Mami Staffel 5 – Familienroman. Eva-Marie HornЧитать онлайн книгу.
anzurufen. Doch im letzten Moment ließ Corinna es, weil sie es versprochen hatte. Er hatte es ja auch nicht leicht und litt sicher genauso unter der Trennung.
Erst als auch in der zweiten Woche nichts geschah, sank ihre Stimmung auf den Nullpunkt. Außerdem hatte eine morgendliche Übelkeit eingesetzt, die ihr sehr zu schaffen machte. Sie ging zu ihrem Frauenarzt, der ihr bestätigte, daß alles in Ordnung war. Gegen die Übelkeit half nicht viel, sie mußte sie ertragen.
»Wenn es zu schlimm wird, kann ich Ihnen etwas verschreiben. Aber ich habe das Gefühl, Sie sind auch so nicht besonders glücklich. Wahrscheinlich liegt es dann eher daran, daß Sie sich so verkrampfen.«
»Ich… kann mit dem Mann noch nicht zusammenleben, von dem ich das Kind bekomme.«
Ihr Frauenarzt kannte sie schon lange, deshalb war Corinna sicher, daß er sie verstehen würde. Außerdem tat es gut, auch noch mit jemandem anderen darüber sprechen zu können als nur mit Melanie.
»Oh, das ist natürlich traurig. Ist er gebunden?«
»Ja. Und seine Verlobte läßt ihn nicht gehen. Sie droht ihm damit, daß er seinen Job verliert, weil die Firma ihrem Vater gehört.«
»Das ist ja übel. Aber sicher wird der Mann doch zu Ihnen halten…«
»Das glauben Sie auch, nicht wahr? Wenn man ein Kind bekommt, zählt das doch mehr…«
Der Arzt machte ein besorgtes Gesicht. Er wußte, daß Corinna Schmale nicht sehr widerstandsfähig war. Die hormonelle Veränderung, die in ihrem Körper vor sich ging, war noch ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor. Also hielt er seine wahre Meinung lieber zurück und nickte nur.
Corinna ging einigermaßen getröstet wieder zur Uni zurück. Sie wußte, daß sie bald von der Schwangerschaft erzählen mußte, aber noch sah man ihr nichts an. Wenn sich Bernd nicht bis zum Ende der Woche gemeldet hätte, würde sie ihn noch einmal anrufen. Dann galt ihr Versprechen nicht mehr. Und falls dann seine Verlobte am Telefon wäre, würde sie ihr die Wahrheit sagen.
Dieser Entschluß gab ihr einigermaßen Kraft, noch zu warten. Niemand konnte ihr verübeln, daß sie ihre Interessen vertreten mußte, ihre und die des Kindes. Das war eine starke Einheit. Sogar Bernd mußte das verstehen.
Melanie schlich dauernd um sie herum. Das machte Corinna ganz nervös. Am Sonnabend, als die Arbeit getan war und sich alle für das Wochenende vorbereiteten, nahm Melanie Corinna zur Seite.
»Hat er noch nicht angerufen?«
»Nein.«
»Und was willst du tun?«
»Ich rufe ihn heute an. Und wenn seine Verlobte am Apparat ist, spreche ich mit ihr.«
»Ja, das ist dann wohl auch richtig.«
Melanie nahm sich vor, abends noch einmal bei Corinna vorbeizuschauen. Sie hatte sowieso nichts Aufregendes vor. Vielleicht würde Corinna sie nach ihrem Telefonat brauchen.
Corinna hielt es noch bis halb sechs aus, dann war ihre Widerstandskraft dahin. Sie wählte die vertraute Nummer und wartete, daß jemand abnahm.
»Hier Julia Thomsen…«
O Gott, was sollte sie jetzt tun?
»Ist das für mich, Julia?« hörte Corinna Bernd im Hintergrund rufen.
»Es meldet sich niemand.«
»Leg einfach auf, hat sich sicher jemand verwählt.«
Corinna stockte der Atem. Bernd mußte sich doch denken können, daß sie das war! Sicher würde er gleich eine Gelegenheit finden, um zurückzurufen.
Sie legte auf und wartete. Nach einer Stunde war immer noch kein Anruf gekommen. Statt dessen klingelte es aber an der Tür.
»Hallo, Corinna. Hast du Zeit? Laß uns ein bißchen klönen.«
»Melanie…, ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich früh schlafen gehen.«
»Hast du angerufen?«
Corinna kamen die Tränen. Sie fühlte sich völlig zermürbt.
»Ja, aber die Verlobte war dran, und dann konnte ich doch nichts sagen.«
»Dann versuch es noch einmal. Ich bin ja jetzt hier und stärke dir den Rücken.«
Melanie wollte, daß Corinna endlich die Augen geöffnet wurden, bevor sie noch mehr von den Füßen kam. Es konnte kaum noch schlimmer werden. Offenbar hatte Corinna den Eindruck, daß man ihr nichts anmerkte, aber das stimmte nicht. Sie schlich herum wie ein Gespenst und hatte Schatten unter den Augen, die natürlich auch von der Schwangerschaft kommen konnten.
»Meinst du wirklich?«
»Ja, klar. Das wolltest du doch. Bernd hat jetzt zwei Wochen Zeit gehabt. Seine Verlobte ist ja wohl nicht herzkrank, daß er sie besonders schonen müßte.«
»Du bist immer so unerbittlich, Melanie.«
»Das solltest du auch sein, sonst drehst du nämlich bald durch. Komm, ruf an.«
Corinna wählte erneut. Und wieder meldete sich Julia Thomsen.
»Kann… ich bitte Herrn Holdorf sprechen?«
»Darf ich fragen, wer Sie sind?« wollte die Frau wissen.
Ihre Stimme klang recht freundlich und überhaupt nicht mißtrauisch.
»Ich bin eine Bekannte. Corinna Schmale.«
Sie mußte sich hinsetzen, weil ihre Beine sie nicht mehr trugen.
»Einen Moment, ich hole ihn. Schatz? Hier ist eine Frau Schmale für dich…«
Corinna konnte von der Reaktion ihres Freundes nichts hören, vielleicht hatte es ihm auch die Sprache verschlagen. Er meldete sich aber ziemlich schnell.
»Was wollen Sie denn?«
»Wieso siezt du mich? Hast du immer noch nicht mit ihr gesprochen?«
»Dazu hatte ich noch keine Gelegenheit. Ich werde mich nächste Woche bei Ihnen melden.«
»Versprichst du es mir? Bis Mittwoch, sonst spreche ich selbst mit deiner Julia«, fügte sie dann hinzu, weil Melanie ihr wilde Zeichen machte.
»Ja, ja, selbstverständlich.«
Sie legte auf. In ihren Augen standen Tränen, die langsam über ihre Wangen rollten.
»Ach, Melanie, ich glaube, er tut es nie…«
Melanie legte ihr die Arme um die Schultern.
»Nein, Corinna, das befürchte ich auch. Und deshalb sollten wir jetzt überlegen, wie es weitergeht. Mit mir kannst du rechnen.«
Das war zwar ein gewisser Trost, doch Corinna wollte noch immer niemand anderen als Bernd. Auch wenn sie bis weit nach Mitternacht diskutierten, kam nichts anderes dabei heraus.
*
Julia hatte bisher keinen Grund gehabt, an Bernds Treue zu zweifeln, aber seit diesem Anruf benahm er sich merkwürdig. Immer wenn abends das Telefon klingelte, sprintete er an den Apparat und wurde ganz hektisch. Weil sie selbst ein nicht ganz reines Gewissen hatte, war sie nun plötzlich überzeugt, daß diese Corinna Schmale, die neulich angerufen hatte, mehr als eine Bekannte sein mußte, die ihm zudem noch ziemlich lästig war, wie er behauptet hatte.
Julia hatte sich zweimal mit Sven getroffen, der inzwischen nicht mehr humpelte und wieder putzmunter war. Das erste Mal hatte sie natürlich nur ihr Versprechen einhalten wollen, mit ihm essen zu gehen. Aber das zweite Mal, vorgestern, war sie aus eigenem Antrieb mitgegangen. Es hatte nämlich viel Spaß gemacht, mit ihm zusammen zu sein. Sven war ein wirklich sehr unterhaltsamer, lustiger Typ, und die Art, in der er seine Bewunderung für sie zeigte, gefiel ihr und tat ihr gut. Er hatte sie zum Abschied überrumpelt und ihr einen Kuß gegeben, doch auch das nahm sie ihm nicht wirklich übel. Im Gegenteil, wenn sie daran dachte, prickelte es noch immer auf ihren Lippen.
Julia