesen, rechts war die Mutter und dann Bertha. Es waren auch noch zwei Männer am oberen Ende des Tisches, die Heinrich Dienstmannen, Hartnit und Liutolt, nannte. Die Leute des Hauses harrten weiter unten, bei ihnen waren auch der Knecht Raimund und der Mann in dem braunen Gewande. Heinrich sprach ein lautes Gebet, in das die Leute antworteten. Nach dem Gebete setzten sich alle nieder, und die Speisen wurden von zwei Mägden gebracht. Sie wurden alle zugleich auf den Tisch gestellt. Auf dem oberen Ende waren Fische, es war gebratenes Geflügel, es war Hirschfleisch, es waren Kuchen, es war Brot und Wein. Auf dem unteren Ende des Tisches war gebratenes Hammelfleisch, Bier und Brot.
Als das Mahl geendet war, sprach Heinrich wie vorher ein Gebet. Nach demselben gingen die Leute, welche an dem unteren Ende des Tisches gesessen waren, fort.
Heinrich sagte zu Witiko: »Möge Euch als Gast mein Abendessen wohl bekommen, und weil ihr morgen mit dem Anbruche des Tages fortreiten wollt, so nehmen wir heute Abschied.«
Wiulfhilt sagte: »Lasset Euch genügen, was wir Euch in Eurer kurzen Zeit hier bieten konnten, und kommet als Gast bald wieder in unser Haus. Mein Gemahl und ich werden Euch gerne aufnehmen. Sein Wille ist der meinige.'
»Ich danke Euch, edle Frau«, sagte Witiko.
Darauf wendete er sich zu Bertha, und sprach: »Möge Bertha das Glück erfahren, das ihr die wünschen, die sie lieben.«
»Möge Witiko erreichen, was er hofft«, entgegnete Bertha.
»Er will darnach streben«, sagte Witiko, »Gott fügt das weitere.«
Er reichte Bertha die Hand, und Bertha reichte ihm die Hand.
»Ich werde Euch in Eure Stube geleiten«, sagte Heinrich.
Witiko und Bertha lösten ihre Hände auseinander. Witiko neigte sich vor Wiulfhilt, vor Bertha, und auch vor den Dienstmannen.
Diese alle gaben den Gruß zurück, und Witiko ging mit Heinrich gegen die Tür. Heinrich führte ihn in die Wohnung, die ihm zur Herberge bestimmt war.
Dort verabschiedeten sie sich.
Raimund und der Mann in dem braunen Gewande waren schon in den Stuben, und die drei Männer suchten nun die Ruhe der Nacht.
Als der Morgen noch wenig dämmerte, verließ Witiko die Gemächer. Da war in dem Gange vor denselben Heinrich, und öffnete mit einem Schlüssel das Fallgitter, und zog es empor. Dann ging er fort. Witiko ging unter dem geöffneten Fallgitter hinaus. Er ging in den Stall. Raimund kam auch sogleich herunter, und die Pferde wurden mit der Beihilfe des Knechtes Hando besorgt.
Da dieses geschehen war, aßen die drei Männer etwas von den Morgenspeisen, die in ihre Wohnung gebracht worden waren. Dann wurden die Pferde in den Hof geführt, und die Männer gingen zu ihnen.
Da kam Wolf herzu, und brachte mehrere Stricke, welche Raimund an seinem Sattel befestigte.
Darauf bestiegen die Männer ihre Pferde.
Nun kam Heinrich zu ihnen, und geleitete sie bis zu dem Tore.
Wolf öffnete die beiden Flügel des Tores, und nickte im Gruße gegen Witiko.
Heinrich geleitete die Männer durch das Tor hinaus.
Da sie außerhalb seines Hauses waren, reichte er Witiko die Hand auf das Pferd, und sagte: »Ich danke Euch für das Vertrauen, welches Ihr mir heute in der Nacht erwiesen habt.'
»Lebt wohl«, sagte Witiko.
»Lebt wohl«, sagte Heinrich.
Die Männer setzten sich in Bewegung, und Heinrich ging durch das Tor in den Hof zurück.
Witiko und seine Begleiter ritten an dem rauschenden Bache nieder zu dem tieferen Walde, und in dem Walde fort bis an die Mihel. Sie durchritten die Wasser der Mihel, und Witiko ritt mit ihnen an die Hütte des Köhlers Mathias.
Der Köhler Mathias kam von dem rauchenden Meiler herzu, und sein Weib Margaretha kam mit den Kindern aus der Hütte.
»Gib uns einen Trunk frischen Wassers, Mathias«, sagte Witiko.
»Wollet Ihr denn nicht in das Haus gehen?« fragte der Köhler.
»Wir reiten sogleich wieder fort«, antwortete Witiko.
»Ihr haltet Euch gar nicht auf?« sagte Margaretha.
»Ich komme schon wieder einmal«, entgegnete Witiko.
»Ach, nach vielen Jahren«, sagte das Weib.
Dann ging sie, und brachte in einem grünen Kruge frisches Waldwasser. Witiko trank aus dem Kruge, und auch seine Begleiter tranken.
Dann reichte er von dem Pferde dem Köhler die Hand, und reichte sie auch seinem Weibe Margaretha.
Hierauf ritten die Männer an dem Rauche der Meiler vorüber in der Richtung gegen Mittag weiter.
Sie ritten unter den hohen und alten Tannen des breiten Berges empor. Sie ritten auf dem schmalen Pfade unter den tiefen Ästen einer hinter dem andern. Als sie zu dem roten Kreuze gekommen waren, taten sie ein Gebet, und ritten wieder weiter im Walde aufwärts. Nachdem noch eine halbe Stunde vergangen war, kamen sie auf der Höhe in die Waldlichtung hinaus, vor der Witiko zum ersten Male den Dreisesselwald gesehen hatte. Sie wendeten sich jetzt auch um, und sahen die Forste und die Höhen, und sahen den Rauch, der von Heinrichs Hause empor stieg.
Darnach ritten sie wieder in einen neuen Wald auf einer Fläche sanft abwärts.
Nach einer Stunde erquickten sie, wie sie es gewöhnlich taten, an einer Waldstelle die Pferde.
Dann ritten sie wieder weiter.
Gegen den Mittag kamen sie auf einen Platz, auf dem niedriges Buschwerk auf Rasen weit dahin ging. An der Grenze waren Bäume, davon viele durch Winde gestürzt waren. Da sie auf dem Platze ritten, kam ein Bolzen gegen Witikos Seite geflogen, und prallte von dem Leder ab. Witiko blicke auf den Mann im braunen Gewande. An dem braunen Gewande desselben hing auch ein Bolzen. Sofort auch schaute Witiko in der Richtung hin, woher die Bolzen gekommen sein mochten. Da waren zwei Männer in den Gebüschen, und ragten mit dem Oberkörper über sie empor. Der eine hatte einen roten Bart, der andere einen grauen. Sie hatten beschmutzte Ledergewänder. Witiko nahm die Lanze Raimunds, und ritt in die Büsche, und in ihnen, so schnell es sein Pferd vermochte, gegen die Männer. Da die Männer dieses sahen, ergriff der graubärtige die Flucht.
Witiko rief gegen den andern: »Wenn du dich regst, und von dem Platze weichen willst, so werfe ich dir diese Lanze in den Leib, wenn du ruhig stehen bleibst, so schone ich deines Lebens.«
Der Mann blieb stehen.
Raimund kam nun auch auf dem Pfade, den Witiko in den Büschen gemacht hatte, herzu, und hinter ihm der Mann in dem braunen Gewande.
Raimund rief: »Und ich schleudere dieses Beil in deinen Körper, wenn du dich rührst.«
»Nimm ihn gefangen, Raimund«, sagte Witiko.
Raimund nestelte die Stricke, welche ihm Wolf gegeben hatte, von dem Sattel, und stieg von seinem Pferde. Dann reichte er dem Manne in dem braunen Gewande die Zügel desselben, und sagte: »Halte mir das Roß, bis ich fertig bin.«
Der Mann