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Om mani padme hum. Wilhelm FilchnerЧитать онлайн книгу.

Om mani padme hum - Wilhelm Filchner


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sehe ich meine fahrende Habe wieder.

      Heute, am 8. März, geht in Kuldscha das Gerücht, die Stadt werde bald durch ein Erdbeben versinken. Diese unheimliche Prophezeiung wird durch Mongolen verbreitet.

      Von Chorgos bis Kuldscha war seinerzeit durch die Russen eine telegraphische Verbindung geschaffen worden. Jetzt ist die Leitung vollständig verwahrlost. Und wo der jeder Entfernung spottende Zauber des Meldedrahts fehlt, ist Raum für eine uralte, dunkle Macht: das Gerücht. So wird jetzt hier u. a. erzählt, der Gouverneur von Sinkiang beschlagnahme alle Wagen für Kriegstransporte nach dem Osten! – Das wären ja verlockende Aussichten für mich ...

      Am 13. März erhalte ich Nachricht, dass die zweite Rohfilmsendung in Deutschland finanziell gesichert ist und dass sie, über Tientsin, im Dezember in Kansu sein kann.

      Eine anmutige Abwechslung harrt meiner noch für die Weiterreise. Der Zustand der Landstraßen in diesen Gegenden erlaubt ein Fahren nur in den Rinnen der Radspuren. Auf der Strecke Kuldscha–Tihwa–Lantschou wechselt nun die Radspurweite zu wiederholten Malen, und den Karren müssen deshalb auf dieser Linie, auf der ich doch vorwärtskommen möchte, jedes Mal andere Holzachsen eingesetzt werden. Von Kuldscha bis Tihwa mittlere Spurweite, bis Su-tschou breite, bis Lantschou ganz breite! Später hingegen, von Lantschou bis Sian-fu, muss die Spurweite immer wieder verengert werden! Das gibt Beschäftigung, wenn auch keine sinnreiche ...

      Ich kann eine gute Telega, d. h. einen kurzen Planwagen, und drei Pferde für 2400 Ili-Rubel (entspricht ungefähr 900 Mark) kaufen. Die Wagen, von denen einer ein richtiger, ehemaliger deutscher Leiterwagen ist, werden in Ordnung gebracht. Der Letztere wird mit einem Plandach aus Matten überdeckt. Er soll die Instrumente aufnehmen, die an Seilen im Inneren aufgehängt werden.

      Während der Vorbereitungen erleben wir eine ungewöhnliche Episode aus dem Dasein der Haustiere. Fünf Kühe attackieren einen Hund, der sich mit einem Kalb zu schaffen macht, stoßen ihn mit den Hörnern und trampeln ihn tot, ehe jemand eingreifen kann.

      Am 27. März stehen die wohlbepackten Wagen fahrbereit. Die Lasten sind gleichmäßig verteilt; an Instrumenten stoßfrei aufgehängt: der magnetische Theodolit, der Hildebrand-Theodolit, der Filmapparat und zwei Kassettenkoffer. Der Leiterwagen, auf dem ich persönlich reise und den Iwan kutschiert, enthält: drei Filmkisten, eine Kiste mit photographischen und Filmreserveteilen, zwei Kassettenkoffer, den Filmapparat, die Theodolite, drei Stative, die botanische Presse, ein Zelt, eine Gebrauchskiste mit Kochgeschirr und Iwans Kiste. Der zweite Wagen, den Joseph lenkt und auf dem Beick sitzt, enthält: zwei Filmkisten, eine schwere Kiste mit Berechnungsformularen, Baro- und Thermograph, Erdinduktor, Meta-Brennstoff, zoologische Kiste, zoologischen Koffer, einen Ruhesack, Spiritusbehälter, einen zweiten Wagensack, einen Sack mit Reis und dergleichen mehr. Auf beide Wagen ist ferner gleichmäßig verteilt mein chinesisches Silbergeld, die sogenannten »silbernen Schuhe« – halbnussgroße Silberbrocken.

      Ja, diese Instrumente! Sie haben mir viele Sorgen bereitet! Aber ohne sie wäre mein ganzer »Ausflug« zum Scheitern verurteilt gewesen. Und dabei wären sie beinahe gleich zu Anfang zum Teufel gegangen ...

      Die letzten Tage vor der Weiterreise waren ausgefüllt mit Einladungen beim Dao-tai, mit dem ich sehr gut stehe. Sein Sohn studiert in Berlin Ingenieurwesen.

      Kuldscha soll eine alte Mongolenstadt sein und ehemals »Stadt der goldenen Säule« geheißen haben. Die Bauten, in denen die Mongolenfürsten wohnten, hätten nahe dem Westende der jetzigen Stadt gestanden. Dort soll sich die erwähnte, ganz mit Gold bedeckte Säule befunden haben!

      Das muss wirklich schon ein ganzes Weilchen her sein ...

      3.

      ZUM SAIRAM-NOR. MEIN WISSENSCHAFTLICHES PROGRAMM

      In milder Märzluft verlassen wir am 28. März, begleitet von zwei gut aussehenden chinesischen Soldaten auf staubiger Straße Kuldscha. In der Ili-Niederung sind große Rauchwolken zu sehen.

      Alljährlich setzt die Bevölkerung hier Schilfwälder und Gestrüpp des Flusstals in Brand, um Weideplätze für das Vieh zu erlangen.

      Natürlich werden dadurch große Mengen von Enten-, Gänse- und Fasanennestern vernichtet. So nimmt das geflügelte Wild umso schneller ab, als die Fischer auch noch das alte Schilf anzünden, um sich von der Mückenplage zu befreien.

      Abends treffen wir in der Kreisstadt Sui-ting ein, die etwa 45 Kilometer westlich von Kuldscha in einer Meereshöhe von 570 Metern liegt.

      In Sui-ting und in Kure dürfen nur Chinesen innerhalb der Stadtmauern wohnen. Auch hier ist ein Missionshaus der Steyler Mission, das dem Pater Colomb unterstellt ist.

      Der persische Flieder hat schon große Knospen, die wilden Aprikosen stehen in voller Blüte. Duft und Farben des Frühlings verschönen die unvollkommene Welt.

      In und bei der Stadt viele Pappeln mit ungezählten Nestern der Saatkrähen; der Eiersegen hat schon begonnen. In der Nähe entströmen Felsrissen glühendheiße Schwefeldämpfe. Aus den Niederschlägen werden Soda und Salpeter gewonnen.

      Mein erstes Ziel ist der Sairam-See, den ich über den 2500 Meter hohen Talki-Pass im Borochoro-Gebirge erreichen will.

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       Poststraße Prschewalsk–Ssassanowka nach dem Erdbeben; Straße mit Rad- und Hufspuren im Vordergrund (Foto: N. W. Gubareff)

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       Fan Dao-tai, der Minister des Äußeren in Urumtschi; hingerichtet am 7.7.1928 (Foto: Wilhelm Filchner)

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       Denkmal für den Generalgouverneur von Sinkiang (Foto: Wilhelm Filchner)

      Einen Tagemarsch von Sui-ting entfernt, erblicken wir am Fuß des Borochoro-Gebirges die Ruine eines alten niedrigen Turms. In früheren Zeiten diente er einer primitiven, aber damals ausreichenden Telegraphie: Er gab durch Feuersignale Nachrichten über Land. Von hier ab beginnt der Aufstieg in der Talki-Schlucht.

      Mehrere Tage fahren wir auf leidlich guten Wegen bergan zwischen wilden Espen, Wildäpfeln und Fichten. Doch ist von den ehemals großen Wäldern nicht mehr viel übrig, da die Eingeborenen mit ihren Lagerfeuern recht unvorsichtig umzugehen pflegen.

      In der oberen Knieholzzone zeigen sich Rehe, Luchse, Bären, Murmeltiere; auch der Schneeleopard ist hier zu Hause. Wilde Tauben gibt es in Hülle und Fülle. Viel Wacholder gedeiht, außerdem eine merkwürdige Pflanze, eine Sturmhutart, deren Wurzel giftig ist.

      Frauen, die ihre Ehemänner schnell loswerden wollen, kochen die Wurzel, tauchen den Rock des Mannes in die Flüssigkeit und lassen ihn wieder trocknen. Zieht der Mann den Rock über, dringt das Gift durch die Poren in den Körper und vollendet das Zerstörungswerk in wenigen Stunden. Es ist das wahre »Nessusgewand«. Ich freilich habe keine Angst vor diesen Wurzeln; ich rechne mich zu den »geborenen« Junggesellen.

      Droben auf dem verschneiten Kamm des Passes kommen wir zu einem kleinen Tempel, den die Borotala-Mongolen angelegt haben sollen. In seiner Nähe türmen sich drei Meter hohe Steinhaufen. Balken, Stöcke und Bretter mit Tuchwimpeln sind hineingesteckt und mit Schnüren untereinander verbunden. Diese Steine und sonstigen naiven Symbole wurden von den Eingeborenen mühsam nach der Passhöhe geschleppt und dort den Göttern geopfert.

      Zu unseren Füßen dehnt sich der unendliche Sairam-See. Grellweiß leuchtet seine Eisdecke herauf. Er scheint sehr tief zu sein. Kein Trinkwasser für Menschen. Es wirkt abführend und schmeckt nach Glaubersalz. Doch die Tiere der Wildnis lieben es.

      Zwei Stunden muss ich im eiskalten Wind hinter der Blockhütte stehen, bis endlich die beiden Wagen auf dem steilen Weg sich langsam heraufschieben. Die Pferde dampfen und müssen alle 20 Meter verschnaufen.

      Zuletzt, als


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