Dr. Norden Staffel 3 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
habe«, erklärte Toni Kroith völlig unbeeindruckt.
Wieder stand Daniel die Szene vom vergangenen Tag vor den Augen.
»Das sah aber gestern ganz anders aus«, stellte er kritisch fest. »Die Karriere, der Ruhm, das ist wohl wirklich alles, was Sie interessiert. Den Menschen dahinter sehen Sie wohl nicht.«
Toni Kroith stand vor dem Schreibtisch des Arztes und wirkte plötzlich wieder jovial und gutmütig.
»Wie Sie vorhin so schön gesagt haben, geht es hier nicht um Sie und nicht um mich. Es geht in der Tat um Leon. Und alles, was den Jungen interessiert, ist nun mal Tennis. Ich habe in den letzten Jahren mehr Zeit mit ihm verbracht, als er Zeit mit seinen Eltern verbracht hat. Und wissen Sie: Wenn man alles gibt, die ganze Kraft, die man zur Verfügung hat, dann wird einem ein Schüler so wichtig wie ein eigener Sohn. Dann muss man ihn einfach fördern, ihn unterstützen und ihm helfen, wo man nur kann.«
In diesem Augenblick musste Dr. Norden wohl oder übel einsehen, dass er gegen Windmühlen kämpfte. Seine Worte waren ohne Wirkung geblieben.
»Also gut.« Er nahm sich ein Beispiel an dem Trainer und stand ebenfalls auf, um ihn zur Tür zu begleiten. »Bitte machen Sie mit meiner Assistentin morgen einen Termin für weitere Untersuchungen aus. Inzwischen werde ich mir Gedanken darüber machen, wie wir weiter verfahren wollen.«
Sie waren an der Tür angelangt und Toni Kroith drehte sich zu dem Arzt um. Sein Lächeln zeugte von seiner Zufriedenheit.
»Das nenne ich mal ein Wort!« Er hielt Daniel die Hand hin. Der Arzt zögerte einen winzigen Augenblick. Dann nahm er sie und schüttelte sie.
»Grüßen Sie Leon von mir. Wir sehen uns morgen.«
*
»Hübscher Bengel!« Als Leon Matthes die Praxis in Begleitung seines Trainers verlassen hatte, sah Janine Merck den beiden interessiert nach.
»Wen meist du damit? Den jungen Mann oder seinen Beschützer?«, hakte Wendy belustigt nach und stand von ihrem Schreibtisch auf, um ein paar Patientenkarten in die Schublade zurück zu sortieren.
»Den Jungen natürlich. Auf so einen Sohn wäre ich stolz.«
»Und ich dachte schon, er gefällt dir als Mann.«
»Gott bewahre! So schlimm ist es dann doch noch nicht«, lachte Janine unbeschwert.
Seit ihre Beziehung mit dem Sohn eines Patienten trotz vielversprechendem Anfang recht schnell und schmerzlos zu Ende gegangen war, lebte sie allein. Die meiste Zeit war sie zufrieden mit ihrem Schicksal, ging sie doch davon aus, dass ihr Singledasein nur ein vorübergehender Zustand war. Manchmal war sie aber durchaus wehmütig und nahm die Patienten der Praxis genauer unter die Lupe, wohlwissend, dass eine solche Verbindung niemals in Frage kam. Schließlich wusste sie, was sich gehörte. Ganz im Gegensatz zu der Patientin, die die Praxis in diesem Augenblick betrat.
»Guten Tag. Mein Name ist Lilly Seifert. Ich möchte bitte zu Danny Norden«, verlangte die schöne Frau ohne Umschweife.
Überrascht warf Janine einen Blick in den Terminkalender.
»Tut mir leid, das muss ein Irrtum sein. Herr Norden Junior hat heute keine weiteren Patienten mehr.«
»Das trifft sich ganz hervorragend. Bitte melden Sie mich an«, verlangte Lilly, während sie die Fransen ihres Ponchos zurecht zupfte.
Janine haderte kurz mit sich, dann stand sie auf und tat das einzig mögliche.
»Danny, da ist eine Dame am Tresen, die verlangt, von Ihnen behandelt zu werden«, informierte sie ihren jungen Chef.
Danny Norden saß am Schreibtisch und studierte die Laborergebnisse eines Patienten. Aus seiner Konzentration gerissen hob er den Kopf und sah seine Assistentin überrascht an.
»Das muss ein Irrtum sein. Die Sprechstunde ist zu Ende«, widersprach er.
»Das habe ich der Dame auch gesagt. Aber offenbar bildet sie sich ein, dass sie ein Recht auf Sonderbehandlung hat«, bemerkte Janine Merck. »Warum auch immer«, fügte sie mit spitzer Stimme hinzu.
Seufzend lehnte sich Danny zurück.
»Wie heißt sie denn?«
»Lilly Seifert.«
Vor Schreck fiel Danny der Kugelschreiber aus der Hand. Er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Physiotherapeutin den Tipp mit dem Arztbesuch auf ihn beziehen könnte.
»Das kann doch wohl nicht wahr sein«, entfuhr es ihm unwillig, und er dachte angestrengt darüber nach, was er jetzt tun sollte. Wenn er Lilly wegschickte, würde er ebenso Verdacht erregen wie wenn er sie behandelte. Wie er es drehte und wendete: Er saß in der Klemme. So beschloss er schließlich, der argwöhnischen Janine die Wahrheit zu sagen. »Das ist die Physiotherapeutin aus der Behnisch-Klinik«, gestand er zähneknirschend. »Ich hab das Gefühl, dass sie mir schöne Augen macht.«
»Dann sollten Sie ihr vielleicht mal reinen Wein einschenken«, gab Janine ihm einen Tipp.
Danny verdrehte die Augen gen Himmel.
»Was glauben Sie denn, was ich getan habe? Ich hab Tatjana mindestens sieben Mal erwähnt und auch erzählt, wie glücklich wir sind.«
Damit hatte Janine nicht gerechnet und zuckte ratlos mit den Schultern.
»Dann muss es wohl tatsächlich daran liegen, dass Sie im Begriff sind, in die Fußstapfen Ihres Vaters zu treten und ein außergewöhnlicher Arzt zu werden«, erklärte sie und zwinkerte ihm gutmütig zu. »Also, was machen wir jetzt mit ihr? Wollen Sie sie noch behandeln oder soll ich ihr einen Termin geben?«
Über diese Frage dachte Danny kurz nach.
»Wenn das so ist, bringe ich es lieber gleich hinter mich.« Er steckte den Laborbefund zurück in die Patientenakte, und schon wollte Janine die Tür hinter sich schließen, als Danny sie mit einer Bitte zurückhielt. »Eins noch: Könnten Sie Tatjana bitte nichts davon sagen? Ich will nicht, dass sie sich Sorgen macht und Probleme sieht, wo keine sind.«
Janine zögerte einen Moment. Dann nickte sie.
»Natürlich«, versprach sie. »Und jetzt schicke ich Frau Seifert.«
*
»Schön, dass Sie sich doch noch Zeit für mich nehmen.« Ein maliziöses Lächeln auf den schönen, vollen Lippen spazierte Lilly nur ein paar Minuten später in Danny Nordens Sprechzimmer.
»Frau Seifert, das ist ja eine Überraschung. Eigentlich war ich gerade auf dem Sprung … ich habe eine Verabredung mit meiner Freundin bei meinen Eltern.«
Wie schon die Male zuvor ignorierte Lilly diese Bemerkung einfach.
»Ich freu mich auch, Sie zu sehen. Was macht die Schulter?«, erkundigte sie sich offensichtlich belustigt.
Diese Frage überraschte Danny, und er bewegte instinktiv die Schulter.
»Schon viel besser. Ihre Therapie scheint anzuschlagen.«
»Das freut mich.« Sie sah ihn forschend an. »Sicher fragen Sie sich, warum ich mir aus den vielen Ärzten in München ausgerechnet Sie ausgesucht habe«, bemerkte sie und setzte sich mit einer weit ausgreifenden Bewegung auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Sie schlug die langen, schlanken Beine übereinander und lächelte Danny strahlend an. Diese Frau verstand es wirklich, sich in Szene zu setzen, und Danny kämpfte kurz mit seiner Fassung.
»Können Sie Gedanken lesen?«, fragte er irritiert.
Lilly lachte auf.
»Vielleicht. Es könnte allerdings auch daran liegen, dass Sie leicht zu durchschauen sind«, gab sie zu bedenken. »Aber um Ihre Frage zu beantworten: Das hier ist der Beweis, dass ich Ihrer Forderung nachkomme und zu einem Arzt gehe. Womöglich hätten Sie mir sonst nicht geglaubt und mich doch an Frau Dr. Behnisch verraten.« Sie blinzelte Danny vergnügt an.
Ob er wollte oder nicht, er musste lachen.
»Ganz